Gummersbach – Im Film ist zu sehen, wie Adenauer bei der offiziellen Begrüßung mit einer Geste nach unten weist. Zeitzeuge Hermann Kusterer weiß, warum. De Gaulle habe sich damals höflicherweise nach Adenauers Befinden erkundigen wollen und auf Deutsch gefragt: „Wie gehen Sie?“ Adenauer darauf: „Na, mit den Füßen.“
Solche Missverständnisse und andere Anekdoten hat der 86-jährige Kusterer in großer Zahl auf Lager, und bei seinem Vortrag am Mittwoch vor Schülern des Gummersbacher Grotenbach-Gymnasiums gab er einige zum Besten. Damit es nicht zu schwerwiegenderen Problemen bei der deutsch-französischen Verständigung kam, war er dem Bundeskanzler 1963 bei der Unterzeichnung der Élysée-Verträge als Dolmetscher zur Seite gestellt.
Immer an der Seite der Kanzler
Hermann Kusterer unterstützte über Jahrzehnte die deutschen Kanzler, Präsidenten und Außenminister bei ihren Auslandsreisen und bei Begegnungen mit großen Staatsmännern wie Churchill und Kennedy.
Geschichtslehrerin Gisela Mengelberg, die das Programm organisiert hatte, konnte den Oberstufenschülern mithin einen Zeitzeugen allerersten Ranges präsentieren. Als Ehrengast des Europatags am Grotenbach-Gymnasium berichtete Kusterer von den Anfängen der deutsch-französischen Aussöhnung.
Hervorragende Vorbereitung
Die Schüler waren hervorragend vorbereitet worden durch einen multimedialen Vortrag von Ingo Espenschied. Der rheinland-pfälzische Journalist machte die historischen Vorgänge so anschaulich, dass auch die zwölf bilingualen Gastschüler aus Gummersbachs Partnerstadt La Roche-sur-Yon „begeistert“ waren, wie deren Lehrerin Isabelle Lejeune hinterher versicherte. Zusammen mit den Grotenbach-Gymnasiasten spendeten sie spontan langen Applaus, als Hermann Kusterer zufällig den Saal betrat, kaum dass er in einem Filmbeitrag als Zeitzeuge interviewt worden war.
„Ihr seid verantwortlich für Europa“
Die Grotenbach-Schüler interessierten sich für die besondere Rolle, die ein Dolmetscher in der internationalen Politik spielt. Auf die Frage, wie gut die deutsch-französischen Beziehungen heute seien, sagte Kusterer lakonisch: „Besser als vor 100 Jahren.“ Die Beziehungen seien eine Aufgabe, die sich an jedem Tag neu stelle. In diesem Sinne hatten zuvor schon Bürgermeister Frank Helmenstein und Paul Palmen als Vertreter der Bezirksregierung die Schüler zum Engagement aufgefordert. Und Schulleiter Michael Effner appellierte: „Ihr seid verantwortlich für Europa.“