Köln/Bonn – Theoretisch hat eine Hebamme der Uniklinik Köln maximal eine Geburt pro Tag. Doch in der Praxis sieht das ganz anders aus, sagt Pressesprecher Timo Mügge: „Der Rekord liegt bei 14 Geburten pro Tag. Und selbstverständlich kann es vorkommen, dass es in einer Schicht mehrere Entbindungen gibt.“
Die Uniklinik sieht sich mit 20 Vollzeitstellen vergleichsweise gut ausgestattet – allerdings sei das Hebammenteam durch Schwangerschaften und Elternzeiten nicht voll besetzt. „Wir stehen derzeit bei 17,6 Vollzeitstellen.“ Deshalb sucht die Uniklinik Hebammen. Aber: „Der Bewerbermarkt ist allerdings bundesweit äußerst angespannt.“
Eine Situation, die andere Kölner Kliniken bekannt ist:. Auch die Städtischen Kliniken suchen Hebammen. „Wir würden uns freuen, mehr zu haben, aber es ist nicht leicht, welche zu gewinnen“, sagt Pressesprecherin Sigrid Krebs.
„Grundsätzlich ist natürlich die Betreuung der Gebärenden gewährleistet,“ sagt Sigrid Krebs. Doch zwei weitere Hebammen würde sich das Krankenhaus wünschen. Auch andere Kölner Krankenhäuser, etwa das in Porz oder das Severinsklösterchen, suchen. „Aber es gibt nur noch wenige, die den Berufswunsch äußern“, sagt Sigrid Krebs. Der Klapperstorch komme eben nicht immer zu geregelten Arbeitszeiten, vermutet sie als einen der Gründe. Und die freien Hebammen würden nicht ohne weiteres aus der Selbstständigkeit in ein Angestelltenverhältnis wechseln, weil sie sich einen anderen Bezug zu den Gebärenden wünschten als der, der im Krankenhaus möglich sei.
Immer mehr Frauen pro Klinik
Den Arbeitsalltag auf der Station versucht Timo Mügge von der Uniklinik in Zahlen zu fassen: „2016 hatten wir 2106 Geburten (darunter auch Mehrlingsschwangerschaften). Teilen wir die Anzahl der Geburten pro Jahr durch die Tage des Jahres, so hatten wir im Durchschnitt pro Kalendertag 5,77 Geburten. Je nach Besetzung des Stellenplans stehen pro Tag zwischen sechs und neun Hebammen im Kreißsaal zur Verfügung – verteilt auf drei Schichten. So gerechnet hat also eine Hebamme pro Tag höchstens eine Geburt.“ Aber eben nur in der Theorie.
In der Praxis werden die Frauen, die betreut werden müssen, immer mehr. Denn wenn Krankenhäuser ihre Geburtsstationen schließen wie jetzt in Sankt Augustin, müssen die verbleibenden Kliniken deren Geburten auffangen. Und freie Hebammen, die Frauen bei der Geburt im Krankenhaus oder zu Hause betreuen, werden wegen der teuren Haftpflichtversicherung weniger. Auch das hat zur Folge, dass die Geburtskliniken mit ihren angestellten Hebammen mehr Frauen betreuen müssen.
Mit einer Hebammenerhebung möchte in Bonn die Initiative Mother Hood e.V. verlässliche Daten sammeln. Denn obwohl beim Bonner Gesundheitsamt 210 Hebammen gemeldet sind, weiß dort niemand, ob die gemeldeten Personen auch tatsächlich in der Geburtshilfe tätig sind, sagt Gerit Sonntag, Stadtkoordinatorin der Initiative. Denn die Frauen müssen sich nicht abmelden, wenn sie nicht mehr arbeiten. Tatsächlich sei es aktuell oft so, dass sich drei bis vier Gebärende eine Hebamme teilen müssten. „Überfüllte Kreißsäle und überarbeitetes Personal sind an der Tagesordnung“, so Sonntag. Von der Hebammenzentrale in Bonn wisse man, dass auch der Bedarf an Wochenbettbetreuung größer sei als die zur Verfügung stehenden Hebammenkräfte.
„Es gibt immer mehr Frauen, die im Wochenbett liegen und verzweifelt, aber vergeblich nach Hebammenunterstützung suchen“, sagt Sonntag. Mit ihrer Umfrage in Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis will die Initiative erfahren, wie hoch die durchschnittliche Arbeitszeiten, die Arbeitsbelastung und die Art der Betreuungsleistungen sind. Die Ergebnisse der lokalen Online-Umfrage von klinisch tätigen und freiberuflichen Hebammen werde man dann im Herbst mit den lokalen Entscheidungsträgern diskutieren. Um dem Thema auch auf Bundesebene Gewicht zu verleihen, ruft Mother Hood für Mittwoch, 29. März, um 18 Uhr in Bonn zu einer Kundgebung in Bonn vor dem World Conference Center auf. Dort findet eine internationale Gesundheitstagung mit Minister Hermann Gröhe zum Thema Patientensicherheit statt.