Leverkusener RheinbrückeEntsetzen in der Stadtpolitik
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Leverkusen – Von „Katastrophe“ ist immer wieder die Rede, wenn man jetzt mit Leverkusener Politikern spricht. Von Vertuschen und Verschweigen, von bewusster Desinformation der Stadt. Die Veröffentlichung des „Kölner Stadt-Anzeiger / Leverkusener Anzeiger“, dass es voraussichtlich zu einer wesentlich längeren Bauzeit für die neue Leverkusener Rheinbrücke und zu Mehrkosten von bis zu 250 Millionen Euro kommen könnte, schlug in Leverkusen ein wie eine Bombe.
Fassungsloser Oberbürgermeister
Fassungslos reagierte nicht allein Oberbürgermeister Uwe Richrath, der am Freitagabend erst durch eine Anfrage unserer Redaktion davon erfuhr, dass angelieferter Baustahl aus China wegen Qualitätsmängeln nicht verbaut werden kann und Asbest in der alten Rheinbrücke deren Abriss verkomplizieren und verteuern wird. „Ich habe dazu bisher keinerlei Information auf dem Schreibtisch.“ Erst am Freitagabend erhielt er einen bestätigenden Anruf von Straßen NRW.
„Das ist bisher gut verschwiegen worden“, kommentierte der Leverkusener Bundestagsabgeordnete Karl Lauterbach die Komplikationen beim Brückenbau. „Für Leverkusen gibt es keinerlei Unterstützung bei den Verkehrsministern Wüst und Scheuer, und auch nicht bei Ministerpräsident Armin Laschet.“
Es sei inzwischen ein durchgehendes Handlungsmuster bei Land und Bund geworden, über die Stadt hinwegzugehen, das habe sich vor wenigen Tagen ja erst bei der Entscheidung zum Rastplatz an der A1 und deren Mitteilung gezeigt. „Mit Leverkusen kann man Schlitten fahren, denken die. Bisher hat Leverkusen beim Autobahnbau alles reingewürgt bekommen. Das wäre anderswo undenkbar, in keiner anderen Großstadt würde das so durchgezogen.“
Jetzt sei absehbar, dass die erste Hälfte der neuen Brücke nicht vor 2028 fertig werde. Dann, so Lauterbach, sollte es aber auch bei dem einen Brückenteil bleiben und die von ihm favorisierte Kombi-Lösung mit einem sechs Kilometer langen Autobahntunnel gebaut werden. Denn alle zeitlichen und finanziellen Vorteile, die bisher gegen den Tunnelbau angeführt worden seien, seien nunmehr hinfällig, die Entlastung Leverkusen bei der Feinstaubbelastung hingegen wäre erheblich.
Akteneinsicht geplant
Diese Bauvariante, die mit dem Planfeststellungsverfahren für den Brückenneubau aussortiert worden ist, hat vor allem die Bürgerliste Leverkusen vehement gefordert. Deren Chef Erhard Schoofs will in der kommenden Woche bei Straßen NRW ein weiteres Mal Akteneinsicht nehmen. „Da ist eigens ein »Projektbeirat« eingerichtet worden, in dem Leverkusen über alle wesentlichen Dinge informiert werden sollte, und der wird über so Sachen wie Mängel beim Stahl und Asbestprobleme beim Abriss null informiert. Das ist ein dicker Hund!“
„Das ist ein riesiger Skandal!“, erregt sich der SPD-Fraktionsvorsitzende im Stadtrat, Peter Ippolito. „Landesverkehrsminister Hendrik Wüst und Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer lassen Leverkusen erneut im Regen stehen. Das Vertrauen in die Minister und deren Baubehörde Straßen NRW ist vollständig zerstört.“ Erst gab es „die Sauerei mit der Rastanlage“ und jetzt „das Desaster an der Rheinbrücke“.
Die SPD spricht von „Heimlichtuerei, Verschweigen und Hinauszögern“ und Ippolito folgert: „Sollte Wüst weiter versuchen, die Pleiten, Pech und Pannen des Brückenbaus zu vertuschen, dann bleibt ihm nur der Rücktritt von seinem Amt.“
Die Leverkusener Landtagsabgeordnete Eva Lux hat bereits gemeinsam mit ihrer Kölner Kollegin Susana dos Santos Herrmann (beide SPD) eine Kleine Anfrage an die Landesregierung gerichtet, ob und wann der Verkehrsminister informiert worden sei und warum der Verkehrsausschuss des Landtags nicht umgehend informiert worden ist.
Sondersitzung des Hauptausschusses
Das Thema Rheinbrücke steht auch auf der Tagesordnung einer Sondersitzung, zu der der Hauptausschuss des Rates am Donnerstag, 23. April, um 15 Uhr unter Wahrung von Sicherheitsabständen im Terrassensaal zusammenkommt. Vor allem die Genehmigung von Dringlichkeitsentscheidungen steht an, aber auch Informationen zum Stand des Autobahnausbaus sind angefragt.
Durch die Corona-Krise bedingt stehen Entscheidungen zu Gebührenerlassen, Verkehrsregelungen, Hilfsfonds und dem Wunsch nach einer Verschiebung der Kommunalwahl an.
Der Leverkusener Landtagsabgeordnete Rüdiger Scholz (CDU) wollte sich am Wochenende nicht zu dem Vorgang äußern. Er wisse auch nur, was der „Kölner Stadt-Anzeiger“ geschrieben habe und werde sich in dieser Woche in Düsseldorf informieren.
Immerhin hätten die Überwachungsinstrumente bei Straßen NRW wohl so weit funktioniert, dass man auf Mängel aufmerksam geworden sei. Im Übrigen liefen die Untersuchungen der alten Brücke bereits seit acht Jahren und auch der Auftrag an die ausführende Baufirma sei ja von einem Verkehrsminister von der SPD erteilt worden .
Mit der Forderung, eine Bauzeitenverlängerung bei der Brücke müsse schon mit Rücksicht auf Leverkusens Bürger und die örtliche Wirtschaft vermieden werden, meldete sich die FDP zu Wort. Ihre Oberbürgermeister-Kandidatin Monika Ballin-Meyer-Ahrens fordert: „Die Verantwortlichen dürfen nicht länger über unsere Köpfe hinweg Entscheidungen zu unseren Lasten fällen.“ Dann müssten eben rasch alternative Bauteile besorgt oder andere Bauabschnitte vorgezogen werden.