Artensterben im RheinlandWie der Klimawandel die heimische Flora und Fauna bedroht
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Wissenschaftler sagen voraus, dass wir in unseren Breiten häufiger mit Starkregenphasen und Dürreperioden leben müssen.
Ein Ausblick, was uns in den kommenden Jahrzehnten erwarten wird, geben wir in unserer Mini-Serie.
Lesen Sie hier Folge drei.
Rheinland – Wenn sich das Klima und die Wetterlagen nachhaltig ändern, hat das unmittelbare Folgen für die heimische Tier- und Pflanzenwelt. Neben den folgenreichen Belastungen durch unsere Monokulturen und den Chemieeinsatz in der Land- und Forstwirtschaft sowie der weiteren Besiedelung von ehemaligen Naturräumen kommen somit weitere Gefahren auf die regionale Natur zu. Mit großen Auswirkungen auf die Artenvielfalt, beziehungsweise das Überleben der Spezies. Bereits jetzt drohen viele heimische Tiere und Pflanzen aus den heimischen Naturräumen zu verschwinden.
Von der Erwärmung profitieren vor allem die Invasoren
„Wir erleben seit einiger Zeit, dass bestimmte Arten, die wir sonst nur aus südlicheren Gebieten kennen, auch in unseren Breiten überleben und sich vermehren“, warnt Ann-Marie Waldvogel, Juniorprofessorin für Ökologie an der Uni Köln. Zwei Hauptursachen seien dabei entscheidend: Zum einen schaffen es fremde Arten (Invasoren) bei längeren Wärmephasen leichter, natürliche Barrieren wie die Alpen zu überwinden. Zum anderen kommen sie aber auch durch den globalen Warenaustausch und den Reiseverkehr zu uns.
Wichtig für eine erfolgreiche dauerhafte Ansiedlung dieser gebietsfremden Arten sei jedoch, dass sie auf für sie passende klimatische Verhältnisse stoßen. „Als wir noch durchgehende kalte Winter mit langen Frostphasen hatten, konnten Invasoren aus südlichen Gebieten letztlich nicht überleben. Das aber hat sich nachhaltig geändert“, erläutert Waldvogel. Ein Beispiel ist die asiatische Tigermücke (Aedes albopictus), die vor ein paar Jahren erstmalig in unseren Breiten aufgetaucht ist und deren Population sich in Deutschland deutlich vergrößert hat. Sie wird es wohl schaffen, auch im Rheinland heimisch zu werden.
klicken Sie sich hier durch die vier Beispiele zur Klimaentwicklung
Im Fall der Tigermücke sind damit auch gesundheitliche Gefahren für den Menschen verbunden, weil die Mücke Krankheiten wie zum Beispiel das Dengue-Fieber überträgt. Dazu muss allerdings hinzukommen, dass auch das Virus bei uns vermehrt auftritt und sich verbreiten kann.
Invasive Arten stehen grundsätzlich in starker Konkurrenz zu heimischen Arten, können diese aber langfristig verdrängen. „Oft sind sie auch deshalb erfolgreich, weil sie auf ein Ökosystem treffen, das wenig Widerstandskraft besitzt (mangelnde Resilienz), weil es bereits geschwächt ist“, erklärt Ökologin Ann-Marie Waldvogel. Mit Folgen für die örtliche Tier- und Pflanzenwelt. Auslöser dafür sei meist ein Defizit in der Artenvielfalt – bedingt durch menschliche Eingriffe wie Umweltverschmutzung oder Bebauung, aber natürlich auch die durch den Menschen verursachte beschleunigte globale Erwärmung. Denn weil der Erwärmungsprozess so schnell erfolgt, haben viele Arten – vor allem, die bei der Vermehrung nicht auf Masse, sondern auf Behütung weniger Nachkommen setzen – kaum eine Chance, sich anzupassen.
Die Folgen des Klimawandels lassen sich schon jetzt vor unserer Haustür ablesen: 33 Prozent der Brutvogelarten in Deutschland sind vom Aussterben bedroht, da sie immer weniger geeignete Brutstätten und auch zu wenige Insekten oder Weichtiere als Nahrungsquellen vorfinden – alles Folgeeffekte des globalen Wandels und der modernen Landwirtschaft. Der große Brachvogel oder der Grauspecht sind Beispiele für Arten, die auch im Rheinland nahezu vollständig verschwunden sind.
Regionale Klimaausblicke
Gerics steht für Climate Service Center Germany – mit Sitz in Hamburg. Es ist ein Teil des Helmholtz-Zentrums Hereon in Geesthacht (nahe Hamburg) – hervorgegangen aus einer früheren Nuklear-Forschungseinrichtung. Gerics erstellt Klimaausblicke für alle deutschen Landkreise. Abrufbar sind sie unter www.gerics.de.
Basis sind Regionaldaten des Deutschen Wetterdienstes und 85 im europäischen Verbund erstellte regionale Simulationsrechnungen. Dabei legt Gerics drei Szenarien zugrunde, je nach Entwicklung des CO2-Ausstoßes. Unsere Grafik zeigt Daten für ein mittleres Szenario, wonach die Emissionen noch bis Mitte des Jahrhunderts steigen, danach aber unter das heutige Niveau sinken. Dabei geben wir den Medianwert an, der in der Mitte der von Gerics ermittelten Bandbreite liegen.
Extreme Wetterphasen belasten einheimische Arten
Welche Folgen haben Starkregen und Trockenperioden für die Ökosysteme in unseren Breiten? Das größere Problem sind die langen Dürrephasen. Durch Unwetterkatastrophen, wie jüngst im Ahrtal und der Eifel geschehen, sterben zwar auch viele Tiere, aber in der Regel erholen sich die Populationen von so einem Ereignis. Dürreperioden können jedoch dazu führen, dass ganze Lebensräume verschwinden und damit die Nahrungsgrundlagen für viele Tiere wegfallen. Die Moore trocknen mehr und mehr aus. Dramatische Beispiele dafür sind das Hohe Venn oder das Gildehauser Venn, die durch den Klimawandel und die Eingriffe des Menschen immer bedrohter sind. Dabei sind diese Ökosysteme nicht nur für sehr spezialisierte Arten wie die seltene Speer-Azurjungfer (Libelle) einzigartig, sondern auch für Amphibien, Reptilien und Säugetiere ein wichtiger Rückzugsort. „Daher ist die Bewahrung der Moore so wichtig. Im Gildehauser Venn finden wir noch eine der größten Kreuzotter-Populationen Deutschlands“, hebt Ann-Marie Waldvogel hervor.
Große Folgen für die heimische Tierwelt hat auch das Absterben wichtiger Bäume in den Wäldern durch Trockenheit. Das Ökosystem gerät aus der Balance. Zum Beispiel auf diese Bäume spezialisierte Insekten oder Pilze werden verschwinden.
Der Wald befindet sich seit Jahren im Dauerstress
„Der Fichtenforst ist jetzt schon Geschichte. Und auch der Buchenwald wird längerfristig nicht großflächig weiterbestehen, weil auch die Buche mit längeren Trockenphasen in den Sommermonaten nicht zurechtkommt“, schildert Professor Maximilian Weigend, Botaniker an der Uni Bonn und Direktor des Botanischen Gartens Bonn, was uns vermutlich in den kommenden Jahrzehnten erwarten wird.
Es werde als Folge einen Übergang geben hin zu einem offenen Wald – das heißt, die Waldgebiete werden kein geschlossenes Kronendach mehr haben, so dass mehr Licht auf den Waldboden einfällt und so die Vegetation am Boden profitieren wird, sagt Professor Weigend. Die Artenvielfalt wird dadurch größer. Allerdings werden auch bekannte Waldpflanzen wie das Maiglöckchen oder das Waldmeisterkraut mehr und mehr verschwinden, weil die Böden zu trocken sind. Der Bestand dieser beiden Pflanzen ist zum Beispiel im Kottenforst schon jetzt dramatisch zurückgegangen, so Weigend.
Gemäß den Klimavorhersagen wird es ab 2040/50 kaum noch die heute typischen Wälder geben. „Am Ende werden wir wahrscheinlich einen Eichen-Hainbuchenwald bekommen, den wir aus den trockeneren Gebieten in den kontinentalen oder südlichen Regionen Europas kennen“, so Weigend. Schon jetzt haben die Eichenarten im Botanischen Garten in Bonn, die in trockeneren Regionen wie Griechenland oder Kalifornien heimisch sind, bereits ein deutlich besseres Wachstum als die heimischen Baumarten.
Bauern werden Feldfrüchte an wärmeres Klima anpassen
Bei der Heuernte wird es zukünftig größere Einbußen geben – mit Folgen für die Viehwirtschaft. „Wir wissen aus den USA, dass dort bereits in den letzten Jahren Rinder in größerer Zahl getötet wurden, weil nicht genug Heu- und Maisfutter vorhanden war“, so Weigend.
Bei wasserintensiven Feldfrüchten wie Mais und Kartoffeln wird man ebenfalls massive Ertragsverluste hinnehmen müssen, weil es häufig zu trocken ist. „Das wird spürbare Auswirkungen auf die Preise für diese Nahrungsmittel haben“, sagt der Botaniker voraus. Insbesondere das Wintergetreide, das von den zu erwartenden höheren Niederschlagsmengen im Winter profitiert, werde diese Ausfälle kompensieren müssen.
Nach und nach werden wir erleben, dass die Bauern Produkte auf offenen Feldern anpflanzen, die wir bisher nur aus den subtropischen Regionen kennen wie zum Beispiel Pistazien, Paprika, Oliven oder die Kaki-Frucht, so Weigend. Spargel wird es weiter bei uns geben, weil dieser von den Niederschlägen im Winter und Frühjahr profitiere. Für Zitrusfrüchte wird es wohl nicht reichen, weil die Pflanzen sehr empfindlich auf Frost reagieren, den es bei uns auch in kommenden Jahrzehnten zum Beispiel durch Kaltlufteinbrüche geben werde. Der Weinanbau hingegen wird weit in Richtung Norden und Osten wandern. Das könne man heute schon voraussagen.
Nächste Folge:„Maßnahmen gegen die Folgen des Klimawandels“
(Zudem laden wir Sie zu unserem „Forum Blau“-Dialog am 30. November, 17.30 Uhr, zu diesem Thema ein. www.forumblau.de)