Leverkusen – „Es herrscht ein großes Missverständnis über diese Krankheit.“ Karl Lauterbach, Epidemiologe und Bundestagsabgeordneter, beklagt in der Corona-Krise das Verhalten vor allem jüngerer Leute. Diese fühlten sich viel zu sicher. Die vielfach verbreitete Auffassung, dass eine glimpflich verlaufene Corona-Infektion keine nennenswerten gesundheitlichen Schäden anrichte, sei nicht haltbar, so Lauterbach.
Nach Gesprächen mit dem renommierten Epidemiologen Marc Lipsitch von der Harvard Universität sei völlig klar, dass auch ein vermeintlich harmloser Krankheitsverlauf „sehr ausgeprägte Veränderungen in der Lunge“ nach sich ziehe, sagte Lauterbach am Mittwoch auf einer Pressekonferenz, die kurzfristig am Telefon abgehalten wurde: Persönliche Begegnungen vermeidet der Abgeordnete, der bis vorigen Sonntag selbst in Quarantäne war, nachdem er in der Bundestagsarbeitsgruppe Recht und Verbraucherschutz auf einen Kollegen getroffen war, der mit dem Coronavirus infiziert war.
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Für Lauterbach blieb die Begegnung zwar folgenlos. Das beruhigt den Arzt aber kein bisschen. Sein Ton in der Corona-Krise hat sich jetzt noch einmal deutlich verschärft.
Corona ist für niemanden harmlos
„Wir haben keinen Grund zu glauben, dass das eine harmlose Erkrankung ist“, unterstreicht Lauterbach. Weil das Virus und die darauf zurückzuführenden Krankheiten neu seien, gebe es auch keinerlei Beobachtungen zu langfristigen Schäden: „Wir können nicht sagen, ob sich die massiven Veränderungen der Lunge irgendwann wieder zurückbilden – oder ob es sogar noch schlimmer wird.“
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Die vorliegenden Befunde seien jedenfalls alarmierend. Die Wahrnehmung, dass starke und gesunde Menschen vom Coronavirus fast nichts zu befürchten hätten, sei eine gefährliche Mär. Deshalb ist der Arzt sehr besorgt über das Verhalten vieler Menschen nach den weiteren Einschränkungen des öffentlichen Lebens. „Wir können so nicht weitermachen.“
Die Meinung, dass die Schließung von Kitas, Schulen, Geschäften und vieler Gaststätten übertrieben sei, kann Lauterbach im Licht der heutigen medizinischen Erkenntnisse über das Virus nicht nachvollziehen. Im Gegenteil: „Wir müssen die soziale Isolation viel stärker pflegen“, lautet sein Appell. Die Reaktion auf die getroffenen Maßnahmen hat den Abgeordneten erschüttert: „Das Wochenende und die ersten paar Tage sind nicht gut gelaufen. Die Bevölkerung schätzt die Lage falsch ein.“ Sollte es da kein Umdenken geben, müsse man sich ein Beispiel an Italien nehmen. „Dann brauchen auch wir eine mindestens zehntägige Ausgangssperre, wenn die Zahlen nicht zurückgehen.“
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Bei derzeit 31 Infizierten in Leverkusen sei die medizinische Versorgung sicherlich nicht in Gefahr. Das würde sich ändern, wenn mehr Menschen ins Krankenhaus und womöglich lange beatmet werden müssen. In diesem Bereich sei das Klinikum zwar gut aufgestellt – „aber im Rheinisch-Bergischen Kreis sieht das schon anders aus“, so Lauterbach. Dort herrsche ein Mangel an Beatmungsgeräten.