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Interview mit neuer ADAC-Chefin„Auch die Gelben Engel müssen sich anders aufstellen“

Lesezeit 5 Minuten

Weil die Pannenhilfe der Gelben Engel rückläufig ist, engagiert sich der ADAC im Schlüsselnotdienst und der KFZ-Zulassung.

  1. Sie ist die erste Frau an der Spitze eines ADAC-Regionalclubs. Andrea Schmitz ist neu gewählte Chefin des ADAC-Nordrhein.
  2. Über die Liebe zum Auto, Männerdomänen und ihrer Zukunftsvision für den Club sprach mit ihr Ingo Schmitz.

Haben Sie Benzin im Blut?

Ja klar! Ich habe mit 18 den Führerschein gemacht. Das war für mich eine Pflichtveranstaltung. Ich bin auch viel Motorsport gefahren. Nicht im Hochleistungsbereich, aber Orientierungsfahrten und touristische Ausfahrten mit meinen Mann zusammen. Gemeinsam besitzen wir auch Oldtimer.

Welcher dieser alten Schätzchen ist Ihr Lieblingswagen?

Eigentlich direkt der Erste: Ein MGA Roadster von 1958. Es sind bis heute seine rundlichen Formen, die ich so liebe. Er kommt nicht so kantig daher. Allerdings ist das kein Auto für das jetzige Herbstwetter.

Unter anderem an den Oldtimern ist abzulesen, wie sehr sich die Mobilität in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten verändert hat. Die Autos sind heute fahrende Computer, die Benziner sollen von den E-Motoren abgelöst werden, die Verkehrswende ist in aller Munde. Ist auch der ADAC im Wandel?

Wer stehen bleibt, hat schon einen Rückschritt gemacht. Wir sind zwar ein Automobil-Club, allerdings längst mit einem immer weiteren Blick auf alle Mobilitätsformen. Wir sind nicht mehr nur für Autofahrer da, sondern kümmern uns auch um die Belange von ÖPNV-Pendlern, Fahrrad- und Pedelecfahrern oder Fußgängern. Wir wollen die Menschen in ihrer mobilen Vielfalt mitnehmen. Es geht darum, Verkehrsträger sinnvoll zu vernetzen und nicht, sie gegeneinander auszuspielen. Beim Auto liegt sicher ein Fokus auf der Elektromobilität, aber wir sind für Technologieoffenheit. Der ADAC begleitet zum Beispiel auch die Entwicklung von synthetischen Kraftstoffen und Wasserstoff. Letzteren sehe ich aber eher als Lösung für Lkw und Busse.

Mehr als 97 Prozent Zustimmung

Andrea Schmitz (60) erhielt auf der Mitgliederversammlung im Oktober 97,25 Prozent Ja-Stimmen. Die 60-jährige Diplom-Kauffrau wurde in Hattingen geboren, ist verheiratet und Mutter von drei Söhnen.

Ihre ersten ehrenamtlichen Fußspuren hinterließ die heutige Vorsitzende des mit mehr als 2,9 Millionen Mitgliedern größten Regionalclubs im ADAC bei ihrem Heimatverein MSC UDA Oedt. Seit 1992 ist sie Geschäftsführerin des Ortsclubs, später kamen weitere ehrenamtliche Tätigkeiten beim NAC Duisburg und AC Mülheim an der Ruhr hinzu. 2011 wurde Andrea Schmitz in den Ausschuss für Mitgliederleistungen berufen, den sie als Vorstandsmitglied seit 2015 leitet.

Das Aushängeschild des ADAC sind die Gelben Engel, die klassische Pannenhilfe am Straßenrand. Aber auch da ist einiges im Wandel. Unter anderem gehen die Einsatzzahlen zurück. Verliert dieser Service an Bedeutung?

Den Engeln werden die Flügel nicht gestutzt. 2020 hatte die Pannenhilfe trotz weniger Verkehr fast 900.000 Einsätze alleine in NRW. Dennoch ist klar: Auch die Gelben Engel müssen sich nach und nach anders aufstellen. Die klassische Pannenhilfe in der althergebrachten Form nimmt ab. Aber: Auch E-Autos bleiben liegen. Der ADAC hat seine Straßenwachtfahrer weitergebildet, um auch hier helfen zu können. Häufig haben Elektroautos allerdings noch die gleichen Probleme wie Verbrenner. Starthilfe geben, defekte Beleuchtung, Reifenschäden und Türöffnungen gehören zum Kerngeschäft. Außerdem gilt es, bei sinkenden Einsatzzahlen die freien Kapazitäten anders zu nutzen. Beispielsweise für unseren Schlüsselnotdienst im Rheinland und Ruhrgebiet oder die Fahrradpannenhilfe wie in Berlin. Das sind noch Pilotprojekte, aber sie funktionieren schon ganz gut.

Sie sind seit Gründung des ADAC die erste Frau an der Spitze eines Regionalclubs. Der ADAC scheint eine besonders schwer einzunehmende Männerdomäne zu sein.

Zumindest in der ehrenamtlichen Führungsebene ist es bis jetzt so gewesen. In den unteren Ebenen des Ehrenamtes mache ich in den Regionalclubs schon einige Frauen aus. Aber da müssen sich noch mehr den finalen Schritt trauen. Dafür brauchen sie Rückendeckung. Die hatte ich. Und es gehört durchaus Mut dazu, den Weg nach oben anzutreten, weil man sich als Frau immer noch ein Stück mehr beweisen muss, als die Männer. Das ist leider so.

Viele neue Tätigkeitsfelder

Die schnelle Hilfe am Straßenrand, dafür ist der ADAC bekannt. Doch der Club macht weit mehr:

Luftrettung, Schlüsseldienst , Fahrrad-Pannenhilfe (Pilotprojekt in Berlin), Versicherungen, Verbrauchertests und Studien, Angebote im Bereich Elektromobilität, Verbraucherschutz/Rechtsberatung, Verkehrssicherheitsprogramme, Prüfzentren, Campingstation in Hürth-Gleuel, Fahrsicherheitstrainings, Fahrschulbetreuung,

Der ADAC Nordrhein ist unter anderem Ausrichter des 24h-Rennens auf dem Nürburgring, Oldtimer-Veranstaltungen/Ausfahrten, Reise- und Freizeitangebote, KFZ-Zulassungsservice, Herausgabe von diversen Magazinen für Mitglieder wie ADAC Motorwelt mit Regionalmagazin NRW, ADAC Apps unter anderem zu Pannenhilfe, Reisen und Ausflüge.

Setzen Sie sich das Ziel, beim ADAC die Frauenquote zu erhöhen?

Ja. Ich bin auch in einem Diversitätsprojekt des ADAC eingebunden. Ich möchte den Frauen den Rücken stärken, ihnen sagen: Traut euch. Die unterschiedlichen Sichtweisen von Frauen und Männern bereichern Entscheidungen.

Sie sagten zu Ihrer Wahl, Sie wüssten ganz genau, was die Mitglieder an der Basis denken und fühlen. Und was denken und fühlen die Mitglieder des ADAC?

Sie wollen nicht alleine gelassen werden vom ADAC. Sie wollen Informationen, Beratung und Hilfe bei Problemen. Die Themen sind unglaublich vielfältig und reichen von der klassischen Autopanne über Fragen zur Elektromobilität bis hin zur abgesagten Urlaubsreise. Wir müssen in dieser Pandemie - besonders in unserer Reisesparte - ganz nah dran sein an unseren Mitgliedern, sie auffangen. Und das tun wir auch.

Eine andere Aussage von Ihnen: Wir können noch innovativer und moderner sein. Das heißt, der ADAC war beides bisher zu wenig?

Nein, wir müssen immer innovativ und modern sein. Wir müssen das machen, was sich die Mitglieder wünschen. Ansonsten agieren wir am Markt vorbei. Um nur einen Punkt zu nennen, an dem wir als ADAC Nordrhein innovativ reagiert haben: die Kfz-Zulassung. Oft überlaufen. Unser Service für die Mitglieder: Alles im ADAC Center abgeben und wir kümmern uns drum. Kein Warten mehr auf dem Straßenverkehrsamt. Weiteres Beispiel: Wir haben in Hürth eine Campingstation mit Prüfleistungen und Vermietung eröffnet. Und wir arbeiten gerade an einer mobilen Prüfstation für Fahrräder. Außerdem werden wir die Themenfelder Familie und Gesundheit stärker in den Blick nehmen.

Schauen wir mal zehn Jahre weiter: Wie sähe dann ein ADAC nach Ihren Wünschen aus?

Noch näher dran an den Bedürfnissen der Mitglieder, noch kommunikativer und vor allen Dingen auch transparenter in seinen Leistungen. Auf jeden Fall marktfähig. Mit passgenauen, umfassenden Angeboten rund um Mobilität und Hilfe. Aber auch nicht zu breit aufgestellt. Der ADAC sollte sich nicht verzetteln. Das würde ich mir wünschen.