„Unglaublich viel Glück“ gehabtZeitzeuge erinnert sich an die Ardennen-Schlacht
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Dr. Wingolf Scherer war 20 Jahre alt, als er all er in die Eifel beordert wurde.
Er war Teil der Ardennenoffensive vor 75 Jahren und sagt heute, er habe „unglaublich viel Glück“ gehabt.
Im Rahmen unserer Serie haben wir mit ihm über die Schrecken des Krieges gesprochen.
Eifelland – Er war Leutnant der 277. Volksgrenadierdivision, zuletzt Kompaniechef. Dr. Wingolf Scherer, geboren in Attendorf im Sauerland, lebt heute in Karst und ist einer der Zeitzeugen, die noch authentisch von den Schrecken des Krieges in der Eifel berichten können. Als 20 Jahre alter Soldat war Scherer beim Start der sogenannten Ardennenoffensive der Wehrmacht eingesetzt.
„Wir waren eigentlich in Ungarn aufgestellt worden und wurden dann überraschend verlegt – ohne zu wissen, wohin wir kommen würden“, schildert der heute 95-jährige Scherer. Die Verlegung seiner Division begann am 5. November 1944. Sie endete in der Eifel, am Westwall. Scherers Kompanie machte zunächst in Rinnen Quartier, bevor sie im Raum Hallschlag eingesetzt wurde. Dort verschanzte sich die Truppe zunächst zwischen Huppenbroich und Udenbreth, bis in der Nacht zum 16. Dezember der Befehl zur Ardennenoffensive erteilt wurde.
Wie das aussah, schildert Dr. Scherer, der nach dem Krieg, nach amerikanischer und britischer Gefangenschaft, in Köln und Bonn studiert hat und später seine Promotion über Heinrich Heine verfasste, aus der Erinnerung. Seine Einheit habe die Hauptkampflinie zwischen Udenbreth und Hollerath durchstoßen sollen, um die Ortschaften Rocherath und Krinkelt, später die Hohe Mark bei Elsenborn einzunehmen. Mithilfe einer SS-Panzerdivision sei das auch unter hohen Verlusten gelungen, sagt Scherer.
Er berichtet auch vom großen Glück, dass er selbst gehabt habe, alle kritischen oder gar lebensbedrohlichen Situationen unbeschadet zu überstehen. Er schildert eine Begebenheit, bei der er sich auch auf tierischen Beistand verlassen konnte. „Uns war ein amerikanischer Schäferhund durch die Kampflinien zugelaufen, der sich mir anschloss. Das Tier suchte meine Nähe. Ich habe den Hund Luchs getauft und habe ihn an einem Lederriemen mitgeführt“, so Scherer.
„Ich war froh endlich schlafen zu können“
Einmal habe er vom Gefechtsstand zur Beobachtungsstelle laufen müssen, als er unter Granatbeschuss geraten sei. „Ich habe mich also mit Luchs in einem alten Granattrichter auf die Erde geworfen. Plötzlich hat mich der Hund hochgerissen und ist mit mir nach vorne gestürmt. Wenig später ist in den Trichter, in dem wir gerade gelegen hatten, eine Granate eingeschlagen. Luchs und mir ist nichts passiert, uns flogen nur die Brocken um die Ohren“, schildert Dr. Scherer eines seiner vielen Erlebnisse, in denen er nach eigener Aussage „unglaublich viel Glück“ hatte.
29 Soldaten in Rinnen an der Michael-Kapelle bestattet
Die Ardennenoffensive hat nicht nur das Leben im Raum Hellenthal beeinflusst, sondern in der gesamten Eifel. Auf dem Friedhof an der Michael-Kapelle in Rinnen sind laut Dr. Wingolf Scherer 29 Soldaten bestattet, von den die meisten in den ersten Tagen des deutschen Angriffs ums Leben kamen.
Die sterblichen Überreste der Soldaten wurden nicht auf Sammelfriedhöfe gebracht, denn laut Scherer hat die Kommune darauf bestanden, die Soldatengräber aus Verbundenheit zu den damals dort einquartierten Truppen weiter pflegen zu dürfen. Er besuche einmal im Jahr dort seine gefallenen Kameraden, so Scherer. (bz)
Vorsehung sei es wohl auch gewesen, als seine Einheit nach zahllosen Nächten ohne Schlaf gefordert war, einen Befehl an der Befehlsstelle abzuholen. Sein Stellvertreter, ein Feldwebel, habe angeboten, dies mit einem Unteroffizier zusammen zu erledigen. „Ich selbst war froh, endlich etwas schlafen zu können“, berichtet Scherer.
Wenig später aber sei er geweckt worden, denn der Unteroffizier sei verwundet zurückgekommen, der Feldwebel von einem Geschoss getötet worden. Noch heute besuche er einmal jährlich am Todestag des Feldwebels dessen Grab, das in Rinnen noch Bestand habe.
Buch über die Ardennenoffensive im Zweiten Weltkrieg geschrieben
Scherer hat nicht nur seine Erlebnisse bei der Ardennenschlacht aufgezeichnet, sondern auch zahlreiche andere Begebenheiten des Krieges in 20 Büchern verarbeitet, die im Helios-Verlag erschienen sind. Sein Buch „Die letzte Schlacht“ schildert die Ardennenoffensive und ihr Scheitern.
Scherer hat sich 2008/09 an einem Projekt beteiligt, das von der Hellenthaler Hauptschullehrerin Susanne Krolczyk angestoßen worden war. Schüler hatten Zeitzeugen befragt und sich auf Spurensuche begeben. Unter anderem mit Dr. Wingolf Scherer, der mit den Kindern auch bei Hollerath das Ardennenschlacht-Denkmal besuchte. Auf der Deutschland zugewandten Seite des Gedenksteins wird an die Volksgrenadierdivision und ihre Gefallenen erinnert, auf der Belgien zugewandten Seite an die der 99. US-Division.
2017 war Scherer einer Initiatoren der Arbeitsgemeinschaft Erinnerungsarbeit in Hellenthal, die einen Beitrag zur Völkerverständigung leisten und der Weiterentwicklung des Friedensprojekts Europa dienen soll.
„Die letzte Schlacht– Eifelfront und Ardennenoffensive 1944/45 – Rückzug an und hinter den Rhein“, herausgegeben von Wingolf Scherer, ist im Aachener Helios-Verlag erschienen: 240 Seiten, 73 Fotos, ISBN 3-933608-95-3, Kosten: 24,90 Euro.