Seit Freitag brennt es bei Smurfit Kappa in Zülpich-Bessenich. Mehr als 8000 Papierballen sind verbrannt. Die Löscharbeiten dauern an.
Ascheregen, Bahnstrecke, KraftwerkSo geht es nach dem Brand in der Zülpicher Papierfabrik weiter
Bei einem Brand auf dem Gelände der Papierfabrik Smurfit Kappa in Bessenich sind nach Angaben des Unternehmens wohl mehr als 8000 Papierballen verbrannt. Zwischenzeitlich waren mehr als 250 Einsatzkräfte vor Ort. Der Schaden dürfte in die Millionen gehen. Die Feuerwehr rechnet damit, dass das Feuer noch einige Tage lodern wird.
Aktuell macht sich die Feuerwehr Sorgen um das firmeneigene Kraftwerk auf dem Betriebsgelände. Eine Steinwand, die die Papierballen vor dem Umstürzen schützen soll, droht aufgrund des Gewichts der abgelöschten Papierballen umzukippen. Sollte das passieren, könnte auch das Kraftwerk beschädigt werden. Entsprechend zieht ein Bagger aktuell die Papierballen auseinander, um das Gewicht, das auf die Wand drückt, zu reduzieren.
Was ist bei Smurfit Kappa in Zülpich passiert?
Das Feuer war am Freitag gegen 15.45 Uhr ausgebrochen. Ein Haufen mit Papierschnipseln soll in Brand geraten sein. Laut Aussage der Mitarbeiter haben sie nach Entdeckung des Feuers auf dem Außengelände vergeblich versucht, dieses mit Wasserflaschen zu löschen.
Alles zum Thema Technisches Hilfswerk
- Alle Einheiten im Einsatz THW Euskirchen probt auf Kläranlage in Mechernich den Ernstfall
- THW im Einsatz Hang in Lohmar droht abzurutschen – Arbeiten könnten für Großbaustelle sorgen
- Vorzeitig aus Flutgebiet zurück Rheinbacher Helfer in Valencia verletzt
- Drei Verletzte in Odenthal Auto kracht frontal gegen Hauswand – THW prüft Einsturzgefahr
- Festnahme Mehrere Kilogramm Cannabis bei Durchsuchungen in Kerpen, Bedburg und Köln sichergestellt
- Blaulichttag Spürhunde und Retter bringen Menschen in Brühl zum Staunen
- Siloballen in Flammen Wehr meldet „Feuer aus“ nach Großbrand in Drabenderhöhe – Zeugen gesucht
Das Feuer habe sich durch Funkenflug und Wind dann schnell auf die benachbarten Ballen ausgebreitet. Schnell brannten mehr als 8000 Papierquader, die jeweils ein Gewicht bis zu 900 Kilo haben. Insgesamt befanden sich nach Angaben des Unternehmens am Freitag etwa 18.000 Ballen auf dem Gelände.
Durch den Funkenflug fing auch die Böschung entlang der Bördebahn an zu brennen. Der Verkehr der Bördebahn zwischen Düren und Euskirchen wurde für mehrere Stunden eingestellt. Selbst auf angrenzenden Feldern flammten immer wieder kleinere Brände auf. Zunächst hielt die Feuerwehr mit Bessenicher Bürgern eine Art Brandwache. Später waren Landwirte im Einsatz, um die Felder umzupflügen und so das Brandrisiko zu minimieren.
Wie war der Einsatz aus Sicht der Feuerwehr?
Sehr intensiv. „Wir hatten es mit mehreren Brandherden zu tun“, sagte Jörg Körtgen, Leiter der Zülpicher Feuerwehr, in einer Pressekonferenz am Samstag auf dem Firmengelände. Zunächst sei ein Löschzug ausgerückt.
„Bereits nach zehn Minuten haben wir nachalarmiert und zwei weitere Löschzüge zur Unterstützung angefordert“, so Körtgen: „Damit war die komplette Feuerwehr der Stadt Zülpich im Einsatz, weil der vierte Löschzug den Grundschutz sichergestellt hat.“
Mehr als 250 Feuerwehrleute und 70 Fahrzeuge im Einsatz
Zur Unterstützung rückten auch Einheiten aus Euskirchen, Mechernich, Hellenthal, Nideggen, Weilerswist, Kall, Essen sowie Bergisch Gladbach und Vettweiß an. Mit dem DRK und dem THW waren in Spitzenzeiten mehr als 250 Einsatzkräfte mit mehr als 70 Fahrzeugen vor Ort.
Die Feuerwehr konzentrierte sich schnell darauf, den Brand möglichst einzudämmen. Dies war laut Körtgen aufgrund des starken Windes aber nicht immer möglich.
„Der Wind war eine Herausforderung. Genau wie das gepresste Papier, das sich ähnlich wie Stroh nur sehr schwer löschen lässt“, ergänzte Kreisbrandmeister Peter Jonas: „Da sich das Feuer von außen nach innen frisst, müssen die Ballen auseinandergezogen werden, um auch die Brandnester im Kern der Ballen löschen zu können.“
In den kommenden Tagen sollen vor allem Wasserwerfer eingesetzt werden, um die Papierballen zu löschen. Ziel ist es, die Zahl der Feuerwehrleute vor Ort zu reduzieren. Am Sonntag waren noch 60 Einsatzkräfte auf dem Gelände.
Woher kam und kommt das Löschwasser?
„Die Wasserversorgung kann man die ganze Zeit als gesichert bezeichnen“, sagte Einsatzleiter Jörg Körtgen. Man habe zunächst die unzähligen Schläuche über das Hydrantennetz gespeist. Des Weiteren sei der Löschwasserteich auf dem Betriebsgelände genutzt worden.
In der Nacht auf Samstag wurde damit begonnen, eine etwa 2,5 Kilometer lange Schlauchleitung vom Neffelsee bei Füssenich zum Betriebsgelände zu legen. Über die Schläuche kommen 4000 Liter Wasser pro Minute bei Smurfit Kappa an.
„Das war nötig, weil wir hier eine ungewöhnlich hohe Wasserentnahme hatten“, sagte Kreisbrandmeister Peter Jonas. Das Besondere: Das gebrauchte Löschwasser lief nicht in die externe Kanalisation. „Das Löschwasser ist nicht nach außen gedrungen“, so Körtgen. Es sei auf dem Smurfit-Kappa-Gelände aufgefangen worden und mithilfe von Feuerwehrpumpen wieder zu den Brandherden befördert worden. Laut Zülpichs Bürgermeister Ulf Hürtgen haben durch die Papierreste im Wasser allerdings einige Pumpen ihren Dienst quittiert.
Warum lösten die Warn-Apps nach dem Brand in Zülpich aus?
Durch den Brand sind weiße Rußpartikel in der Luft. Diese sind teilweise so groß wie eine Zwei-Euro-Münze. Diese Rußpartikel seien nicht gesundheitsgefährdend, hätten aber einen erhöhten ph-Wert, teilte die Stadt Zülpich mit. Wegen des starken Windes hat sich der Rußniederschlag bis in die Kommunen Euskirchen, Weilerswist, Swisttal und Rheinbach im benachbarten Rhein-Sieg-Kreis erstreckt.
In Zülpich und Bessenich überprüfte das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) die Luftqualität. Der Kreis warnte daher am Freitag über die Warn-Apps und empfahl Türen und Fenster geschlossen zu halten sowie Klimaanlagen auszuschalten.
Am Samstagmittag gab das LANUV Entwarnung. Mitarbeiter David Schönen sagte, dass die Messungen bisher unauffällig seien und keine zusätzlichen Schadstoffe nachgewiesen wurden. Trotzdem sollte der Rauch nicht eingeatmet werden. Für Zülpich, Mechernich und Swisttal galt auch am Sonntag noch eine Gefahreninformation.
Was hat die Stadt Zülpich gemacht?
„Wir haben am Freitag um 17 Uhr den Stab für außergewöhnliche Ereignisse eingerichtet“, sagte Zülpichs Bürgermeister Ulf Hürtgen in der Pressekonferenz. Also gut eine Stunde nach dem ersten Funkenflug. Mitarbeiter des Baubetriebshofes waren dann am Samstag in Zülpich unterwegs und kontrollieren Spiel- und Sportplätze auf Rußpartikel.
Der Kindergarten und der Spielplatz in Bessenich wurden von der Stadt gesperrt. Wie lange die Sperrung bestehen wird, konnte Hürtgen in der Pressekonferenz nicht sagen. Wahrscheinlich muss die oberste Sandschicht auf dem Spielplatz ausgetauscht werden.
Die Stadt bittet Eltern, Kinder auch im eigenen Sandkasten nicht spielen zu lassen, wenn dort weiße Rußpartikel zu sehen sind. Die Stadt Zülpich hat unter Tel. 0 22 52/5 22 71 eine Hotline eingerichtet, bei der sich Bürger mit Fragen zum Brand melden können.
Was sagt das Unternehmen Smurfit Kappa?
Michael Kuhn, Leiter des Smurfit-Kappa-Werks in Zülpich, sagte: „Das ist ein katastrophales Ereignis, weil wir Menschen gefährdet haben. Wir werden gucken, was wir besser machen können.“ Zu den wirtschaftlichen Folgen könne er noch nichts sagen, teilte Kuhn auf Nachfrage während der Pressekonferenz mit.
Unmittelbar nach dem Brand wurde die Produktion eingestellt, die etwa 220 Mitarbeiter waren aber vor Ort, um zu helfen. Am späten Samstagabend lief die Produktion eingeschränkt wieder an. Wann sie komplett aufgenommen werde, stehe noch nicht fest, so Kuhn.
Die Entscheidung, die Produktion einzustellen, sei etwa 30 Minuten nach Ausbruch des Feuers gefallen. Strukturelle Schäden an der Fabrik sind laut Kuhn nicht entstanden. „Das abgelöschte Material, Papier kann man dazu nicht mehr sagen, wird fachgerecht entsorgt“, sagte der Werkschef, der seit Mai in Bessenich verantwortlich ist.
Man werde sich die Strukturen auf dem Altpapierplatz genau anschauen, sagte Kuhn: „Wir werden herausfinden müssen, warum das alles passiert ist, und dann werden wir Maßnahmen entwickeln, damit es nicht mehr passiert.“
Was war und ist sonst noch wichtig?
Am Samstag und Sonntag war die B 477 zwischen dem Abzweig Geich (K 82) und der B 265 gesperrt, weil dort die Löschwasserleitung vom Neffelsee verläuft. Bis Montag soll die Schlauchstraße so verlegt werden, dass die Bundesstraße wieder befahrbar ist.
Über den Brandort hinweg verläuft eine Hochspannungsleitung. Die Einsatzleitung überlegte, diese abzuschalten, entschied sich aber dagegen, um keinen größeren Stromausfall in der Region Zülpich auszulösen. „Es war ständig ein Mitarbeiter von Westnetz vor Ort, der kontrolliert hat, ob eine Abschaltung nicht doch nötig ist“, so Smurfit-Chef Kuhn.