Zülpich – Gerd Müller ist kein Fan der Bördebahn. Der Vorsitzende der UWV-Fraktion im Rat der Stadt Zülpich sieht die Reaktivierung der Bahnstrecke Euskirchen-Zülpich- Düren kritisch: „Aufwand und Ertrag stehen in keinem Verhältnis. Ich sehe absolut keine Notwendigkeit für weitere kostspielige Investitionen.“ Es gebe ja schließlich eine erprobte Alternative: den Schnellbus (SB) 98. Der Bus, so Müller, benötige für die Strecke Euskirchen-Düren bei 18 Stationen rund 55 Minuten. Für die Bahn sehe es ähnlich aus. „Sie braucht sogar drei Minuten länger, und das bei nur sechs Haltepunkten. Das Argument der Fahrzeitverkürzung ist also keines“, stellt Müller klar.
Auch die ökologischen Argumente sind nach Ansicht des UWV-Politikers bei näherer Betrachtung schnell widerlegt, „da sich etwa 140 Liter Diesel pro 100 Kilometer bei der Bahn 30 Liter auf 100 Kilometer beim Bus gegenüberstehen.“
Vollbetrieb bis Ende 2020
Ihm sei zudem schleierhaft, wie die von den Betreibern und Befürwortern der Bördebahn prognostizierte Fahrgastzahl Realität werden soll. „Aktuell nutzen etwas mehr als 1000 Fahrgäste pro Tag den Schnellbus. Woher die für die Bördebahn erwarteten etwa 5000 Fahrgäste herkommen sollen, ist mir schleierhaft“, so Müller.
Wie der Pressesprecher des Kreises Euskirchen, Wolfgang Andres, auf Nachfrage bestätigte, nutzten bei der Zählung im August 2016 täglich 1020 Menschen den SB 98. „Wir haben an zwei Tagen nach den Sommerferien gezählt“, so Andres. Aktuellere Zahlen gebe es beim Kreis Euskirchen nicht.
Die Regionalbahn 28 zwischen Euskirchen und Düren soll bis Ende 2020 wieder täglich fahren – im Stundentakt. Und somit Menschen von der Straße auf die Schiene locken. Aktuell verkehrt die Bördebahn jeden Samstag, Sonntag und an Feiertagen zwischen 10 und 19 Uhr im Drei-Stunden-Takt.
Alfred Berrisch von der Beteiligungsgesellschaft des Kreises Düren und Achim Blindert, Geschäftsbereichsleiter Bauen, Umwelt, ÖPNV und Abfall beim Kreis Euskirchen, stellten zuletzt Pläne zum Vollausbau der Bahnlinie vor. Die Entwicklung der Fahrgastzahlen seien positiv, sagten die beiden Verkehrsexperten. Bis zum Dezember soll die Voraussetzung geschaffen werden, das derzeitige Angebot auszubauen. Nach dem Fahrplanwechsel in elf Monaten soll auch montags bis freitags dreimal täglich von Euskirchen nach Düren und zurück gefahren werden.
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Im Projektplan zur vollständigen Reaktivierung Ende 2020 wird der Betrieb ab Dezember 2018 „Vorlaufbetrieb“ genannt. Um den auf die Schiene zu setzen, sollen allein 4, 9 Millionen Euro investiert werden. Insgesamt werden elf Millionen Euro investiert.
Es wartet aber noch viel Arbeit auf die Beteiligten: Allein für den Vorlaufbetrieb ab Dezember 2018 müssen acht Bahnübergange entlang der Strecke auf den neuesten Stand der Technik gebracht werden. Zudem müssen im Kreis Düren die Bahnsteige in Vettweiß, Jakobwüllesheim, Rommelsheim und Binsfeld neu angelegt werden. Zwischen Bubenheim und Düren seien die Gleise auf einer Länge von drei Kilometern in einem so schlechten Zustand, dass sie ausgetauscht werden müssen, sollte die Bahn regelmäßiger fahren.
„Verbesserung der Infrastruktur“
Die Bahnsteige in Nemmenich und Zülpich können nach Meinung des Experten bis zum Vollausbau weitergenutzt werden, müssen bis Ende 2020 aber ebenfalls erneuert werden.
Für die Georgstraße in Euskirchen ist gar ein komplett neuer Haltepunkt vorgesehen. Nicht auszuschließen ist, dass weitere Investitionen im Bereich der Gleise notwendig werden. Der Grund: Laut Deutscher Bahn (DB) beträgt die aktuell zulässige Höchstgeschwindigkeit im Bereich zwischen Zülpich und Euskirchen 50 km/h. Seit 16. November 2017 hat die DB Netz den Streckenabschnitt zwischen Euskirchen und Zülpich ohne die Bahnhöfe zum Verkauf ausgeschrieben. Die Ausschreibung läuft bis zum 16. Februar 2018. Nach Informationen dieser Zeitung will die Beteiligungsgesellschaft des Kreises Düren die Strecke für etwa 98 000 Euro erwerben.
Auch auf Zülpich kommen Kosten zu. Der Bahnübergang an der Römerallee muss modernisiert werden. Dafür seien mindestens 60 000 Euro von der Stadt Zülpich notwendig, so Berrisch. Für die restlichen Bahnübergänge im Zülpicher Bereich werden ebenfalls jeweils rund 55 000 Euro nötig sein – eine gute Investition, wie Bürgermeister Ulf Hürtgen (CDU) im Gegensatz zu Gerd Müller findet: „Das ist eine große Chance für Zülpich und die Region.“ Sein Beigeordneter Ottmar Voigt ergänzt: „Das ist eine Verbesserung der Infrastruktur. Natürlich hat das Projekt Auswirkungen auf den Haushalt, aber wir haben nur bedingt Einfluss darauf.“
Voigt weist darauf hin, dass es nicht Bördebahn oder SB 98 geben wird. „Beide Angebote werden sich ergänzen, zumal vom Bus mehr Orte angefahren werden“, sagt Voigt. „Die SB 98 ist nicht dem Untergang geweiht, nur weil die Bördebahn reaktiviert wird“, sagt auch Kreis-Pressesprecher Andres. Schließlich sei erst vor einem Monat – auch auf Antrieb der Zülpicher Verwaltungsspitze – nahe Niederelvenich ein neuer Haltepunkt für den Schnellbus eröffnet worden. Eine Haltestelle in Fahrtrichtung Euskirchen auf der gegenüberliegenden Seite erfordere eine größere Baumaßnahme durch den Landesbetrieb Straßen und werde im Laufe des Jahres umgesetzt, so Andres.