Seit 2006 haben sich die ersten Tiertafeln gegründet, um Tieren, deren Besitzer die Haltung nicht mehr finanzieren können, das Schicksal einer Abgabe zu ersparen
Auch der „Tierteller“ in der Eifel arbeitet nach dem Prinzip der Tafeln – Jedoch werden hier Tierhalter mit Geldsorgen unterstützt, damit die Tiere nicht leiden müssen
Eifel – Es ist kalt in dem kleinen, weißgekälkten Raum. An den Wänden stapeln sich die Futtersäcke, regalweise warten Konservendosen darauf, ihren Weg in die Haushalte anzutreten. „Willkommen im Tierteller“, sagt Hans-Dieter Budick.
Er lächelt und nimmt erfreut die kleine Spende entgegen, die der Besucher mitgebracht hat. In Jünkerath gibt es eine Einrichtung, um die so manche Großstadt die Eifel beneidet. Unweit des Bahnhofs hat sich seit mehreren Monaten der „Tierteller“ etabliert.
Hartz-IV-Regelsatz berücksichtigt keine Tiere
Es ist ein Verein, der nach dem Prinzip der Tafeln arbeitet. Jedoch werden hier Tierhalter mit Geldsorgen unterstützt, damit die Tiere nicht leiden müssen. Denn der Regelsatz von Hartz IV beispielsweise enthält keine Ausgaben für Katzen- oder Hundefutter – doch auch arme Menschen haben Tiere, die sie lieben und für die sie alles tun. Die Kunden kommen dabei längst nicht nur aus der rheinland-pfälzischen Eifel, sondern auch aus dem südlichen Kreis Euskirchen, aus Mechernich oder Schleiden beispielsweise, berichtet Budick.
Mit seiner Frau Luise hat er den Tierteller ins Leben gerufen. Beide sind zwar berufstätig, doch auf Unterstützung angewiesen. Bei einem Aufenthalt in Köln kamen sie zufällig bei der dortigen Tiertafel vorbei. „Da dachten wir: So etwas gibt es in der ganzen Eifel nicht, aber das sollte es geben“, erinnert er sich.
Tiertafel wird dringend gebraucht
Der Tierteller
Seit 2006 haben sich die ersten Tiertafeln gegründet, um Tieren, deren Besitzer die Haltung nicht mehr finanzieren können, das Schicksal einer Abgabe zu ersparen.
Da die Einrichtungen in der Regel von Ehrenamtlern lokal organisiert werden und bisher eine Dachorganisation fehlt, ist ein Überblick darüber, wie viele es bundesweit gibt, schwierig. Im Internet sind auf der Seite „zottelundco.de“ 60 verschiedene Adressen aufgelistet, ohne Anspruch auf Vollständigkeit oder Aktualität zu erheben. Schon der Jünkerather Tierteller ist in dieser Auflistung nicht verzeichnet.
Die Ausgabestelle befindet sich in Jünkerath, Bahnhofstraße 28. Für die Annahme von Spenden ist sie jeden zweiten und vierten Donnerstag im Monat von 14 bis 16 Uhr geöffnet. Die Futterausgabe und Neuanmeldung findet jeden zweiten und vierten Freitag von 13 bis 16 Uhr statt.
Um in den Genuss von Unterstützung zu kommen, sind mehrere Voraussetzungen notwendig. So muss die Bedürftigkeit über einen ALG-II-, einen Rentenbescheid oder eine ähnliche Bescheinigung über den Leistungsbezug nachgewiesen werden. Auch muss nachgewiesen sein, dass die Tiere tatsächlich existieren.
Erreichbar ist der Tierteller Eifel telefonisch unter 0162/ 6 00 87 36 oder online. (sev)
Ein Jahr Vorbereitung habe es gekostet, den Tierteller ins Leben zu rufen. Ein Raum musste gefunden werden und Leute, die einen Verein mitgründen. Eine Satzung musste geschrieben werden. Im März startete die Eifeler Tiertafel mit drei Kunden. Einer der Ersten war Ralf Birker. Sofort entschloss er sich zu helfen.
Wie dringend so etwas wie eine Tiertafel benötigt wird, hatte er am eigenen Leibe erfahren. „Ich lebe von der Grundsicherung“, teilt er offen mit. Zwei Katzen wohnen bei ihm. Vor allem, wenn ein Tierarztbesuch ansteht, werde es schwierig. Trotzdem sollen seine Tiere nicht zu kurz kommen. „Ich kriege das organisiert“, sagt er fast schon trotzig. Lieber esse er eine Scheibe Brot weniger, als den Tieren die notwendige medizinische Versorgung zu versagen.
Im letzten Jahr, da sei es schlimm gewesen. Da sei eine seiner Katzen von einem Auto angefahren worden. Doch es sei ihm gelungen, die Behandlungskosten beim Tierarzt zu bezahlen. „Hauptsache, die Tiere sind gut versorgt“, betont er. 52 Kunden kommen derzeit an den zwei Freitagen im Monat, an denen der Tierteller offen hat. Mehr als drei Tiere pro Haushalt werden nicht unterstützt, betonen die Organisatoren. Auch das Füttern von Straßenkatzen können sie nicht fördern. „Wir müssen auch so schon jeden Monat zukaufen“, so Budick. Im Durchschnitt gehen 830 Kilo Futter im Monat über die Theke.
Bedürftigkeit muss nachgewiesen werden
Wer hier Tierfutter erhalten will, muss seine Bedürftigkeit nachweisen – beispielsweise über einen Rentenbescheid oder eine Bescheinigung vom Amt. Einen Euro zahlen die Kunden bei jeder Futterausgabe. Öffentliche Unterstützung erhalten sie für ihre Arbeit nicht, berichten die drei. Das Futter kann durch Spenden von Tierfutter-Herstellern und -Händlern, aber auch durch Geld von Privatleuten gekauft werden. Neben Futter gibt es zuweilen Unterstützung in Form von Leinen oder Geschirren.
Die Gerolsteiner Bürgermeister-Kandidaten seien vor der Wahl beim Tierteller gewesen, erzählt Luise Budick – doch seitdem hätten die sich auch nicht mehr sehen lassen. Einen Tierschutzverein gibt es in der näheren Umgebung nicht, die nächsten befinden sich in Kall und Mechernich. Mit dem Tierheim Mechernich ist mittlerweile eine Kooperation vereinbart. Sollte dort überschüssiges Futter sein, so profitiert davon der Tierteller Eifel. Dazu wird ein gemeinsames Sommerfest geplant. Außerdem laufen Gespräche über eine Dependance der Tiertafel, die in Mechernich eröffnet werden könnte.
Geschäfte unterstützen die Tafel
Einige lokale Geschäfte unterstützen den kleinen Hilfsverein und stellen Gitterboxen auf, in die Kunden Spenden geben können. Doch einfach ist es nicht für die engagierten Einzelkämpfer, die mit wenig Möglichkeiten viel erreichen. „Das Lager platzt bald aus allen Nähten, eigentlich brauchen wir auch einen größeren Raum“, stellt Budick fest und sieht sich in dem knapp 40 Quadratmeter großen Raum um.
„Wir bekommen viel von unseren Kunden zurück“, sagt Ralf Birker. Wenn der Tag der Futterausgabe kommt, dann ist viel los im Tierteller. Eine familiäre Atmosphäre herrsche dann. Doch manche würden sich schämen, Hilfe anzunehmen. So berichtet Budick von einer Frau, die drei Monate lang regelmäßig an der Bushaltestelle stand, weil sie zu scheu war, in die Tafel zu kommen. Deshalb kämen auch wenige Leute aus Jünkerath selbst, damit die Nachbarn sie nicht sehen. „Wir haben nur vier Kunden aus dem Ort“, sagt Budick. „Ich hatte diese Scham nicht“, erwidert Birker selbstbewusst.
Zu Weihnachten haben die Helfer des Tiertellers extra Weihnachtstüten gepackt. Auch Katzenstreu, Hundekuchen, Trockenfutter und Diätfutter findet sich in den Regalen. Denn einige Kunden hätten kranke Katzen. „Und wenn das nicht reicht, dann kaufen wir auch nach“, so Budick.