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Streuobstwiesen in EuskirchenEin wahrer „Schatz am Silberberg“

Lesezeit 4 Minuten

Viele Schafe am Zülpicher Silberberg sorgen dafür, dass das Gras um die Obstbäume kurz gehalten wird. Lattenzäune schützen die jungen Bäume vor Verbiss.

Zülpich – „Der Schatz am Silberberg“ heißt es auf der ersten Tafel des neuen Streuobst-Themenwegs am Zülpicher Silberberg. Und ein „Schatz“ ist dieses Fleckchen Erde vor den Toren der Römerstadt ganz sicher. Über 27 Hektar Streuobstwiesen wurden hier in den vergangenen Jahren wieder instand gesetzt. 160 Obstbäume wurden geschnitten, insgesamt wurden 220 Obstbäume neu gepflanzt.

Sechs informativ und ansprechend gestaltete Tafeln erklären jetzt auf dem Rundweg durch die Zülpicher Streuobstwiese den Spaziergängern deren enorme Bedeutung als Kultur- und Lebensraum. Die Biologische Station im Kreis Euskirchen hatte sich – gefördert durch den Landschaftsverband Rheinland (LVR) – des Themas Streuobstwiesen angenommen.

Silberberg-Bebauung war fast Ende der Obstbäume

Insgesamt drei Streuobst-Themenwege gibt es im Kreis Euskirchen. Neben dem am Zülpicher Silberberg einen weiteren in den Weilerswister Erftauen sowie einen in Glehn. Sie informieren anhand der Tafeln über Pflege, Ernte, Historie, Gefährdung, Lebensraum sowie Arten und Sorten. „Wir wollen mit diesen Themenwegen den Komplex Streuobstwiese einer großen Öffentlichkeit näher bringen“, erläuterte Stefan Meisberger, Geschäftsführer der Biologischen Station Kreis Euskirchen.

Alles zum Thema Zülpicher Straße (Köln)

Früher dienten die Streuobstwiesen der Bevölkerung zur Versorgung mit Obst. In den 50er bis 70er Jahren verschwanden die Streuobstwiesen mehr und mehr von der Bildfläche, machten neuen Ackerflächen und Baugebieten Platz. Obst gab es ja reichlich in den Supermärkten.

Durch das vor kurzem abgeschlossene, von der EU geförderte LEADER-Projekt „Kompetenznetzwerk Streuobstwiesen“ existiert bereits eine Informationsplattform für den Streuobstbereich, der in der Region durch ehrenamtliche und private Initiativen wie SONNE, Renette, Föno und Artenschutzverbände unterstützt wird.

Außerdem wurden viele ökologisch bedeutsame Streuobstwiesen im Rahmen des Kulturlandschaftsprogramms im Kreis Euskirchen in Kooperation mit der Biologischen Station und dem Landschaftsverband Rheinland instand gesetzt und wieder einer regelmäßigen Pflege und Bewirtschaftung zugeführt. Im Kreis Euskirchen gibt es jetzt durch das Projekt „Alte Streuobstwiesen in Eifel und Börde“ eine flächendeckende Erfassung und Bewertung ökologisch besonders wertvoller Streuobstwiesen. Durch den QR-Code auf den Infotafeln der Streuobst-Themenwege können diese und weitere Informationen abgefragt werden.

Die Themenwege liegen an alten und neuen Streuobstwiesen, oftmals Streuobstgürteln, die im Frühjahr mit ihrer herrlichen Blütenpracht, im Sommer mit ihrem Artenreichtum und im Herbst mit ihren Früchten locken. Im Winter schließlich sieht man dann die Höhlen in den Stämmen, in denen der Steinkauz Unterschlupf findet. (ces)

Auch die Streuobstwiese am Zülpicher Silberberg wäre fast der Bebauungsplanung zum Opfer gefallen. Carl-Friedrich Jacobs vom Kreisverband Natur- und Umweltschutz (KNU) erinnert sich: „Der Bebauungsplan Silberberg hat damals viele Umwelt- und Naturschutzverbände auf den Plan gerufen. Von der Stadt kam ein Schreiben mit den Worten: Hier wollen viele Bürger bauen, da muss der Naturschutz hinten anstehen.“ Zum Glück sei die Bebauung des Silberbergs, auch mit Hilfe einer Bürgerinitiative, abgewendet worden. Allerdings wurden der Silberberg und der angrenzende Zülpicher Stadtwald erst im Jahr 2008 zum Naturschutzgebiet erklärt.

Für die Wiederinstandsetzung der alten Streuobstwiese musste Jacobs mit 26 Grundstückseigentümern verhandeln. Denn entscheidend für den Erhalt der Streuobstwiese ist, dass eine dauerhafte Pflege gewährleistet ist.

Dies wird zum einen durch den Vertragsnaturschutz abgedeckt, zu anderen durch das Engagement des KNU. Bereits vor drei Jahren wurden die alten Baumbestände der Streuobstwiese, sofern sie erhalten wurden, fachgerecht beschnitten. Die Hit-Umweltstiftung steckte 22 000 Euro in den Neustart der „Silberberg-Obstwiese“.

Doch nicht nur die Bäume selbst müssen gepflegt werden. Auch die Unternutzung muss stimmen, die Wiesen werden von Schafen geweidet oder gemäht. Das Besondere an den Streuobstwiesen sind die lokalen Obstsorten, die nur in der bestimmten Region vorkommen. Durch Veredelung können diese alten Obstsorten vermehrt und wieder auf den Streuobstwiesen gepflanzt werden.

Nicht zuletzt sind die Streuobstwiesen der Region Lebensraum für viele Tiere und Pflanzen. Am Silberberg in Zülpich ist es vor allem der Steinkauz, der hier in Baumhöhlen wohnt. Auch Bunt- und Grünspecht sieht man immer wieder in den Obstbäumen. Nur an der Streuobstwiese am Silberberg gibt es übrigens eine Info-Tafel zur Historie. „Auf den Spuren der Vergangenheit“ erfährt man hier, dass die Römer 200 bis 300 nach Christi den Obstbau ins Rheinland brachten, nach 800 erste Baumschulen entstanden und es Obstwiesen in Burggärten gab.

Anhand einer alten Tranchot-Karte von 1802 bis 1820 kann der Spaziergänger hier sehen, dass in jener Zeit der Obstgürtel um Zülpich etwa doppelt so groß war wie das Stadtgebiet innerhalb der Stadtmauer. Ab 1938 reduzierte die Sortenbereinigung beim Obst die Artenvielfalt. Zwischen 1950 und 1970 gab es Rodungsprämien für Altbäume.

Wer heute dieses Kleinod Streuobstwiese am Stadtrand Zülpichs durchstreift, der versteht den Schriftzug „Schatz am Silberberg“ auf der ersten Infotafel nur allzu gut.