Im Nationalpark Eifel hat das Helmholtzzentrum für Umweltforschung mit einer neuen Methode das Klima gemessen.
Durch ein Zeppelin sollte unter anderem die Bodenfeuchtigkeit erfasst werden.
Wie die neue Technik funktioniert und ein erstes Fazit der Forscher.
Schleiden-Wahlerscheid – Eigentlich sollte dies ein völlig normaler Herbstmorgen sein im Nationalpark. Es ist Montag, die Wochenend-Wanderer sind wieder in den Städten. Die Vögel singen und rascheln auf der Suche nach Futter im Laub umher. Noch hält sich der Morgennebel zäh über dem Wüstebachtal an der Westgrenze des Nationalparks.
Doch plötzlich ist ein ungewohntes Geräusch zu hören. Ein Flappen, ein laufender Motor und immer wieder ein kräftiges Fauchen, das so gar nicht zu der friedlichen Szenerie passen will. Knapp über den Bäumen schiebt sich ein weißes Stoffungetüm über die Wipfel und schwebt langsam über das Tal. Ein Zeppelin ist über dem Waldstück unterwegs. Der Urheber des fremdartigen Schauspiels gibt sich durch ein großes Logo zu erkennen: UFZ – Helmholtzzentrum für Umweltforschung.
Aus Leipzig sind Carmen Zengerle und Martin Schrön angereist, um über dem Nationalpark eine neuartige Messtechnik zu erproben. Gegenstand des Interesses ist die Bodenfeuchtigkeit. Mit einer neuartigen Methode wird sie über die Anzahl der Neutronen in der Luft gemessen. Diese gelangen mit der kosmischen Strahlung auf die Erde und durchdringen nahezu alle Materialien – bis auf eins: Wasser. Aus der Zahl der Neutronen, die aus dem Boden reflektiert werden, ziehen die Forscher Rückschlüsse über die Feuchtigkeit des Bodens. Bis in eine Tiefe von rund 20 bis 50 Zentimetern, abhängig von der Bodenfeuchtigkeit, kann berührungslos gemessen werden, wie viel Wasser sich im Mittel in mehreren Hektar Boden befindet.
Einzelne Bodenschichten können mit der Methode der Neutronenmessung im Hinblick auf ihre Feuchtigkeit nicht aufgeschlüsselt werden. Dennoch betont Martin Schrön die zukünftige Bedeutung des Verfahrens. Auch wenn es zunächst offensichtlich sei, ob Regen falle oder nicht, sei oft nicht zu sehen, wie sich die Bodenfeuchtigkeit im einzelnen verteilt. Konventionelle Bodenfeuchte-Messpunkte könnten nur einen Ausschnitt zeigen, schon wenige Meter weiter könnte es indes anders aussehen. „Man stellt sich das so einfach vor, doch ohne Messung wissen wir nicht genau, wo es feuchte und trockene Regionen im Boden gibt“, sagt Schrön.
Gerade in den ariden, also klimatisch sehr trockenen Gebieten, sei jeder Tropfen Wasser wertvoll: „Dann ist es gut, über die Felder zu fahren und zu sehen, an welcher Stelle noch eine Bewässerung notwendig ist.“
Die Daten über die Bodenfeuchtigkeit liefern zudem wichtige Erkenntnisse im Hinblick auf die Entwicklung von Wetter- und Klimamodellen. Der Boden speichert Wärme und Energie wie ein Schwamm, die auch wieder an die Luft oder das Grundwasser abgegeben werden können.
Zudem seien die Messungen über den Waldflächen wichtig bei der augenblicklich herrschenden Borkenkäferplage. Denn Fichten könnten sich bei Trockenheit nicht durch Harzbildung gegen die Schädlinge wehren. „Durch Langzeitbeobachtungen können sie regional unterschiedliche Folgen für die Pflanzen absehen und rechtzeitig Maßnahmen ergreifen“, erklärt Martin Schrön. (sev)
Bisher sind die Sensoren fest installiert. Das Forschungszentrum Jülich betreibt mobile Messungen in einem größeren Gebiet. Dazu wurde eine Reihe von Neutronenzählern in einen Transporter gebaut, mit dem regelmäßige Fahrten von Kleinhau nach Wahlerscheid unternommen werden. Mit dem Zeppelin soll die Messtechnik nun unabhängig von Straßen oder Wegen werden und Messungen etwa über Wäldern oder landwirtschaftlichen Flächen ermöglichen, erläutert Schrön.
Dass die Forscher in die Eifel gekommen sind, ist kein Zufall. Ein Teil des Waldes im Nationalpark ist seit vielen Jahren im Rahmen des Tereno-Projektes ein terrestrisches Observatorium, in dem Umwelt-Messinstrumente verteilt sind. Als 2012 das Wüstebachtal von Fichten befreit und eine Fläche von rund acht Hektar abgeholzt wurde, nutzten die Forscher aus Jülich die Gelegenheit, um Daten zu erfassen, wie der Wald auf den Eingriff reagiert, wie sich unter anderem die Bodenfeuchte verändert und die Vegetation regeneriert. Mit den Zahlenreihen aus den Sensoren soll die Messmethode per Zeppelin auf Brauchbarkeit überprüft werden.
Dazu kommen weitere Neutronen-Messstationen am Boden, die hier für wenige Monate im Rahmen der DFG-Forschergruppe „Cosmic Sense“ installiert wurden. „Wir sind glücklich, dass wir das an diesem einmaligen Standort machen können“, so Schrön. Unterstützt wird das Projekt von der Nationalpark-Verwaltung. „Wir haben Wert darauf gelegt, dass der Flug außerhalb der Brut- und Setzzeit stattfindet“, sagt Dr. Hans-Joachim Spors, Fachgebietsleiter Forschung. Der Oktober biete sich dafür an: „Der Schwarzstorch ist jetzt in Afrika.“ Angesichts der Geräusche könnten empfindliche Arten sich gestört fühlen und die Brut aufgeben.
In rund 20 bis 60 Metern Höhe geht die Fahrt über die Baumwipfel. Doch nach einer Tour über das Tal ist Schluss. „Oben wurde der Wind zu bockig“, sagt David Hasenclever, Pilot des Blimps, wie die Luftschiffe ohne starres Gerüst im Fachjargon genannt werden, als er das Fluggerät sicher auf der Wiese gelandet hat. Am Abend wolle er noch einmal mit Schrön in die Luft gehen.
Die Fahrt sei großartig gewesen, so Schrön: „Ein erster Blick auf die Messdaten zeigt bereits, an welchen Stellen der Wald besonders trocken und besonders feucht ist. Es ist ein voller Erfolg, wir werden diese Methode sicher noch weiter entwickeln.“ Auch wenn der Blimp von der Technik einem Heißluftballon ähnelt, muss Schrön auf eines verzichten. „Eine Ballontaufe gibt es bei uns nicht“, lacht Pilot Hasenclever.