Schleiden-Gemünd – Es ist dröhnend laut und sehr staubig in dem kleinen Kellerraum, der einst einen Öltank beherbergt hat. Mit Stemmhämmern werden Putz und Isolierung von den Wänden gelöst, damit sie trocknen können.
Noch immer steckt die Feuchtigkeit tief im Innern des Hauses von Nicole und Harald Klein. Wie der gesamte Ortsteil Malsbenden ist es während der Flutkatastrophe überschwemmt worden. Doch die beiden können sich selbst nicht helfen – sie sitzt im Rollstuhl, er ist lungenkrank.
„Wer so etwas einmal mitgemacht hat, der hilft.“
Für die freiwilligen Helfer, die sich für das Ehepaar engagieren, ist Lautstärke nichts, was sie abschreckt. Auch wenn sie normalerweise melodischere Formen bevorzugen. Sie sind Mitglieder des Fanclubs der Deutschrockband „Goitzsche Front“ und seit der Flut regelmäßig vor Ort.
Die Deutschrockband „Goitzsche Front“ wurde 2009 in Bitterfeld gegründet. Das Album „Deines Glückes Schmied“ erreichte im Februar 2018 Platz eins der deutschen Albumcharts. Die Bandmitglieder positionieren sich immer wieder deutlich gegen Rechtsextremismus.
Der Fanclub „Goitzsche Front Chaos Club“ betreut neben der Hilfe in Gemünd drei Kinderheime. Auch die Mitglieder, die nicht nach Gemünd gekommen seien, hätten die Aktion mit Geld oder Sachspenden unterstützt, so Ronny Wachsmuth. Der Manager der Band, Steven Dornbusch, machte sich per Rad von Leipzig aus auf den Weg in die Eifel, um Spenden für „Gemeinsam Eifel“ zu akquirieren. Auch die Kita im Wingertchen wurde unterstützt. (sev)
Etwa alle zwei Wochen machen sie sich aus allen Teilen Deutschlands auf den Weg in die Eifel, um zu helfen. Initiator ist Ronny Wachsmuth aus Ottobrunn bei München: „Ich habe die Flut 2002 in Dessau miterlebt. Und wer so etwas einmal mitgemacht hat, der hilft.“ Als er von der Flut in der Eifel hörte, kontaktierte er seine Freunde aus dem „Goitzsche Front Chaos Club“, der etwa 700 Mitglieder hat, und organisierte den ersten Hilfseinsatz. Rund 30 Leute habe er zusammengekriegt, nicht alle aus dem Fanclub, auch Freunde und Familie. Aus ganz Deutschland seien die Helfer gekommen. „Es ist immer noch genug zu tun“, sagt Wachsmuth.
„Ich nenne es Berufung“, beschreibt Swen Küster seine Motivation, immer weiter zu helfen.
„Bei unserem ersten Einsatz haben wir Leute kennengelernt, die uns angesprochen haben, ob wir noch einmal kommen könnten“, sagt Sascha Lemberg aus Bremthal in Hessen. Der Einsatz sei nicht fertig, die Sache noch nicht rund. „Man ist noch nicht mit sich im Reinen“, sagt er. „Wir werden auch in einem Jahr noch nicht fertig sein“, fügt seine Frau Heike hinzu.
Ofen muss als Heizung dienen
Viel ist noch zu tun, auch bei den Kleins. Nicole Klein, die an den Rollstuhl gebunden ist, überlebte die Flut knapp auf ihrer Terrasse, wegen der starken Strömung an das Geländer geklammert. „Ich war bis zum Hals im Wasser“, erzählt sie. Die ganze Nacht musste sie so verharren.
Wenigstens eine Erleichterung gab es: „Ich fand es angenehm warm.“ „Im Januar, wenn das Wasser kalt gewesen wäre, hätte es noch mehr Tote gegeben“, ergänzt ihr Mann Harald. Im einstigen Wohnzimmer brennt ein Ofen, den der Schleidener Schornsteinfegermeister Ludger Sauer installiert hat.
Zur Zeit wohnt das Ehepaar in Wolfert. Doch bald müssen sie nach Berk umziehen. „Dann muss ich auch Miete zahlen“, sorgt sich Harald Klein angesichts der vielen Belastungen. Beraten werden sie vom Hergartener Bauingenieur Dirk Nagelschmidt. Seit dem ersten Tag ist auch er in Malsbenden aktiv, um den Menschen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.
Das Ehepaar Klein habe er erst spät kennengelernt. „Hier ist wirklich Hilfe angesagt, wir sind auf einem guten Weg“, sagt er. Am Vortag sei der Hilfsantrag rausgegangen. Bis jedoch eine Zusage erteilt sei, könne nicht weiter gemacht werden. Heizung, Fenster, Türen müssten ersetzt werden, doch könnten nicht bestellt werden.
Weihnachtsstimmung kommt auf
Wenige Meter weiter herrscht voradventliche Weihnachtsstimmung in der geschundenen Urftseestraße in Malsbenden. Auch wenn offiziell die erste Kerze noch nicht angezündet ist, lassen es sich die Anwohner nicht nehmen, allen Widrigkeiten der Flut zu trotzen und eine Adventsfeier zu organisieren.
Viele Nachbarn nutzen die Möglichkeit, um einmal wieder zusammenzukommen. 129 Tage nach der Stunde Null, etwas mehr als vier Monate nach der Flutkatastrophe, die das Leben der Menschen hier in wenigen Stunden auf den Kopf stellte.
Treffpunkt ist wieder einmal das Zelt, das noch immer in der Garageneinfahrt von Klaudia Wergen steht und so etwas wie das Nachbarschafts- und Kommunikationszentrum geworden ist. Eigentlich war es in den Wochen nach der Flut der Ort, an dem das Essen ausgegeben wurde. Doch mittlerweile scheint es sich in ein informelles Bürgerhaus zu verwandeln.
Wer jemanden treffen möchte, wer wissen will, wer wo was brauchen könnte, findet hier einen Ansprechpartner. Wer Hilfe benötigt ebenso. Regelmäßig kommt seit der Flutkatastrophe die Frauengemeinschaft aus Kommern, um die Malsbendener mit Essen zu versorgen. Am Dienstag vor dem ersten Advent allerdings zum letzten Mal.
Reibekuchen, Mettwurst und Grünkohl wird serviert
„Es kommen immer mehr Menschen nach Malsbenden zurück“, freut sich Klaudia Wergen darüber, dass abends mehr Lichter in den Häusern zu sehen sind. Um noch mehr Licht in die Straße zu zaubern, ist nun ein Weihnachtsbaum aufgestellt.
Dazu hat Hans Mießeler aus Hellenthal Reibekuchen serviert. Rund 150 Personen haben sich an dem Abend getroffen, schätzt er anhand der 61 Kilo Teig, die er verarbeitet hat. Am Samstag ist die Adventsfeier mit einem Grünkohlessen und Glühwein fortgesetzt worden. Ronny Wachsmuth hat dazu den Stemmhammer mit dem Cocktailshaker vertauscht und die Gemünder hinter einer improvisierten Theke mit Getränken versorgt.
Mehr als 80 Portionen Grünkohl mit Kartoffeln und Mettwurst haben Hans Mießeler und Swen Küster vorbereitet. Doch bevor sie servieren können, passiert eine Wagenkolonne im Schritttempo das Versorgungszelt.
Rund 30 Helfer unter der Leitung von Melanie Bröxkes ziehen wie ein Weihnachtszug durch Gemünd, um die Anwohner zu beschenken. Seit der Flut sei sie aktiv, um die Flutopfer mit Spenden zu versorgen, erzählt sie. „Eigentlich wollten wir ein Fest auf dem Marienplatz ausrichten, mit Glühwein, Geschenken und Liveband, haben aber wegen Corona darauf verzichtet“, berichtet sie. Dann habe sie mit dem Versorgungszentrum „Kunterbunt“ am Kreisverkehr beschlossen, den Zugweg zu gehen und Geschenke zu verteilen.