Im sanierten Kunstforum Eifel in Gemünd sind Werke von 52 Teilnehmern zu sehen. Gewalt, Krieg und Angst sind dominierende Themen.
AusstellungDüstere Visionen statt heiterer Leichtigkeit bei Neustart im Kunstforum Eifel
Es war die erhoffte große Wiedersehensfeier der Künstler aus der Region: Zur ersten Vernissage im endlich von allen Flutschäden sanierten Kunstforum Eifel war das Ausstellungshaus von Kreativen und Kunstfreunden gefüllt. „Endlich wieder Leben in der Bude!“ So fasste Jürgen A. Roder aus Effelsberg seinen Eindruck vom Geschehen zusammen. Roder gehört zu den 52 Künstlern, die die neue Gruppenausstellung „Jagdszene: Kunst“, die eigentlich bereits im vergangenen Jahr gezeigt werden sollte, mit Arbeiten bestücken.
Doch bevor die angereisten Kunstfreunde sich auf einen Besichtigungsrundgang über die drei Ebenen des Kunstforums machten, gab es ein paar offizielle Begrüßungsworte. Rainer Martens, Geschäftsführer des Fördervereins Maler der Eifel, der das Forum betreibt, erinnerte kurz an die zurückliegenden Monate. „Sie ahnen ja nicht, mit welchen Widrigkeiten man sich bei Sanierungsarbeiten auseinandersetzen muss“, so Martens. Doch dann war auch für ihn schnell die Gegenwart wichtiger: „Wir freuen uns sehr, dass so viele Besucher gekommen sind.“
Die Kunst wird in Gemünd nicht als schmückendes Beiwerk verstanden
Dem stimmte Kuratorin Eva-Maria Hermanns gerne zu, bevor sie ausführlich Grundsätzliches zum Kunstbegriff und der gesellschaftlichen Rolle des Künstlers ausführte. Auch in der neuen Gruppenausstellung seien künstlerisch formulierte „subjektive Darstellungen der inneren und äußeren Welten“ zu sehen.
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Unverbindlich ist das Gezeigte deshalb aber nicht: „Kunst wird hier im Haus ja nicht als schmückendes Beiwerk, sondern als Erforschung, Spiel und kritischer Impuls im gesellschaftlichen Prozess verstanden.“ Kunst verkünde aber keine Wahrheit, sondern Möglichkeiten, diese Welt neu zu denken.
Wie sehen diese Weltsichten in rund 250 Arbeiten von 52 Künstlern aus der Eifel und den umgebenen Ballungsgebieten aus? In den meisten Fällen nicht heiter, froh oder optimistisch – das ist der Gesamteindruck. Viele der Arbeiten sind in den vergangenen Jahren entstanden, also unter dem Eindruck der Beschränkungen während der Corona-Pandemie, der Zerstörungen durch die Flut 2021 und der Erschütterungen durch die Kriege etwa in der Ukraine und im Gaza-Streifen. Dazu kommt individuell Erlebtes.
Yvonne Delisle aus Mechernich etwa ist mit zwei anrührenden, klein- und mittelformatigen Ölgemälden vertreten, eher unscheinbar gehängt im Obergeschoss des Kunstforums. „Abschied“ zeigt zwei verschränkte Hände, eine Hand ist ihre, die andere die ihrer verstorbenen Mutter. Daneben „Blau-Gelb“: Eine Frau in stummer Anklage, den Blick gen Himmel gerichtet, in der Hand die ukrainische Flagge.
In zahlreichen Werken im Kunstforum geht es um die Angst
Es geht eben auch um Angst, und so heißt ein großformatiges und viel fotografiertes Acrylgemälde von Albrecht Scherer aus Blankenheim: Eine sich rasend drehende runde Materie könnte die Erdkugel sein in Zeiten des Klimakollapses.
Die Werke „Abgedankt“, „Zwecklos“ und „Erwischt“ von Lothar Braunisch aus Zülpich bilden eine großformatige, schmalrechteckige Dreiergruppe, ohne Rahmen einfach an die Wand gepinnt: grob gemalte, gesichtslose, sich krümmende oder die Arme eng an den Körper ziehende Gestalten in Fetzenkleidung, mit Mischtechnik überzogen von Farbflecken und Gestrichel. Davor der „Flammende Engel“, expressiv aus einem Eichenstamm geschlagen: eine verbitterte, resignative Gestalt mit Flügelstümpfen, die nie mehr fliegen werden, von Joachim Mahlberg aus Nettersheim.
Im Rahmen der Ausstellung gibt es auch zwei Konzerte
Was neben Pessimismus, Schmerz und Introvertiertheit in vielen Darstellungen auffällt, sind einige technisch auf Anhieb überzeugende, ausdrucksstarke, kleinformatige Collagen. Stewens Ragone aus Wesseling, Christian Stork aus Hiddenhausen und Jürgen A. Roder stellen solche Werkgruppen aus. Ellen R. Dornhaus aus Wachtberg stellt ihre acht Collagen aus Kinderzeichnungen und Digitalfotografien unter den gemeinsamen Titel „Das Gegenteil von Spiel ist nicht Ernst, sondern Wirklichkeit“. Auch hier geht es um Krieg, Bedrohung, den Einbruch von Gewalt und Zerstörung in den Alltag.
Dass am Ende nicht nur viel Nachdenklichkeit überwiegt, verdankt die Ausstellung „Jagdszene: Kunst“ Arbeiten wie der von Renate Barth aus Bonn. „Die Welt von J.B.“ bezieht sich auf Joseph Beuys, der in zwei seiner bekanntesten Fluxus-Aktionen – „I like Amerika and Amerika likes me“ und „Wie man dem toten Hasen die Bilder erklärt“ – einen lebenden Kojoten und einen toten Hasen als Kunstmittel inszenierte.
Barth zeigt einen prachtvollen weißen Hasen und eine kleine Zeichnung von einem Foto des Kojoten, wie er neugierig vor dem Ein-Mann-Zelt schnuppert, in das sich der Künstler während der Live-Performance geflüchtet hatte. Eine Bildspielerei, die irgendwie nicht mehr in die Zeit passen will. Andererseits: Einen größeren und schöneren Osterhasen zu Beginn der Karwoche wird man, abgesehen vom aufgeblasenen Riesenmodell eines Aachener Schokoladenherstellers am Eingang zum Bad Münstereifeler Outlet-Center kaum finden.
Die Ausstellung „Jagdszene: Kunst“ im Kunstforum Eifel, Dreiborner Straße 22 in Gemünd, ist bis zum 9. Juni zu sehen. Öffnungszeiten: Freitag bis Sonntag, 13 bis 18 Uhr.
Die Midissage ist am Freitag, 12. April, 19 Uhr, mit der Musikgruppe „Tangoyim“ (Stefanie Hölzle und Daniel Marsch) und einer musikalischen Reise durch Osteuropa. Finissage ist am Sonntag, 8. Juni, 19 Uhr, mit dem Duo „Con Moto“. Zu den beiden Veranstaltungen kostet der Eintritt jeweils 15 Euro, hier ist eine Anmeldung per E-Mail empfehlenswert.