Kreis Euskirchen – Es ist ein Donnerstag, an dem Gewissheit wird, womit jeder gerechnet hat: Die Corona-Pandemie hat den Kreis Euskirchen erreicht. Ein 63 Jahre alter Mann aus der Stadt Bad Münstereifel ist der erste, bei dem das Virus nachgewiesen wird. Er hat beruflich in Düsseldorf an einer Veranstaltung teilgenommen, bei der auch Erkrankte aus dem Kreis Heinsberg gewesen sind. Für die Crew des Gesundheitsamts beginnt die Kontaktnachverfolgung – eine Arbeit, die seitdem Tausende Male erledigt wurde. Wenig später geht’s in den ersten Lockdown. Alltagsmasken werden genäht, Kontakte reduziert, das Homeoffice eingerichtet. Wie sehr sich das Leben in den kommenden Monaten verändern würde, daran hat am 5. März wohl kaum einer gedacht. In Schlaglichtern betrachten wir das Jahr.
Vor der Lage:
Leiter des Führungsstabs ist Udo Crespin. Obwohl er seinen Dienst als Kreisbrandmeister beendet hat und am 30. Juni 2020 seinen letzten Arbeitstag als Leiter der Abteilung Gefahrenabwehr beim Kreis hatte, ist bei ihm von Ruhestand nichts zu spüren. Dem Credo „vor der Lage sein“ folgen er und sein Team bei der Planung zahlreicher Eventualitäten. Das Entscheidende ist, im Ernstfall agieren und nicht nur reagieren zu können. Unter anderem wurde daher die Anmietung der einstigen Eifelhöhen-Klinik ins Rollen gebracht, die, falls die Kliniken überlastet sein sollten, mit Non-Covid-Patienten belegt werden kann.
Bereits eine Woche vor Bekanntwerden des ersten Corona-Falls im Kreis tagt täglich der Koordinierungsstab. Seit dem ersten positiven Testergebnis heißt das Gremium Krisenstab. Ihm gehören die Führungsmannschaft der Kreisverwaltung und weitere Experten an. Einen Wechsel an der Spitze gibt es im November: Mit dem Ruhestand von Landrat Günter Rosenke übernahm sein Nachfolger im Amt, Markus Ramers.
Prominente Fälle:
Am 20. März macht der Euskirchener Bürgermeister Dr. Uwe Friedl seine Covid-19-Erkrankung bekannt. Kurz darauf trifft es Mechernichs Beigeordneten Thomas Hambach, später die Bürgermeister Rudolf Westerburg (Hellenthal) und Jochen Weiler (Heimbach). Schwerer trifft es das SPD-Kreistagsmitglied Karl Vermöhlen. Der Mediziner muss im Krankenhaus behandelt werden.
Alles zu Hause:
Es ist Freitag, 13. März 2020, als der Beschluss fällt, bundesweit die Schulen zu schließen, ab dem folgenden Montag gibt’s nur noch Notbetreuung für systemrelevante Berufe, am 22. März kommen strikte Kontaktverbote hinzu, viele Berufstätige wechseln ins Homeoffice. Im Mai kehren zuerst Abschlussjahrgänge zurück, dann nach und nach auch andere, seit dem 14. Dezember dauert der zweite Lockdown an. Sozialexperten fürchten Folgen von Überforderung in Familien.
Gesundheitsamt:
Seit Dezember 2019 ist Christian Ramolla Leiter des Gesundheitsamts. Kaum eine andere Abteilung der Kreisverwaltung hat im vergangenen Jahr derart im Fokus gestanden. Eine zentrale Aufgabe ist die Kontaktnachverfolgung: Rund 20.000 Bürger wurden so erreicht, insgesamt waren es laut Kreis etwa 28.500 Einzelkontakte. Mit 47 Mitarbeitern ist das Gesundheitsamt in die Pandemie gestartet, 17 wurden neu eingestellt, bei steigenden Zahlen helfen weitere Kollegen aus der Kreisverwaltung.
Vertrautes fehlt:
Die Geschäfte haben geschlossen, die Friseure sind gerade aus dem zweiten Lockdown zurückgekehrt. Besonders hart trifft es die Gastronomen: Sie mussten als erstes schließen und werden wohl als letztes wieder Gäste begrüßen dürfen. Die Dehoga Nordrhein sieht zwei Drittel der Betriebe von der Insolvenz bedroht.
Solidarität:
Wenige Tage nach Beginn des ersten Lockdowns schließen sich die Menschen zusammen. Die Solidarität ist groß, Angebote zur Unterstützung, etwa beim Einkaufen, gibt’s in vielen Orten. Mehr als 17.000 Mitglieder hat inzwischen die Facebook-Gruppe „Eifel für Eifel“, in der man sich längst nicht mehr nur bei Anliegen mit Corona-Zusammenhang hilft.
Existenz bedroht:
Ein faktisches Berufsverbot herrscht für die Kultur- und Veranstaltungsbranche. Größtenteils gibt’s nicht mal im Sommer ein Comeback. Viele sind in der Existenz bedroht. Doch es entsteht auch Neues. Jürgen „Geppie“ Gebhardt, Bassist der Räuber aus Gemünd, und Stephan Simons haben sich als Duo Geppie und Stephan gefunden. Etwa mit „Eifel für Eifel“ und „ Nachhaus“ haben sie bereits eigene Songs veröffentlicht.
Kliniken:
Im Krisenmodus sind auch die Kliniken. Covid-Stationen werden eingerichtet, planbare Behandlungen zeitweise ausgesetzt und verschoben. In Mechernich werden OP-Säle derart ausgestattet, dass sie binnen kürzester Zeit zu Intensivstationen mit Beatmungsplätzen hergerichtet werden können. 52 Intensivbetten stehen im Kreis maximal zur Verfügung.
Angetreten:
Zehn Soldaten der Bundeswehr haben im November ihren Dienst beim Kreis angetreten, um bei der Kontaktnachverfolgung zu helfen. 26 waren es im Februar zur Durchführung der Corona-Schnelltests in neun Senioreneinrichtungen, sieben im Impfzentrum. Aktuell sind im Kreis insgesamt 35 Soldatinnen und Soldaten in diesen Bereichen aktiv.
Am 29. März ist mit einer im Alter von 79 Jahren verstorbenen Frau der erste Todesfall im Zusammenhang mit der Pandemie im Kreis zu beklagen. Das bislang jüngste Todesopfer war ein 47-Jähriger, der am 12. Januar gestorben ist. 197 Menschen im Kreis sind bislang im Zusammenhang mit Corona gestorben. Bei Bestattern gelten erhöhte Sicherheitsregeln.
Impfzentrum:
Mitte Dezember müssen die Impfzentren in NRW fertig sein. Der Kreis liefert, richtet in der ehemaligen Eifelhöhen-Klinik in Marmagen sein Zentrum ein, in dem bis zu 600 Menschen pro Tag geimpft werden könnten. Die Terminvereinbarung, telefonisch oder online ausschließlich bei der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein möglich, gerät jedoch für viele zur Odyssee. Weil das Vakzin knapp ist, beginnt das Impfen am 27. Dezember zunächst in Seniorenheimen durch mobile Teams. Erst am 8. Februar öffnen landesweit die Impfzentren – in Marmagen mit zunächst gut 100 Impfungen von Über-80-Jährigen pro Tag. Wenige Tage später wird neben Biontech- auch Astrazeneca-Vakzin angeliefert. Mehr als 350 Menschen wurden etwa am Mittwoch in der einstigen Klinik geimpft. Die Zahl steigt kontinuierlich. Stand Montag wurden nach Angaben des Kreises rund 14200 Impfungen im Kreis durchgeführt.
Bürgertelefon:
Zahlreiche Fragen treiben die Menschen im Kreis im Zusammenhang mit der Pandemie um. Bereits Anfang März richtet das Deutsche Rote Kreuz im Kreis Hotline ein, an die sich die Menschen wenden können. Nachdem das Gesundheitsamt gerade zu Beginn der Pandemie mit Fragen bestürmt wurde, dient die Hotline zu dessen Entlastung. Rund 29.000 Gespräche wurden nach Angaben von Rolf Klöcker, Geschäftsführer des Kreis-DRK, am Bürgertelefon im abgelaufenen Jahr geführt. 370 sind es derzeit im Schnitt pro Tag. Unzählige Fragen wurden beantwortet, Informationen gegeben – zuweilen bekamen die DRK-Mitarbeiter auch den Frust der Menschen ab. 15 Mitarbeiter stehen für die Gespräche bereit, laut Klöcker sind drei bis fünf Telefone stets besetzt. Unter der Nummer 02251/ 15800 ist die Hotline montags bis samstags von 8 bis 16 Uhr erreichbar. Die Zeiten werden laut Klöcker bei Bedarf ausgeweitet.