Euskirchen – Durch das gesamte Treppenhaus schallten am Samstagnachmittag die freudigen Ausrufe von Ulrike Heinrich: „Könnt ihr mich alle hören? Ich bin endlich wieder da“, verkündete die 62-Jährige mit einem Lächeln. Acht Monate lang konnte die auf einen Rollstuhl angewiesene MS-Patientin ihre Wohnung im dritten Obergeschoss des Galleria-Centers nicht mehr verlassen, da der Aufzug, und somit ihre einzige Verbindung zur Außenwelt, durch die Flutkatastrophe im Juli des vergangenen Jahres zerstört worden war.
„Ich liebe das Stadtleben“, berichtet Heinrich: „Doch alles, was ich seit dieser Zeit von Euskirchen gesehen habe, war der Kirchturm der Herz-Jesu-Kirche, den ich durch mein Wohnzimmerfenster erkennen kann.“
Sogar an Selbsttötung gedacht
Der Umstand, in den eigenen vier Wänden festzusitzen, hat die gebürtige Kölnerin an den Rand der Verzweiflung geführt. Sogar Gedanken an Selbsttötung habe sie durchlebt und bereits mit ihrem Hausarzt über diese Möglichkeit gesprochen. „Dies konnte er jedoch laut eigener Aussage nicht mit seinem Gewissen vereinbaren. Eine Tatsache, über die ich heute sehr glücklich bin“, beteuert die Rollstuhlfahrerin.
Denn nach dieser langen Zeit konnte Ulrike Heinrich am Samstag nun endlich doch wieder in das Euskirchener Stadtleben eintauchen. Nachdem sie sich in ihrer Verzweiflung an die Redaktion dieser Zeitung gewandt hatte und wir berichteten, bot Corinne Rasky von der Generationsgenossenschaft „Geno Eifel“ ihre Hilfe an: „Es hat uns alle sehr erschreckt, dass bislang niemand auf die Hilferufe reagiert hat. Glücklicherweise können wir in solchen Fällen, die sonst überall durchs Raster fallen, einspringen.“
Vor vier Jahren wurde die Geno Eifel mit dem Ziel gegründet, Menschen in alltäglichen Situationen zu unterstützen, um ihnen auch im Alter ein selbstständiges Leben im eigenen Zuhause ermöglichen zu können. „Seien es ein tropfender Wasserhahn, die wöchentlichen Einkäufe, oder auch einfach nur ein wenig Gesellschaft: Unsere mittlerweile 700 Mitglieder bieten in allen Bereichen ihre Hilfe an“, erklärte Corinne Rasky. „Dank einer großzügigen Spende von Carlo Wisskirchen (Miteigentümer des Galleria-Centers, Anm. d. Redaktion) konnten wir nun auch endlich dem Aufruf von Ulrike Heinrich nachkommen.“
Generationsgenossenschaft Eifel
Hilfesuchende können sich unter der Telefonnummer 01 52 / 23 72 66 53 oder per E-Mail an euskirchen@genoeifel.de an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Generationsgenossenschaft Geno Eifel wenden, um ihr Anliegen mitzuteilen.Ehrenamtliche Helfer, die unterstützend tätig werden wollen, sind bei der Genossenschaft ebenfalls herzlich willkommen. Weitere Infos dazu auch im Internet:www.genoeifel.de
Ausflug in vollen Zügen genossen
Welche Reaktionen dieses ehrenamtliche Engagement bei den Hilfesuchenden hervorruft, ließ sich am Samstag gut am Beispiel von Ulrike Heinrich erkennen. „Ich fühle mich wie Cleopatra in ihrer Sänfte“, schwärmte die 62-jährige, während sie von Roland Esser und Daniel Schoof die drei Stockwerke hinuntergetragen wurde. „So muss es sich anfühlen, wenn man gerade aus dem Gefängnis entlassen wird. Anders kann ich meine Gefühle nicht beschreiben.“
Immer wieder bat sie ihre Freundin Danni, die sie auf ihrem ersten Ausflug durch die Stadt seit über acht Monaten begleitete, innezuhalten, um die Sonnenstrahlen auf ihrem Gesicht zu genießen, oder das Angebot in den Schaufenstern der bereits wieder geöffneten Einkaufsläden zu begutachten.
Von ihrer Niedergeschlagenheit, die noch wenige Tage zuvor ihren Alltag bestimmt hatte, war nichts mehr zu erkennen: „Endlich kann ich mich wieder auf meinen Geburtstag am Montag freuen. Und auch die Zeit, bis die benötigten Ersatzteile für den Aufzug geliefert werden können, lässt sich dank der starken Männer der Geno Eifel jetzt deutlich leichter ertragen“, freut sich Heinrich.