Mordfall Claudia RufEuskirchener Kripo hat nach 22 Jahren neue Spuren
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Euskirchen/Grevenbroich – Kommt die Polizei dem Mörder oder den Mördern von Claudia Ruf aus Grevenbroich nach fast 22 Jahren doch noch auf die Spur? Aus Euskirchener Polizeikreisen und auch aus dem Polizeipräsidium Bonn, der zuständigen Kriminalhauptstelle, kommen Hinweise, dass der Fall der ermordeten Elfjährigen wieder aufgerollt wird. Das Mädchen war am 11. Mai 1996 aus dem kleinen Dorf Hemmerden nördlich von Grevenbroich vermutlich beim Spaziergang mit dem Hund der Nachbarsfamilie entführt und später ermordet worden.
Das tote Mädchen war am 13. Mai 1996 am Rand eines Wiesenwegs bei Oberwichterich an der A 1 von einem Spaziergänger gefunden worden. Das Mädchen war missbraucht und auf brutale Weise umgebracht worden. Anschließend war das tote Kind mit Benzin übergossen und angezündet worden, um mögliche Spuren zu verwischen, so die Einschätzung der Ermittler.
Mit neuen Methoden soll es gelungen sein, DNA zu extrahieren
Doch das hat wohl nicht ganz geklappt. „Es gibt neue Beweise und neue Spuren“, bestätigte der Erste Kriminalhauptkommissar Edgar Völl, einer der führenden Euskirchener Kriminalbeamten, am Rande einer Pressekonferenz der Euskirchener Polizei. Nach seinen Informationen sei es gelungen, DNA-Material aus den Spuren, die am 13. Mai 1996 am Tatort oder am Leichnam des Mädchens gesichert worden waren, mit neuen Methoden zu extrahieren.
Dabei wurde, so wird aus Ermittlerkreisen berichtet, Spurenmaterial an die Rechtsmedizin der Münchener Ludwig-Maximilians-Universität geschickt, die in einer Arbeitsgruppe ein neues, präziseres Verfahren zur DNA-Bestimmung von Mischspuren entwickelt hat, wie auf der Homepage des dortigen Rechtsmedizinischen Instituts zu lesen ist.
Staatsanwaltschaft bestätigt: Fall wird neu aufgerollt
Die daraus gewonnenen Erkenntnisse erscheinen jetzt offenbar so vielversprechend, dass die Mönchengladbacher Staatsanwaltschaft, die den Fall federführend bearbeitet, eine gerichtliche Anordnung erwirkt hat, mit deren Hilfe eine „größere Überprüfung“ eingeleitet werden soll. Der Pressesprecher der Mönchengladbacher Staatsanwaltschaft, Benjamin Kluck, bestätigte, dass der Fall des ermordeten Mädchens aus Grevenbroich neu aufgerollt werde.
Der Staatsanwalt bestätigte, dass es in der Tat einen aktuellen richterlichen Beschluss auf Überprüfung von Spuren gebe. Es handele sich dabei um ein Verfahren, das einem Massen-Gentest ähnele. Nach Auskunft des Sprechers der Strafverfolgungsbehörde erstreckt sich der Beschluss auf einen Kreis von Personen, der noch einmal überprüft werden soll.
Der Sprecher der Mönchengladbacher Staatsanwaltschaft erklärte dieser Zeitung, er könne nicht sagen, wie viele Personen von diesen aktuellen Überprüfungen betroffen seien. Die richterliche Anordnung, so Kluck, bestehe aber schon seit einigen Monaten. „De facto“, so Kluck weiter, sei es tatsächlich so, dass es für eine ganze Reihe von Personen neue Überprüfungen geben werde.
Profiler ist eingeschaltet
Bislang, so Kluck, habe er allerdings keine Kenntnis davon, ob es Parallelen zwischen dem vor wenigen Tagen in Weimar aufgeklärten Mordfall aus dem Jahr 1991 an der damals zehnjährigen Schülerin Stephanie gebe oder nicht. Der mutmaßliche Mörder soll Berufskraftfahrer gewesen sein und könnte damit auch im Rheinland aktiv gewesen sein. Die Fälle würden miteinander abgeglichen.
Doch so ganz ins Ungewisse hinein scheinen die jetzt eingeleiteten Ermittlungsanstrengungen nicht zu gehen. Denn aus Ermittlerkreisen war zu hören, dass sich angesichts der Erkenntnisse aus den neu gewonnenen Spuren und Beweisen aktuell wieder ein Profiler mit dem fast 22 Jahren alten Fall beschäftigt, der damals die Bundesrepublik erschüttert hatte.
Dabei handelt es sich nach Informationen dieser Zeitung um den mittlerweile beim Landeskriminalamt in Düsseldorf tätigen, ehemaligen Bonner Kriminalbeamten Andreas Müller, der vor 22 Jahren als einer der ersten Tatortbeamten in der seinerzeit tätigen Mordkommission von Kriminalhauptkommissar Rolf Müller den Fundort akribisch genau unter die Lupe genommen hatte.
Vielleicht führt die Arbeit von damals sowie die akkurate kriminalistische Aufarbeitung aller Spuren nun dazu, dass die grausame Tat endlich aufgeklärt werden kann. Aus Ermittlerkreisen war auch zu hören, dass die Fahnder bereits vor einigen Tagen Kontakt zum Vater des getöteten Mädchens aufgenommen haben, um ihm zu berichten, dass es neue Erkenntnisse bei den Ermittlungen gebe und dass wieder Bewegung in den Fall gekommen sei.
Der Vater von Claudia Ruf wollte im Gespräch mit dieser Zeitung zu den aktuellen Entwicklungen in dem Fall keine Stellungnahme abgeben.
Massen-Gentest war erfolglos
120 Hinweise gingen unmittelbar nach dem Fund des toten Mädchens bei der Bonner Mordkommission und den Kollegen im Rhein-Kreis Neuss ein, die schon vorher nach der verschwundenen Claudia Ruf gesucht hatten. Doch es gab keine heiße Spur.
In Euskirchen meldeten mehr als 50 Zeugen, dass sie ein verdächtiges Fahrzeug in der Nähe des Feldwegs gesehen hätten. Ein rotes und ein hellgraues Fahrzeug hatten die Zeugen am Abend der Entführung, am 11. Mai 1996, in der Nähe des Schrieverspfades in Hemmerden beobachtet. Die Hinweise führten indes zu keinem Tatverdächtigen.
Auch in "Aktenzeichen XY" wurde gefahndet
Die Staatsanwaltschaft lobte für Hinweise, die zur Ergreifung des Täters oder der Täter führen sollte, eine Belohnung von 20 000 Mark aus. Mehrere 10 000 Fahndungsplakate wurden an öffentlichen Gebäuden, Bushaltestellen und Bahnhöfen geklebt. Auch Eduard Zimmermann fahndete in seiner ZDF-Fernsehsendung „Aktenzeichen XY“ nach dem Mörder. Bonner Kripobeamte reisten sogar nach Belgien, wo die Kindesmorde von Marc Dutroux entdeckt worden waren – sie fanden jedoch keine Verbindung zum Mord an Claudia Ruf.
Die Hoffnung, den Mörder doch noch dingfest machen zu können, hatte die Polizei 2009. Dank neuer Untersuchungsmethoden war es Mitarbeitern des kriminaltechnischen Labors in Düsseldorf gelungen, an den 1996 gesicherten Beweismitteln molekular-genetisches Material zu isolieren, das eindeutig nicht dem Opfer zugewiesen werden konnte.
Die Ermittler riefen fast 350 Männer, die damals in der Nähe des Opfers gewohnt hatten oder durch Sexualdelikte aufgefallen waren, zu einer freiwilligen Reihenuntersuchung auf. Einige Personen, die an dem damaligen Gentest teilnehmen sollten, waren schwer ausfindig zu machen, weil sie mehrfach ihre Wohnadressen gewechselt hatten. Ein Mann verweigerte zunächst den Gentest, wurde dann aber per Gerichtsbeschluss gezwungen, eine Speichelprobe abzugeben. Seine DNA befand sich damals aber weder am Fundort noch am Leichnam des elfjährigen Kindes. Der Massen-Gentest verlief insgesamt negativ, es ergab sich keine Spur zum Mörder.