Die „Zeitblende“ im LVR-Freilichtmuseum in Kommern erinnerte seine Besucher an das Leben vor genau 50 Jahren.
So war das Jahr 1973In Kommern traf Pornokino auf autofreie Sonntage
Mit knallig bunten Schlaghosen schlenderten die Besucher des LVR-Freilichtmuseums über den Marktplatz. Benzingeruch lag in der Luft, als ein Opel Manta mit knatternden Motorengeräuschen an einer kleinen Tanzfläche vorbeifuhr. Dort luden die Holly Hoppers zu Mitmachtänzen wie dem „Beat Fox“ ein.
Das gesamte Freilichtmuseum schien an diesem Wochenende eine Zeitreise in die frühen 1970er-Jahre gemacht zu haben. Genauer: in das Jahr 1973. Zum mittlerweile 15. Mal erinnerten die Organisatoren mit ihrer Retro-Veranstaltung „Zeitblende“ an das Leben vor genau 50 Jahren.
Die Besucher trafen hier auf einen genervten Campingplatzwart, dort auf einen schmierigen Pornokino-Türsteher. Immer wieder inszenierten Mitarbeiter des Museums kleine Konfliktszenen, während auf den Straßen rund 200 Oldtimer-Fahrzeuge knatterten. Aber nicht nur die Mitarbeiter, auch zahlreiche Gäste hatten sich aufwendig auf die Zeitreise vorbereitet: „Einige Besucher mit historischen Campern sind seit Freitag auf dem Gelände und waren teilweise mehr als fünf Stunden hierher unterwegs“, sagte Pressesprecher Daniel Manner.
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Das Jahr 1973 bot aber auch abseits der Campingplätze und Pornokinos viele Besonderheiten. In Schottland etwa setzten zwei Brüder den Grundstein für die Band AC/DC, deren Musik noch heute Hard-Rock-Fans auf der ganzen Welt begeistert. Außerdem flimmerte zum ersten Mal eine Folge der beliebten Kinderserie „Sesamstraße“ über deutsche Bildschirme.
Doch nicht nur Ernie und Bert waren in der Flimmerkiste zu sehen. Auch ein Erwachsenenfilm wurde zum ersten Mal ausgestrahlt: „Liebesgrüße aus der Lederhose“. Der Film sorgte für Kontroversen: „Der Film wurde sofort durch das Jugendschutzgesetz verboten und erst wieder freigegeben, nachdem alle eindeutigen Szenen rausgeschnitten wurden“, berichtete Peter Drespa, der in der Rolle des Pornokinobetreibers auf dem Gelände viele Blicke auf sich zog.
Doch auch nach den Kürzungen sei der Film noch scharfer Kritik ausgesetzt gewesen, sagte Drespa. „Gleichzeitig hatte dieser Film aber enorm hohe Einschaltquoten“. Etwas von der Stimmung, die damals gegen den Film gemacht wurde, bekam Peter Drespa am Wochenende auch selbst ab: „Ein Besucher hat sich bei mir beschwert, dass so etwas nicht in ein Museum gehöre“, sagt er. „Aber auch solche Themen sind Teil der Zeitgeschichte und sollten nicht totgeschwiegen werden.“
Für ähnlich großen Wirbel sorgte 1973 auch der erste autofreie Sonntag am 25. November. In Folge der Ölkrise wurde ein bundesweites Fahrverbot verhängt – und es gab mehr als 1000 Bußgelder für Verstöße dagegen. Auch diesem Ereignis zollte die „Zeitblende“ Tribut. Deswegen fand der Autocorso zum ersten Mal in der Veranstaltungsgeschichte nur am Samstag statt. Am Sonntag wurde die Rundfahrt zum Rundgang: Demonstrativ ließ sich der wissenschaftliche Referent in einer Ente von Helfern über das Gelände ziehen – um die Konsequenzen des autofreien Sonntags zu veranschaulichen. Dies geschah, wie alles an diesem Wochenende, nicht ohne Augenzwinkern.