Bei der „Zeitblende“ im Kommerner Freilichtmuseum steht am Wochenende 17./18. August 2024 das ereignisreiche Jahr 1974 im Mittelpunkt.
FreilichtmuseumZur „Zeitblende 1974“ werden am Wochenende 10.000 Gäste in Kommern erwartet
„Der Designer Wolfgang Feierbach hat in den späten 60er- und in den 70er-Jahren viel mit glasfaserverstärktem Kunststoff experimentiert“, sagt Clara Ruf und deutet auf ein Badezimmer in schreiendem Orange: „Letztlich hat sich der Werkstoff GFK im Badezimmer aber nicht durchgesetzt.“ Die Deutschen blieben lieber bei der gewohnten Keramik, die dann in den kunterbunten 70ern allerdings auch im Otto-Normalverbraucher-Haushalt etwas farbiger ausfallen durfte.
Im Kommerner Freilichtmuseum ist am bevorstehenden Wochenende eine komplette GFK-Badausstattung inklusive Toilette und Bidet zu sehen. Sie ist Teil einer zeitgenössischen Möbelausstellung, die Clara Ruf, Wissenschaftliche Volontärin des Freilichtmuseums, und ihre Kollegin Jennifer Gnädinger für die „Zeitblende 1974“ zusammengetragen haben.
Die Möbelausstellung feiert Premiere bei der „Zeitblende“, zu der – das passende Wetter vorausgesetzt – wieder bis zu 10.000 Besucher an den beiden Veranstaltungstagen erwartet werden. „Wir nutzen die Gelegenheit, bei dieser Möbelschau ein paar ganz besondere Stücke zu zeigen, die nicht in die Gebäude aus dieser Zeit passen, die wir ja auch in der Baugruppe Marktplatz Rheinland haben“, sagt LVR-Veranstaltungsmanager Daniel Manner, bei dem in diesen Tagen alle Fäden zusammenlaufen.
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Bei der Oldtimerschau steht in Kommern der Golf I im Mittelpunkt
„Die Zeitblende ist weitaus recherche- und zeitintensiver in der Vorbereitung als unsere anderen Großveranstaltungen“, berichtet Manner. Denn weil bei der jährlich stattfindenden „Zeitreise in die Gegenwart vor 50 Jahren“ immer ein ganz konkretes Jahr im Mittelpunkt steht, haben die Ausstellungsmacher den Anspruch, dass alles zeitlich passen muss. „Bei der Oldtimerschau ist das ganz wichtig, da soll kein Auto dabei sein, das jünger als Baujahr '74 ist“, erläutert Manner.
Für den deutschen Automobilbau war das Jahr 1974 von ganz besonderer Bedeutung: „In diesem Jahr kam die erste Generation des VW Golf auf den Markt“, so Manner. Damals suchte Volkswagen nach einem Nachfolger für den in die Jahre gekommenen Käfer – und hatte mit dem kantigen Entwurf von Designer Giorgetto Giugiaro auf Anhieb Erfolg. „Bei der Autoausstellung am Wochenende steht der Golf I daher ganz klar im Mittelpunkt – es gibt zum Beispiel auch einen Fachvortrag zur Geschichte des Modells“, so Manner.
Die automobile Bandbreite wird insgesamt jedoch deutlich größer sein: „Wir haben wieder rund 170 Anmeldungen pro Tag für die Autoschau und den Corso durchs Museumsgelände“, freut sich der Veranstaltungsmanager auf die vielen alten Schätzchen: „Alles Autos, die vor 50 Jahren zum alltäglichen Straßenbild im Rheinland gehörten.“
Urlaub '74: Campingplatz und Blicke ins private Fotoalbum
Beim Thema Urlaub war der Campingplatz damals speziell für junge Leute und Familien immer noch die erste Wahl. „Das spiegelt sich auch bei unserer Campingausstellung wider, die diesmal noch einmal um zehn teilnehmende Fahrzeuge gewachsen ist“, berichtet Manner. Neben zahlreichen Wohnwagen und Campern auf T1- oder T2-Basis ist auch ein besonderes Gefährt aus Übersee zu Gast: „Wir erwarten ein amerikanisches Pontiac-Wohnmobil, die Mitte der 1970er-Jahre gerade erst in Deutschland aufkamen“, so Manner.
Der Urlaub anno 1974 war auch Thema für die Fotoschau, zu der das Freilichtmuseum für die diesjährige „Zeitblende“ aufgerufen hatte. „Insgesamt wird die Bereitschaft, das private Fotoalbum für die Zeitblende zu öffnen, allerdings zunehmend geringer“, bedauert Manner.
Zurück zur Möbelschau: Neben dem bereits erwähnten Badezimmer ist auch eine Wohnlandschaft im typischen Seventies-Design zu sehen. „Das ist quasi das Wohnzimmer unseres Leihgebers Tobias Schmitz, einem großen Fan der 70er-Jahre, mit dem wir ganz eng zusammengearbeitet haben“, ergänzt Clara Ruf. Während des Zeitblende-Wochenendes wird das Ensemble von zwei Darstellern aus dem Team der „Gespielten Geschichte“ bewohnt.
Abba-Coverband „4 Swedes“ begeistert auf der Museums-Bühne
„Man kann Peter Drespa und Ulrike Glaubitz zum Beispiel dabei zusehen, wie sie das Finale der Fußball-Weltmeisterschaft live auf ihrem neuen Farbfernseher verfolgen“, erinnert Volontärin Jennifer Gnädinger an eine bleibende Erinnerung, die viele Deutsche mit dem Jahr 1974 verbinden: Den 2:1-Sieg über Holland im WM-Finale von München.
Aber auch sonst ist viel passiert im Jahr 1974: der Rücktritt von Bundeskanzler Willy Brandt nach der Guillaume-Affäre zum Beispiel oder der Sieg der schwedischen Band Abba beim Grand Prix Eurovision de la Chanson. „Daran knüpfen wir beim Bühnenprogramm an, denn Höhepunkt ist der Auftritt einer Abba-Coverband“, verrät Manner. Die „4 Sweds“ werden ein 90-minütiges Programm mit den größten Hits von Agnetha, Björn, Benny und Anni-Frid präsentieren.
Kirschkernweitspucken im Mitmachprogramm
Es gab aber auch in der Region zahlreiche Ereignisse, die vor 50 Jahren die Menschen bewegten. „Daran erinnern wir auf dem Geschichtsweg“, sagt Jennifer Gnädinger: „Zum Beispiel die Betriebsaufgabe der Aachener Straßenbahn, die damals kontrovers diskutiert wurde.“
Auch die Weltmeisterschaft im Kirschkernweitspucken wurde 1974 „erfunden“ und gehört seitdem zum Programm der Dürener Anna-Kirmes. Bei der „Zeitblende“ können die Besucher im Mitmachprogramm selbst auf Rekordjagd gehen und versuchen, den Wert von 22,52 Metern zu übertreffen, mit dem der Schweizer Thomas Steinhauer seit 2017 in den Geschichtsbüchern steht. „Passend zum Jahr der Fußball-WM haben wir aber auch ein Torwandschießen eingeplant“, so Gnädinger.
Zeitreise im LVR-Freilichtmuseum
Die Zeitblende 1974 findet am Samstag, 17. August, 10 bis 18 Uhr, und am Sonntag, 18. August, 10 bis 17 Uhr, im LVR-Freilichtmuseum Kommern statt. Tickets kosten 11,50 Euro (ermäßigt 9,50 Euro), alle unter 18 Jahren haben freien Eintritt.
ÖPNV: Die Linie 773 fährt am Zeitblende-Wochenende als Linienbus statt sonst als Taxibus und muss daher nicht vorbestellt werden.
Das gastronomische Angebot entspricht dem Zeitgeschmack. Neben den Angeboten der Museums-Gastronomie ist auch wieder die beliebte „Tatort“-Wurstbraterei im Einsatz.