Letzter Shopping-SamstagEntspanntes Einkaufen statt Vorweihnachts-Chaos in Euskirchen
Lesezeit 6 Minuten
Euskirchen/Bad Münstereifel – Das Shopping-Chaos vor dem nächsten Lockdown, der am Mittwoch beginnt, ist ausgeblieben: Statt des befürchteten Massenansturms der Kunden auf die Euskirchener Fußgängerzone und das Outlet-Center von Bad Münstereifel gab es am Samstag entspanntes Einkaufen.
„Das wird sich schon füllen, das sehe ich auf dem Kundenzähler!“ Hans-Peter Neusser, Filialgeschäftsführer von Galeria Karstadt Kaufhof in Euskirchen ist Zweckoptimist. 363 Kunden dürfen sich laut Hygiene- und Abstandskonzept gleichzeitig im Kaufhaus aufhalten. Droht das Maximum erreicht zu werden, stellt sich der hauseigene „Door-Man“ am einzigen geöffneten Eingang, dem Haupteingang zur Neustraße, in Position.
So weit ist es um kurz nach 10 Uhr noch lange nicht. Es sind 183 Kunden im Haus, das verteilt sich. Neusser hofft, dass sich das schnell ändert. Immerhin hat gerade der letzte Verkaufs-Samstag vor dem am Sonntag verkündeten, zweiten „harten Lockdown“ für den Einzelhandel begonnen. Das müsste doch als Einkaufsfahrt-Argument reichen, oder? Und bitte sehr: Erste Warteschlangen vor den Kassen im Erdgeschoss bilden sich.
„Ich bin nicht wegen der Weihnachtsgeschenke hier. Mir fehlte noch das hier“, sagt Petra Kowalke aus Swisttal und deutet auf eine Herrenhose, die sie über dem Arm trägt: „Die Socken kamen noch wegen 25 Prozent Rabatt dazu.“ Die Hose habe sie bewusst nicht im Internet bestellt – wegen eines Umtauschs, falls sie nicht passt.
Kontrollen leicht erhöht
Im Dekorationsartikelshop nebenan fühlt sich wenig später Mario Krienke aus Euskirchen, die zweijährige Tochter Louisa auf dem Arm, mit Blick aufs Weihnachtsfest gut vorbereitet. Geschenke habe er längst eingekauft, er wird nicht der Letzte sein, der das berichtet. Den Last-Minute-Stress wolle er sich erst gar nicht antun: „Ich arbeite im Vertrieb. Da habe ich das jeden Tag.“ Jetzt geht es nur noch um die eine oder andere Dekoration für den Weihnachtsbaum.
Doch der von ihm befürchtete Einkaufsansturm in Euskirchen bleibt ja aus. Das bestätigt auf Anfrage die Polizei. Sie hat wie das Ordnungsamt den Streifendienst in der Fußgängerzone zwecks Kontrolle der Maskenpflicht und Abstandsregeln vor den Geschäften leicht erhöht. Ja, die Kunden seien sehr entspannt, bestätigt auch die Filialleiterin einer Buchhandelskette. Und die Umsätze? Stimmen, heißt es. Trotz Amazon und Co. – das gute Buch zu Weihnachten geht eben immer.
„Naja, sonst gibt es eben die Geschenke im Frühjahr, wenn ich bis zum Lockdown nicht alles zusammen habe. Es gibt Schlimmeres.“ Herbert aus Euskirchen, der es bei seinem Vornamen belassen will, schlürft den heißen Kaffee, den er sich gerade am Stehtisch gegenüber einer Bäckerei gönnt. Weihnachten im April? Undenkbar ist das für ihn nicht. Und der Lockdown? Dass der am Mittwoch kommt, ist am Samstag noch ein Gerücht – das keinen Grund zur Torschlusspanik verbreitet. Kein Problem sieht auch Erich Bonenkamp, der vor einem Juwelier in der Neustraße kurz warten muss, die maximal sechs erlaubten Kunden sind gerade im Geschäft. Glitzerndes für die Liebste zum Weihnachtsabend? Bonenkamp lacht: „Ich brauche nur eine neue Batterie für meine Armbanduhr.“ Die sei eben fällig.
Da geht es Franz-Josef und Inge Todemann aus Buschhoven ähnlich. Das Seniorenpaar steht geduldig in einer kleinen Warteschlange vor der Bäckerei Lennartz an der Berliner Straße und will sich eigentlich nur ein Teilchen kaufen. Naja – und eine neue Hose für ihren Franz-Josef, sagt Ehefrau Inge. Die hat sie schon in der Einkaufstüte. Und jetzt? Vielleicht ein paar Meter noch über die Neustraße, dann zurück nach Hause.
Nachfeiern im März
Erst am Nachmittag wird die Euskirchener Innenstadt etwas voller. Weihnachtliche Atmosphäre will dann aber selbst an den wenigen Buden vor der Galeria nicht aufkommen. Auch Familie Miehl aus Mechernich hat sich Wärmendes gekauft, weil es usselig ist bei dem regnerischen Wetter unter grauem Himmel. „Wir sind nur hier, weil unsere Tochter eine neue Brille braucht“, so Tanja Miehl. Und ansonsten gelte: „Was wir vor dem Lockdown nicht an Geschenken haben, haben wir eben nicht. Dann wird im März nachgefeiert.“
Zwischen Orchheimer und Werther Tor ist das Outlet Center in Bad Münstereifels Altstadt mit an die 50 Fachgeschäften. Dazwischen gibt es eine gute Handvoll alteingesessener, inhabergeführter Läden. Zum Beispiel das Ambiente von Fred Hannes, nach eigenen Angaben seit 35 Jahren am Platze an der Orchheimer Straße. „Ich kann Ihnen sagen, warum es heute ruhiger ist als sogar am vergangenen Samstag“, sagt Hannes und bestätigt den Eindruck aus Euskirchen: „Die Kunden haben sich seit dem Frühjahr an den Lockdown gewöhnt. Sie kaufen Online.“ Tatsächlich sind die Gassen am Nachmittag nicht überlaufen. „Das fing am Vormittag sehr ruhig an, dann wurde es kurz voller. Vor einer Woche waren es jedenfalls mehr Leute“, sagt auch Angela Müller. Sie steht am Wurstgrill des Imbissstands von Josef Müller direkt an der Ecke Markt-/Werther Straße mitten im Geschehen.
„Man kann auch sagen: ein Trauerspiel!“, kommentiert Lutz Elsig das Nicht-Geschehen vor seinen beiden Damenoberbekleidungsgeschäften in Höhe des Salzmarktes. Er glaube, „dass die Leute verunsichert sind“. Ansonsten gilt: Der berühmt-berüchtigte Fuchspelzschal, bekannt noch als Mottenfänger in Omas Kleiderschrank, ist wieder en Vogue. Wer hätte es gedacht.
Ein bisschen weihnachtlich
Und dann wird es romantisch. Mit Einbruch der Dämmerung erstrahlen in Bad Münstereifels Altstadt tausende LED-Lichter. Lichterketten sind über die Erft gespant und hängen an den Ufermauern, die Fassaden der alten Häuschen sind beleuchtet. Auf der Ufermauer vor der Kneipe „Little Bit“ brennen zwei Kerzen am Adventskranz, es scheppert Weihnachtliches aus der kleinen Lautsprecherbox. Magdalena Herzel und Tochter Sandra aus Bad Münstereifel stehen an der Hauswand, die Tasse Glühwein in der Hand. „Wir können uns nicht beschweren. Die Leute haben unseren Laden wie immer überrannt“, lautet die frohe Botschaft der Einzelhandelskauffrau. Aber das sei doch immer so.
Unterdessen staunen jenseits des Erftufers Janno und Jara mit großen Augen über das, was die Straße heruntergestakst kommt. Die Eisprinzessin und die gute Fee Auraya sind übergroß, bodenlang gewandet, und mit LED-Lichtern beleuchtet. Katrin und Claudia-Gabriele laufen auf Stelzen für den Eventanbieter aus Köln. Jetzt verstäuben sie Feenglanz – auch auf die Handrücken der beiden Kinder von Tina Kern aus Rheinbach. Die trägt gerade das Brettspiel „Captain Black“ aus dem Shop der Ravensburger Spiele unter dem Arm: „Das ist kein Weihnachtsgeschenk, nur als Beschäftigung während des nächsten Lockdowns gedacht.“
Es ist kurz nach 17 Uhr in Bad Münstereifels Altstadt im Adventslichterglanz. Die Gassen leeren sich jetzt schnell. Längere Öffnungszeiten am „Last minute-Einkaufstag“ vor dem nächsten harten Lockdown? Das war ein Vorweihnachtsmärchen, zu schön, um wahr zu sein.