Im Herbst wurden in der Region rund um den Laacher See 350 so genannte Geofone zur Messung unterirdischer Erschütterungen aufgestellt. Ein Jahr sollen sie Daten sammeln.
Wissenschaftler untersuchen Region Laacher SeeSchlafen die Vulkane unter der Eifel bloß? Und wie tief?
Es war eine der größten Eruptionen, die Mitteleuropa ja erlebt hat: Der Ausbruch des Laacher See-Vulkans vor etwas mehr als 13.000 Jahren war vergleichbar mit dem des Pinatubo auf den Philippinen 1991. Die Folgen waren bis ins heutige Gebiet von Schweden, Russland und Italien zu spüren.
Lange galt die Katastrophe in prähistorischer Zeit als eine Art Schlusspunkt. Der Vulkanismus in der Eifel schien erloschen. Aber der Untergrund ist bis heute nicht zur Ruhe gekommen. Das zeigen die Gasblasen, die heute noch im Laacher See aufsteigen. Und das zeigen vor allem immer wieder Beben mit niedriger Frequenz. Aber wie sieht das magmatische System unter der Eifel aus? Schläft der Vulkanismus nur? Und wie tief schläft er? Das wollen Wissenschaftler unter Federführung des Deutschen Geoforschungszentrums (GFZ) in Potsdam mit einer bislang in Deutschland einzigartigen, großangelegten Messkampagne herausfinden.
Dazu wurden im Herbst in der Region rund um den Laacher See 350 so genannte Geofone zur Messung unterirdischer Erschütterungen aufgestellt. Ein Jahr sollen sie Daten sammeln. An dem Projekt beteiligt sind eine Reihe von Universitäten, internationalen Institutionen sowie Landesämter und -erdbebendienste.
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Eifel-Vulkane geben Wissenschaft noch Rätsel auf
Seit etwa 60 Millionen Jahren gibt es Vulkanismus in der Eifel. Seine Auswirkungen sind heute als Schlackenkegel, Maare oder Krater sichtbar. Die rund 800 Eifel-Vulkane bilden eine besondere Form des verteilten Vulkanismus, der der Wissenschaft immer noch Rätsel aufgibt, wie zum Beispiel der eingangs beschriebene letzte große Vulkanausbruch am Laacher See. Obwohl das Ereignis so groß war, ist es bislang nach Angaben des GFZ nicht gelungen, die Magmakammer dieses Vulkans mit seismischen Verfahren abzubilden und zu untersuchen. Das ist eines der konkreten Ziele des laufenden Large-N-Experiments in den Landkreisen Mayen-Koblenz und Ahrweiler.
Wie ein Mikrofon Schallwellen der Luft aufzeichnet, zeichnen die Geofone, die in Kästen verbaut sind, seismische Wellen im Untergrund auf. Erdbeben, aber auch sogenanntes Hintergrundrauschen. Das dichte Messnetz ermöglicht eine höhere Auflösung in der Beobachtung, die Gesteinsstrukturen lassen sich also genauer als bisher erkennen. Da die Geofone die Messdaten kontinuierlich über ein Jahr lang aufzeichnen, können die vulkanischen Prozesse besser charakterisiert und überwacht werden. „Wir wollen mit diesem in Deutschland einzigartigen Experiment tief unter die Erdoberfläche blicken und herausfinden, wie der Untergrund beschaffen ist und was dort passiert, also die Dynamik beobachten. Vor allem geht es um vulkanische Aktivitäten“, erläutert Torsten Dahm, Direktor des Department 2 „Geophysik“ und Leiter des Projektes.
Neben Eruptionen gibt es eine Reihe von Phänomenen, die darauf schließen lassen, dass die Vulkane noch nicht erloschen sind.
Begleitende Information der Bevölkerung vor Ort
So haben Forschende mit hochpräzisen globalen Navigationssatelliten-Messungen festgestellt, dass sich das Rheinische Schiefergebirge im Umfeld der Eifel um wenige Millimeter pro Jahr hebt. Diese geringe Hebungsbewegung findet seit vielen Hunderttausend Jahren statt und konnte in der Vergangenheit bereits aus geologischen Daten rekonstruiert werden. Neu war allerdings der Nachweis, dass die großräumige Hebung bis heute weitergeht. Und es gibt eine besondere Art seismischer Effekte, die der Erdbebendienst Südwest gemeinsam mit dem GFZ und anderen Partnern unter dem Vulkanfeld der Osteifel detektieren konnte: „niederfrequente Tiefenbeben“. Sie wurden mit dem seit zehn Jahren systematisch erweiterten seismologischen Netzwerk erstmals 2013 und seither regelmäßig nachgewiesen. In der Fachsprache heißen sie DLF-Beben, von „deep low-frequency“.
Studien an vielen anderen Vulkangebieten weltweit zeigen, dass DLF-Erdbeben durch Flüssigkeiten oder Gase im Festgestein verursacht werden. Diese Fluide können zum Beispiel Wasser, Magmen oder Kohlendioxid sein. Die tiefen Frequenzen werden dabei durch Schwingungen in Gesteinsspalten erzeugt, ähnlich dem Ton einer Orgelpfeife.
Keine Anzeichen für drohenden Vulkanausbruch
Die DLF-Beben deuten darauf hin, dass Fluide in Bewegung sind, in diesem Fall aus einer Tiefe von rund 45 Kilometern bis in den Bereich der oberen Erdkruste. Ob die DLF-Beben daher rühren, dass sich die in den vergangenen Eruptionen entleerten Magmakammern wieder füllen, beispielsweise unter dem Laacher See, oder ob nur Gase oder Wasser „hochblubbern“, das wollen die Wissenschaftler herausfinden. Alle 350 Stationen bestehen aus jeweils einem Sensor, der die Bodenschwinggeschwindigkeit in allen drei Raumrichtungen misst, einem Datenlogger zum Abspeichern der Messdaten sowie einer Batterie zur autarken Stromversorgung.
Die 350 Messgeräte wurden möglichst auf Flächen aufgestellt, die der öffentlichen Hand gehören, Kommunen zum Beispiel. An manchen Orten sind auch Privatleute gefragt worden, ob für ein Jahr ein Geofon auf ihrem Grundstück stehen darf. Die Erfahrungen damit waren überaus positiv. „Die Menschen sind sehr interessiert und stehen unseren Forschungsarbeiten sehr aufgeschlossen gegenüber“, berichtet Christoph Sens-Schönfelder vom GFZ. „Es ist uns daher sehr wichtig, die Bürgerinnen und Bürger vor Ort gut über unsere Forschungsaktivitäten zu informieren.“ Dazu gehört auch die beruhigende Einschätzung der Vulkanologen, dass die Menschen in der Eifel aktuell keine Angst vor einem drohenden Vulkanausbruch haben müssen.
„Bis sich ein derartiges, überregional-katastrophales Ausbruchsgeschehen wie seinerzeit im Laacher See wiederholen könnte, müssen noch viele 10.000 Jahre vergehen“, heißt es in einem Positionspapier der Deutschen Vulkanologischen Gesellschaft. „Unsere Forschung dient in erster Linie dem besseren Verständnis der vulkanischen Systeme tief unter der Erdoberfläche der Eifel“, betont Projektleiter Dahm. Aus diesem Ansatz heraus „können wir die Daten mit denen von aktiven Vulkangebieten vergleichen. Dann können wir auch besser beurteilen, was das Rumoren im Untergrund bedeutet – wie tief der Vulkan schläft, wenn man so will.“ Welche Folgen ein heutiger Ausbruch des Maria Laach-Vulkans hätte, ist derzeit schwer abzuschätzen, teilte das GFZ auf Nachfrage mit. Nicht nur für die Eifelregion fehle es bisher an genaueren Modellierungen und Abschätzungen, auch weil Vulkangefahren möglicherweise unterschätzt werden.
Was vor 13.000 Jahren passierte
Der Ausbruch des Laacher See-Vulkans muss ein Inferno gewesen sein. In wenigen Kilometern Tiefe hatte sich in einer riesigen Magmakammer jahrtausendelang ein äußerst gas- und mineralreiches Magma, so genanntes phonolithisches Magma, entwickelt. Dieses drang vor mehr als 13.000 Jahren in der Erdkruste nach oben und traf kurz vor der Erdoberfläche auf Wasser. Durch das Zusammentreffen von glühendem Magma und kaltem Wasser kam es zu einer gewaltigen Explosion.
Mit Überschallgeschwindigkeit wurden Asche, Bimse und sonstiges Gestein in einer mehr als 20 Kilometer hohen Eruptionssäule ausgeschleudert. Insgesamt prasselten 24 Kubikkilometer Material aus der Eruptionswolke heraus. Feinste Ascheteilchen gelangten bis nach Italien und Schweden.
Die verheerendsten Auswirkungen waren die bis zu 600 Grad heißen Glutlawinen und Ascheströme. Sie schossen mit hohen Geschwindigkeiten übers Land, rissen alles mit und hinterließen eine karge Mondlandschaft. Später verfestigten sich die mitgeführten Aschen durch Kontakt mit Wasser zu Tuff.
Heute befindet sich an der Ausbruchstelle ein sogenannter Einbruchskrater, der mit Wasser gefüllt ist: der Laacher See.