Beachvolleyball, Basketball und Fackelträger: Ein Besuch bei den Olympischen Spielen in Paris ist stressig, anstrengend – und unvergesslich.
Kreis Euskirchener in ParisDer ganz persönliche Traum von Olympia
Dabei sein ist alles. Dabei sein ist anstrengend. Dabei sein ist schön. Eineinhalb Tage Olympische Spiele, knapp drei Tage Paris. Tage, die nachwirken werden. Und das nicht nur wegen des Muskelkaters vom Touristenmarathon zwischen den Sportstätten und den etwa 45.000 Schritten an zwei netto Tagen Olympia in Paris. Sondern auch wegen des Weltrekords, den ich am Montagabend beim Stabhochsprung erleben durfte.
Als jemand, der das Glück hatte, beim Champions-League-Sieg des FC Liverpool in Madrid dabei sein zu dürfen, dachte ich, dass ein Stadion nicht lauter sein kann als 2019 beim 2:0 durch Divock Origi gegen Tottenham Hotspurs. Doch als Stabhochspringer Armand Duplantis im dritten und letzten Versuch 6,25 Meter überquerte, glich das Stade de France einer athletischen Fontäne, bei der jeder Tropfen als Gänsehaut hinunterperlt, wie Reitsport-Kommentator Carsten Sostmeier es wohl ausgedrückt hätte – und wenige Tage beim Ritt von Isabelle Werth auch mit Bezug auf die Hippologie getan hatte.
Olympische Spiele live erleben ist ausgesprochen anstrengend
Der erste Tag endet – nach einer kurzen Stippvisite am Louvre, bei den Olympischen Ringen, dem Olympischen Feuer und mehreren Kilometern durch die Stadt – im Stade de France. Zehntausende Menschen aus aller Welt gehen mit vom Bahnhof zum Stadion – Fanwalks sind spätestens seit der Fußball-Europameisterschaft ein Muss vor dem Event im Stadion. In Paris wird zwar nicht von links nach rechts gehüpft wie bei den Holländern, und Dudelsack spielt auch keiner. Aber es ist einfach beeindruckend, mit so vielen Menschen friedlich durch die Straßen zu ziehen.
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Im Stadion wird einem bewusst, wie anstrengend Olympische Spiele live sind. Man hat Augen zu wenig: hier der Diskuswettbewerb, dort Stabhochsprung, zwischendurch eine Siegerehrung, dann ein Lauf über 200 Meter, das Finale über 800 Meter. Es ist schwer, den Überblick zu behalten – zumal ein Blick aufs Handy zwischendurch auch sein muss, weil die deutsche 3x3-Basketballmannschaft grade um den Einzug ins Finale kämpft.
Diese Olympischen Spiele werden nachwirken, weil ich das Basketball-Dream-Team der USA gesehen habe. Für jemanden, der zwar seit 1988 (Seoul) die Olympischen Spiele verfolgt, 1992 mit dem Ursprung aller Dream-Teams mit Michael Jordan, Magic Johnson, Patrick Ewing und Co. dann so richtig auf den Geschmack gekommen ist (auch, weil die nichtexistente Zeitverschiebung nach Barcelona für einen 14-Jährigen deutlich angenehmer war), ist das Team um Steph Curry, LeBron James, Kevin Durant oder Anthony Davis (weil er talentmäßig wohl auf einer Ebene steht) ein basketballgewordener Traum.
Ein Traum, der durch Glück und auch ein wenig Zockerei wahr wurde. Eigentlich hatte ich nämlich für den zweiten Dienstag der Spiele Karten für Beachvolleyball unterm Eiffelturm ergattert und war damit sehr glücklich, weil ich auch 2012 in London Beachvolleyball geguckt hatte und auch das nachgewirkt hat.
Als dann aber noch mal Karten auf den Markt geworfen wurden, musste ich einfach zocken. Ohne irgendwelche Gruppeneinteilungen zu kennen, spekulierte ich darauf, dass die USA auch wegen der Übertragungsrechte zum bestmöglichen Zeitpunkt für die Zuschauer jenseits des Atlantiks übertragen werden. 220 Euro hat der olympische Lottoschein gekostet, der dann tatsächlich zu einem Sechser mit Zusatzzahl wurde. Meine Beachvolleyballkarte „tauschte“ ich auf der Resale-Plattform gegen eine fürs Viertelfinale um 17 Uhr – auch das ein sportlicher Hauptgewinn, doch dazu später mehr.
Die persönliche Goldmedaille ist das Ticket fürs Dream-Team
Drei Tage vor der Abreise stand fest, dass die USA tatsächlich am Dienstag um 21.30 Uhr in Paris gegen Brasilien spielen. Meine ganz persönliche Goldmedaille – wenn denn dann kein Zugausfall oder eine Blitzkrankheit dazwischenkommen sollte. Beides passierte glücklicherweise nicht. Und so saß ich dann in der Bercy Arena und sah das Beste, was der Basketballplanet derzeit an individueller Klasse zu bieten hat.
Alles rund um das Dream-Team wirkt wie ein großer Zirkus. Es ist alles ein bisschen größer: mehr Promis in den ersten Reihen, mehr Fotografen, mehr Ich-will-dabeisein, wenn der Spieler mit den meisten erzielten Punkten in der NBA, LeBron James, auf dem Feld steht. Für viele Zuschauer ist James das, was Michael Jordan für die Generation „Olympia 92“ ist – der beste Spieler aller Zeiten.
Und wie lange er noch spielt, ist fraglich. Eine Saison NBA ganz sicher. Aber Olympische Spiele wird der 40-Jährige wohl nicht mehr spielen, zumal die Barthaare schon ganz schön grau sind und ihn durchaus menschlich erscheinen lassen.
Fast schon unmenschlich ist die Dominanz, die das Dream-Team gegen Brasilien an den Tag legt. Die Partie ist schnell entschieden, die Zeit zum Zurücklehnen und Genießen beginnt spätestens kurz vor der Halbzeit. Hätte ich mir ein spannenderes Spiel gewünscht? Vielleicht. Es ist völlig egal, weil ich zu 15000 gehöre, die das Dream-Team gesehen haben, an diesem Abend, bei den Olympischen Spielen, in Paris.
Als dann drei Minuten vor dem Ende ein französischer Besucher Léon Marchand im Publikum entdeckt, ist das Dream-Team entzaubert. Der vierfache französische Schwimm-Olympiasieger hat die Herzen seiner Landsleute in der ersten Woche der Spiele im Sturm erobert. Jetzt sitzt er lässig in Jeans mitten unter den Zuschauern. Der Jubel, der in der Bercy Arena aufbrandet, ist lauter als beim Einlaufen des Dream-Teams. Auch das ist Olympia. Und ich? Kann nun sagen, dass ich nicht nur LeBron James, sondern auch einen französischen Nationalhelden gesehen habe.
2040: Beachvolleyball vor dem Kölner Dom? Das wär' doch was
Zu deutschen Olympia-Helden sind wenige Stunden zuvor Clemens Wickler und Nils Ehlers geworden. Am Fuße des Eiffelturms gewinnt das Beachvolleyball-Duo gegen die Niederländer glatt in zwei Sätzen, zieht vor meinen Augen ins Halbfinale ein – und wird zum Mallorca-Song „Johnny Däpp“ vom Publikum gefeiert. Beachvolleyball ist eben nicht nur sportliche Höchstleistung, sondern auch eine gigantische Party in einem Ambiente, das Nachwirken wird.
Im FC-Trikot muss ich anerkennen, dass der Dom dann doch nicht das einzig beeindruckende Bauwerk ist. Aber wenn das mit der deutschen Olympia-Bewerbung für 2040 ernst werden sollte – eine Stahltribüne für 10.000 Zuschauer auf dem Roncalliplatz mit Blick auf den Dom wäre ein ziemlich jeckes Ambiente für Beachvolleyball. Und wenn in 16 Jahren noch ein Fackelträger gesucht werden sollte: Ich habe geübt, weiß jetzt, wie es sich anfühlt, die Olympische Fackel in den Händen zu halten.
Möglich war das am Dienstag ab 11 Uhr auf dem Place de la Concorde. Dort warf und reboundete sich die 3x3-Mannschaft nicht nur zu Gold, dort wird auch geskatet, gebreakt und BMX gefahren. Dort wird das moderne Olympia für 19 Euro (ohne einen Platz auf den Tribünen während der Wettbewerbe) erlebbar. Kinder springen über Seile, Jugendliche und Nie-älter-Gewordene schauen bei BMX-Vorführungen zu oder lassen sich eben mit der Olympischen Fackel von den immer hilfsbereiten Volunteers fotografieren. 20 Minuten Anstehen, das ist für ein Stück olympische Tradition, festgehalten auf ziemlich moderner Smartphone-Technik, völlig in Ordnung. Wer Olympia mag, lernt Warten lieben.
Beim Handball-Krimi versagt das WLAN im Zug auf der Heimreise
Der olympische Dienstag startete übrigens um 9 Uhr mit dem Viertelfinale der Volleyballerinnen aus der Türkei und China. Auch diese Paarung war logischerweise bei Planung des Trips nicht bekannt. Auf dem Papier jetzt nicht der Traum eines Oeskerchener Jong, der sein Kartenglück eh schon aufgebraucht hatte. Aber das Duell war Olympia pur. Reihe 6, zwei Fanlager, die alles geben, zwei Teams, die sich nichts schenken, fünf Sätze lang. Zwischen den Fans aus der Türkei und China: Menschen aus Brasilien, Schweiz, Puerto Rico und Spanien. Sie alle haben eins gemeinsam: Sie genießen das Spiel und den Moment. Ein sicherlich teurer Moment (Karte, Hotel, Reise, Metro-Karte und Paris-Olympia-Shirt haben allein knapp 1000 Euro gekostet – da sind die Karten fürs Dream-Team, Beachvolleyball und Leichtathletik nicht drin).
Olympische Spiele sind ein verdammt teures Vergnügen: Eine Cola im Stade de France bei der Leichtathletik kostet fünf Euro, ein Hotdog 9,50. Teuer sind die Spiele, sauber auch? Ob die Athleten sauber sind, werden die Dopingtests zeigen – wenn sie denn veröffentlicht werden. Für mich als Zuschauer geht es aber darum, Erinnerungen zu sammeln, gemeinsam den Moment zu genießen. Dazu gehört der Weltrekord von Duplantis. Dazu gehört die Freude von Diskuswerferin Marike Steinacker über ihren Wurf, der sie auf den vierten Platz brachte. Das ist eben auch Olympia. Von wegen undankbarer vierter Platz, wenn man mit sich und dem Ergebnis im Reinen ist.
Rein ist die Seine nicht. Geschwommen wird trotzdem darin. Auch um eine Boxerin aus Algerien gibt es Diskussionen. Und um die Eröffnungsfeier, die dem einen oder anderen zu woke, zu divers war. Oder bei der gar die katholische Kirche verunglimpft wurde. Wenn all die, die sich jetzt für die Kirche starkmachen, mehr als nur Weihnachten in die selbige gehen würden – die Gotteshäuser wären so voll wie die Wettkampfstätten in Paris.
Und was sind die Olympischen Spiele noch? Nervenaufreibend. Nämlich dann, wenn auf der Heimfahrt im Eurostar das WLAN des Schnellzugs den Livestream des Drama-Handballduells zwischen Frankreich und Deutschland eine Minute vor dem Ende einfriert ...
Frederik Schorn und seine Frau Imbi jubeln für Esten und Deutsche
Der Vernicher Frederik Schorn verfolgte die Olympischen Spiele in Paris live vor Ort. „Die Olympischen Spiele waren für uns ein rundum einzigartiges, wundervolles Erlebnis. Mit der Familie haben wir die tolle Stimmung beim Beachvolleyball unterhalb des Eiffelturms genossen und den deutschen Duos Ehlers/Wickler und Ludwig/Lindemann zugejubelt“, sagt Schorn, der mit seiner Frau Imbi in Frankreich war. Auch beim Sieg der deutschen Hockey-Frauen waren sie dabei.
„Meine Frau Imbi ist Estin, und deswegen war es für uns ein echter Glücksfall, dass wir Karten für den Zehnkampf im Stade de France bekommen haben. Zehnkampf ist für Estland mit seinen 1,3 Millionen Einwohnern die einzige Disziplin, in der das Land realistische Medaillenchancen hat“, berichtet Schorn: „Dazu hat es für die drei estnischen Starter auf den Plätzen fünf, sechs und elf leider nicht ganz gereicht, aber dafür war Leo Neugebauer für Deutschland erfolgreich. Auch wenn die Wege zwischen den Wettbewerben bei großer Hitze teilweise sehr weit waren, sind wir zu echten Olympia-Fans geworden.“
Vater und Sohn Ramers waren gemeinsam in Paris
Landrat Markus Ramers erfüllte sich mit seinem Vater Karl Heinz einen Traum. Er habe mit seinem Vater seit Kindertagen jedes sportliche Großereignis am Fernseher verfolgt, nun also gemeinsam live in Paris. Das Abenteuer begann laut Ramers aber mit einer Verzögerung von vier Stunden, weil der Zug in die französische Hauptstadt zu spät kam. Was dann folgte, sei ein „unvergessliches Erlebnis“ gewesen. Unter anderem waren die Freilinger beim Beachvolleyball am Eiffelturm dabei.
Genau wie Schorn verfolgten sie den Zehnkampf der Männer im Stade de France. Der leidenschaftliche Tischtennisspieler Ramers hatte auch Karten für das Tischtennisfinale der Frauen ergattert. „Das war schon alles sehr faszinierend“, sagt der Landrat. Ein Highlight sei die Begegnung mit einigen Athleten von den Cook-Inseln in der Pariser Metro gewesen, die dort für Stimmung sorgten. Auch Fans aus anderen Ländern verwandelten die U-Bahn in eine Diskothek. „Die Stimmung in der Stadt war besonders. Die haben wir beim Radrennen genossen“, so Ramers.