Nach zwei Wochenenden ist das Festival der Musik, der Offenheit und Toleranz für diesen Sommer Geschichte
Musik-FestivalIn diesem bunten Nest feiern die Zugvögel am Weißen Stein in der Eifel
Längst ist es kein Geheimtipp mehr: Das Zugvögel-Festival ist ein fester Bestandteil des bundesdeutschen Festivalkalenders geworden. Klein, aber liebevoll und sehr fein saugt es die Besucher in eine Atmosphäre aus Frieden und Freiheit ein.
Wer für Achtsamkeit und Wokeness, der Wachsamkeit gegen Diskriminierung, nur Spott und Verachtung übrighat, sollte an den beiden Festivalwochenenden aber lieber einen großen Bogen um den Weißen Stein machen. Es sei denn, er oder sie möchte erleben, was sich für ein Universum unter dem Schirm der Menschenfreundlichkeit, Toleranz und Offenheit auftut. Hier darf jeder sich und seine Wünsche leben – solange diese nicht die Grenzen der Anderen überschreiten. Wer nackt sein will, ist nackt, wer bunt sein will, ist bunt, wer das alles nicht will, ist es nicht. Das Festival ist ein Raum der Sicherheit.
Landfrauen aus Ostbelgien genießen Besuch auf dem Festivalgelände
Den ganzen Tag gibt es Musik auf den verschiedenen Dancefloors und in den vielen kleinen Zelten, in denen DJs Platten auflegen oder Musik gemacht wird. Viele lassen sich treiben und entdecken das Überraschende. Auch wenn bekannte Namen auf den Setlists der beiden Wochenenden stehen, die Menschen kommen nicht deswegen. Der Star ist das Festival.
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Die Gesichter der Menschen tragen ein zufriedenes Lächeln. Sie sollen sich auf dem Festivalgelände wohl und sicher fühlen, und das tun sie auch. Wie die Landfrauen aus Wirtzfeld in Ostbelgien, die den Zugvögeln einen Besuch abstatten. Auf das Gelände sind sie von Julia Melchior-Kostecki gelockt worden, die aus Udenbreth kommt und so, wie alle Udenbrether, das seltene Privileg genießt, bei freiem Eintritt das Event erleben zu dürfen.
Damit manifestieren die Zugvögel die gute Nachbarschaft am höchsten Punkt des Rheinlandes: Die Anwohner ertragen die Geräuschkulisse und dürfen dafür das bunte Treiben genießen, das die erst verursacht. „Ich wollte den Frauen aus Wirtzfeld einmal Udenbreth zeigen“, sagt Melchior-Kostecki. Oft schon war sie mit ihrem Mann, der sie aus Udenbreth nach Ostbelgien „gelockt“ hat, beim Festival und hat es immer genossen. „Hier sind alle gut drauf“, weiß sie. Und sieht auch, mit welcher Kreativität die Aufbaucrews zu Werke gehen: „Das Festival hat sich über die Jahre immer verändert.“ Den Landfrauen gefällt es: „Wir kommen wieder“, sagen sie.
Ein Wohlfühlort ist das Festival auch für die Crewmitglieder, die seit Wochen auf dem Weißen Stein für das Ambiente gesorgt haben. „Wir dürfen uns jetzt ausruhen und mitfeiern“, sagt Aruna. Im dritten Jahr arbeitet sie in der Crew mit. „Das ist hier mein Zuhause, mein Wohnzimmer“, beschreibt sie das Gefühl. Tatsächlich, so gesteht sie, sei sie irritiert, wenn die ersten Besucher zum Beginn des Festivals auf das Gelände kommen. Dann denke sie: Was machen die in meinem Zuhause?
Festival in der Eifel als Parallelwelt mit Mülltrennung und viel Musik
Auch wenn jetzt Feiern angesagt sei, die Verantwortlichkeit gehe trotzdem nicht verloren. Immer habe man ein Auge drauf, dass alles gut laufe, die Mülltonnen nicht überquellen und alle zufrieden sind. „Es ist kein normales Festival, es ist eine Community“, betont sie. Die Crew sei in den Wochen des Aufbaus zu ihrer Familie geworden. „Es ist wie eine Parallelwelt, superschön“, ergänzt Hendrik.
Für die Besucher bieten sich Möglichkeiten: Wer allein sein will, kann allein sein. Wer in der Masse abtanzen will, hat mehr als genug Möglichkeiten, das zu tun. Überall sind kleine oder große Dancefloors, an denen DJs oft spannende Musikstile präsentieren.
Heiß begehrt zum exzessiven Abtanzen ist zum Beispiel Anton. Der schrottreife Transporter, der einst von der Crew genutzt wurde, steht bereits im dritten Jahr als Abzappelkabine bereit. In der Fahrerkabine ist ein DJ-Pult aufgebaut, und im Laderaum können die Tänzer versuchen, Anton den Rest zu geben. „In all den Jahren ist er noch nicht umgefallen“, sagt Hendrik lächelnd. Hier können sich die DJs selbst in eine Liste eintragen und für Stimmung sorgen. Eine feste Setlist gibt es nicht, nur ein beliebter Termin ist gesetzt: Samstag, 21 Uhr: Dann werden Kölner Karnevalshits aufgelegt.
„Von den Zugvögeln habe ich auf dem Parooka-Festival gehört“
Und wen der Geist nach anderem gelüstet, hat auch da die Qual der Wahl bei der Vielzahl der Workshops, die angeboten werden. „Ich war beim Chor, dann habe ich gemalt“, berichtet Rebecca Hirschler, die mit Johannes Vogt über das Gelände unterwegs ist.
Die beiden Kölner sind zum ersten Mal bei den Zugvögeln. „Wir haben durch Mundpropaganda davon erfahren, dass es hier ganz toll sein soll“, sagt Hirschler, und das sei es auch. Die Menschen seien aufmerksam und nett, und man könne alles möglich machen. „Es hat mich überrascht“, sagt sie über das Sommergefühl, das sie beim Festival habe.
Auf seinen Stelzen ist Diego Moreno unterwegs. Eigentlich stammt der Tänzer und Performer aus Kolumbien, doch in diesem Sommer tourt er über die Festivals in Europa. „Von den Zugvögeln habe ich auf dem Parooka-Festival gehört“, berichtet er. Am ersten Wochenende des Festivals hat er noch mit seiner Band gespielt. Und es hat ihm so gut gefallen, dass er gleich geblieben ist. Jetzt ist er als Artist dabei und zeigt, was er alles mit seinen Stelzen machen kann.
Nach dem zweiten Festivalwochenende ist nun wieder der Abbau angesagt. Die Zugvögel bauen ihre Nester, die Zelte und Dancefloors, ab und kehren in den Alltag zurück.