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„Es war an keinem Tag langweilig“Bürgermeister Udo Meister verabschiedet sich

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Das war’s: Udo Meister verlässt das Rathaus, um ab dem kommenden Montag für ein Jahr bewusst ungeplant zu leben.

Sechs Jahre ist es her, dass Udo Meister seine Rechtsanwaltskanzlei in Gemünd verlassen und das Bürgermeisterbüro im Schleidener Rathaus bezogen hat. An diesem Sonntag endet seine Amtszeit. Im Gespräch blickt er zurück – und nach vorne.

Am 19. November 2012 war Ihr erster Arbeitstag als Bürgermeister, exakt sechs Jahre später ist es Ihr erster Tag als Rentner. Wie sehen Sie die Zeit?

Es war eine lange Zeit, aber sie ist vergangen wie im Flug. Es war eine spannende Zeit, es war an keinem Tag langweilig. Als Bürgermeister ist man im Prinzip 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche ansprechbar – das geht nur mit viel Herzblut.

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Nun habe ich ganz bewusst die Entscheidung getroffen aufzuhören. Und gehe nicht unzufrieden.

Durch die Krankheit Ihres Vorgängers war Schleiden im Prinzip rund anderthalb Jahre ohne Bürgermeister. War das ein Problem?

Durch die langjährige Arbeit im Stadtrat und als stellvertretender Bürgermeister kannte ich die Baustellen. Die waren also keine Überraschung. Zum Amtsantritt hatte ich gesagt, dass nun gilt: Arbeiten, arbeiten, arbeiten! Und so ist es auch gekommen.

Ihr großes Thema war und ist die Bildung und damit auch die Schullandschaft.

In der Schullandschaft herrschte über Jahrzehnte eine Art Glaubenskrieg, was sich auch auf die Qualität ausgewirkt hat. Das hat sich geändert, so dass wir nun im Südkreis alle öffentlichen Schulformen anbieten können, in deren Ausstattung sehr viel investiert wurde und wird. Dazu kommen noch die konfessionellen Ersatzschulen und die Studienmöglichkeiten an der Rheinischen Fachhochschule.

Ganz ohne Reibung ist das alles nicht geblieben. Über das Scheitern der Pläne einer gemeinsamen Gesamtschule mit Hellenthal und Kall ist auch die CDU-FDP-Koalition in Schleiden zerbrochen...

Das ist im Leben so, dass es auch mal richtig knallt. Aber wenn das zu etwas Gutem führt, hat man alles richtig gemacht. Inzwischen ist nicht nur ein Schulfrieden eingekehrt, es hat sich auch der Geist verändert. Alle Beteiligten sind bereit, das letzte Hemd zu geben, um möglichst gute Schulen und Bildungsmöglichkeiten für unsere Kinder zur Verfügung stellen zu können.

Die aber auch angenommen und besucht werden müssen.

Vor sechs Jahren haben die Statistiker von IT.NRW Schleiden einen Einwohner-Verlust von 20 bis 25 Prozent bis 2025 prognostiziert. Dem Trend haben wir erfolgreich entgegengewirkt.

Das klingt trotzdem nicht nach einem Ruhekissen.

Nein, auf keinen Fall. Wir müssen unsere Kommunen demografiefest machen. Sie müssen lebenswert sein, die Menschen müssen ihr Auskommen haben. Wichtig ist, dass wir für Pendler attraktiver werden. Dazu gehört, dass die B266 als Lebensader des Schleidener Tals vierspurig und kreuzungsfrei ausgebaut wird. Um solche Ziele zu erreichen, müssen wir eng zusammenrücken und mit einer Stimme sprechen – so, wie es Hellenthal, Kall und Schleiden in allen derartigen Gesprächen schon tun. Und: Das Thema autonomes Fahren wird sehr interessant, wenn die Fahrzeit Bürozeit werden kann.

Erhält die interkommunale Zusammenarbeit künftig eine noch größere Bedeutung?

Im Bereich Rente, Wohngeld und Asyl funktioniert die Zusammenarbeit mit Hellenthal und Kall schon lange, im Bereich Sozialhilfe (SGB 12) sind inzwischen auch Blankenheim, Dahlem und Nettersheim mit im Boot. Darüber hinaus gibt es gerade im Backoffice viele Dinge, die nicht sexy, aber wichtig sind und gemeinsam erledigt werden können. Im Bereich Kasse sieht doch zum Beispiel keiner, wo ein Vorgang gebucht wurde.

Dinge deutlich sichtbar zu verändern, ist in der Regel nicht billig. Und Schleiden gilt nicht als reiche Stadt.

Nur einmal, im Jahr 2015, mussten die Steuern angehoben werden. Gleichzeitig wurden Gebühren gesenkt, so dass die Gesamtbelastung für viele in etwa gleich blieb. Dass dies gemeinsam mit dem Kämmerer gelungen ist, darauf bin ich ein bisschen stolz. Seit fünf Jahren legen wir einen ausgeglichenen Haushalt vor. Das haben wir etwa durch Firmenbeteiligungen, etwa am Bürgerwindpark und am Sunpark Herhahn, geschafft, die sich positiv auswirken. Und durch Personaleinsparungen von rund zehn Prozent, die nun dazu führen, dass wir in den Bereichen IT, Verwaltung und Bauhof wieder regelmäßig ausbilden können.

Es wurde kräftig investiert in der Stadt. Können Sie das beziffern?

In den sechs Jahren sind knapp 200 Millionen Euro zusammengekommen, die die Stadt und andere öffentliche und private Träger investiert haben – und das in solch einem kleinen Örtchen. Zu nennen sind etwa große Straßenbauprojekte wie Auel/Hähnchen, Alter Römerweg und Dürener Berg. Oder der Sturmiuspark, die Olefpromenade und ganz aktuell der Markt in Schleiden. Auch wenn die Stadt längst nicht alles gezahlt hat, sind auch große Projekte wie die Windparks, Vogelsang, die Krankenhaus-Sanierung oder der Neubau der Jugendherberge in Gemünd durch schnelles und unkompliziertes Handeln von Rat und Verwaltung ermöglicht worden.

Durch den Bürgerwindpark wurde auch die Bürgerstiftung eingerichtet, die inzwischen als Best-Practice-Beispiel gilt und durch die jedes Jahr rund 90 000 Euro in Kunst-, Kultur-, Heimatpflege- und Sport-Projekte in der Stadt fließen können.

Was braucht die Stadt aus Ihrer Sicht unbedingt?

Wichtig sind die Leute, die sich für etwas einsetzen. Es wird so vieles getragen durch Ehrenamt und persönliches Engagement, das sonst nicht funktionieren würde. Ohne die vielen Menschen in den Vereinen oder all die Helfer in Feuerwehr, DRK oder THW würde doch das Licht ausgehen. Dafür kann man allen nur einen Riesen-Dank aussprechen. Gleiches gilt für die fachkundige und motivierte Mitarbeiterschaft, die mir meine Aufgabe leicht gemacht hat.

Es hat sich in sechs Jahren einiges getan. Aber „fertig“ ist die Stadt nicht. Welche Projekte legen Sie Ihrem Nachfolger besonders ans Herz?

Die Aufbauarbeit wird wohl nie zu Ende sein. Sicherlich wird die interkommunale Zusammenarbeit ein großes Thema bleiben. Und die Leerstände: Aktuell sind 27 Geschäfte in der Stadt nicht besetzt. Es wurden zwar Projekte begonnen und Gespräche geführt, aber es liegen noch nicht überall Ergebnisse vor. Wir benötigen einen Nahversorger in Gemünd, einen innenstadtnahen Frequenzbringer: Wenn zum Beispiel Aldi und Drogeriemarkt in der Nähe sind, fahren die Leute auch in die Innenstadt.

Was werden Sie nun als „Rentner“ machen?

Ich werde ein Sabbatical nehmen, ein Jahr ganz bewusst ungeplant leben und mich um Dinge kümmern, die zuletzt zu kurz gekommen sind. Und ich werde laufen, Rad fahren und Golf spielen – mich also körperlich wieder ertüchtigen.

Und danach?

Klar ist, dass mich die Themen Bildung, Kunst und Kultur immer umgetrieben haben. Zudem werde ich ein politischer Mensch bleiben. In der Region sind sicherlich Dinge vorstellbar, die man aktiver angehen kann und bei denen man mehr bewegen kann, wenn man kein Amt hat. Aber: Kommunalpolitik ist ausgeschlossen – da käme man zu schnell als Besserwisser rüber. Das möchte ich nicht.

Das Gespräch führt Ramona Hammes

Das Büro des Verwaltungschefs

Nein, der Stuhl im Chefzimmer des Rathauses am Ruppenberg war nun wirklich nicht nach Udo Meisters Geschmack. Also zog er an seinem ersten Arbeitstag als Schleidener Bürgermeister im November 2012 samt Stuhl und Schreibtischlampe, die er aus der Kanzlei mitgebracht hatte, ein. Wenn er an diesem Samstag sein Büro ausräumt, wird er beides wieder mitnehmen.

Das Porzellan-Hündchen, ein Erbstück seiner Mutter, wird Meister wie wenige andere persönliche Dinge auch einpacken. Das hatte er aus Spaß mitgebracht, als er von der Stadt ein Schreiben zur Hundesteuer-Erhebung erhalten hatte – obwohl er gar keinen Hund hat. Das Porzellan-Exemplar hatte seitdem seinen Stammplatz auf einem kleinen Sims. (rha)