Kreis Euskirchen – Die Welt wird immer digitaler. Im Kreis Euskirchen hingegen wartet die Feuerwehr seit Jahren auf die digitale Alarmierung – und wird das wohl noch mindestens ein Jahr tun. 2017 hat der Kreis den Kommunen mitgeteilt, dass die Umstellung angedacht ist – unweigerlich kommen wird. Doch seitdem ist eigentlich nichts passiert. „Wir sind nicht handlungsfähig und haben es auch nicht in der Hand, wann wir loslegen können“, sagt Martin Fehrmann, Abteilungsleiter Gefahrenabwehr beim Kreis.
Die europaweite Ausschreibung für die Umstellung von der analogen auf die digitale Alarmierung ist schon vor Jahren getätigt worden. Seitdem ist Warten angesagt. Der Grund: Ein Mitbewerber hatte bei der Vergabestelle in Köln Beschwerde eingereicht.
Oberlandesgericht am Zug
Seitdem hangelt man sich von Instanz zu Instanz. Aktuell liegt das Verfahren laut Kreis beim Oberlandesgericht. Wann es weitergeht, steht laut Kreisbrandmeister Peter Jonas in den Sternen. „Wir sind mit der Problematik nicht allein. Andere Landkreise haben das gleiche Probleme“, so Jonas.
Der Kreis fühlt sich nach eigenen Angaben von einem Fachanwalt „sehr gut vertreten“. Durch die Corona-Pandemie seien mündliche Anhörungen immer wieder verschoben worden. Wann wieder Bewegung in den Prozess kommt, können weder Fehrmann noch Jonas beurteilen. Das Gericht arbeite Fall für Fall ob.
Sollte das Gericht ein Urteil fällen, das im Sinne des Kreises ist, wird die Umstellung dennoch wohl mindestens ein Jahr dauern. Es müssen Sendemasten aufgestellt oder zumindest Sender an bestehenden Masten ausgetauscht werden. Zudem müssen mehr als 3300 Melder bei den Feuerwehrleuten ausgetauscht werden. „Wir brauchen eine neue Netzinfrastruktur“, sagt Fehrmann.
Damit der Kreis weiß, wo künftig idealerweise Sendemasten stehen, hat er einen Spezialisten beauftragt. Allein die Ausschreibung für das Fachplanerbüro, das unter anderem für den Kreis eine Ausleuchtungsprognose erstellt hat, um mögliche Funklöcher zu lokalisieren, hat laut Kreisbrandmeister neun Monate in Anspruch genommen. Mithilfe der Prognose kann der Kreis nun genau sehen, wo Sendemasten stehen müssen und wo nicht. Das sei allein schon wegen der Topographie in der Eifel wichtig gewesen, erklärt Jonas.
Groupalarm
SMS bei Alarmierung
Sobald ein Einsatz einläuft, löst bei den Feuerwehrleuten der Melder aus. Zusätzlich gibt es seit 2010 eine „begleitende Information“, wie es Fehrmann formuliert. Seit Beginn des Jahres erreicht diese Information app-basiert die Feuerwehrleute – über „Groupalarm“.
„Das ist ein deutliches Upgrade, weil wir beispielsweise die Route zum Einsatzort mitliefern können“, sagt Martin Fehrmann, Chef der Gefahrenabwehr im Kreis Euskirchen. Bis zum Jahreswechsel erhielten die Feuerwehrleute per SMS beispielsweise den Einsatzort und das Einsatzstichwort per SMS – auf 160 Zeichen begrenzt. Wichtig, so Fehrmann, sei die Unterscheidung zwischen Groupalarm und Piepser. Der Piepser sei die eigentliche Alarmierung, über das analoge System des Kreises. Die App „Groupalarm“ sei hingegen lediglich die Zusatzinformation. (tom)
Kritik der Einsatzkräfte
Zuletzt war Kritik unter den Feuerwehrleuten laut geworden, weil die App nicht so zuverlässig funktioniere wie die SMS. Diese Meinung teilen Fehrmann, Peter Jonas und Markus Neuburg, Chef der Leitstelle im Kreishaus, nicht. „Es gibt einen entscheidenden Unterschied bei den Systemen“, erklärt Neuburg: „Die SMS bleibt auf dem Server des jeweiligen Providers und wird zugestellt, sobald man ein Handynetz hat.
Für Groupalarm braucht man mobile Daten oder WLAN. Hat man eins davon nicht, wenn wir alarmieren, kommt die Info auf dem Smartphone nicht an, weil sie nicht auf einem Server gespeichert wird.“ So könne der Eindruck entstehen, dass die App nicht funktioniert hat. Zudem kann es bei Apple-Geräten passieren, dass der Alarm auf der Uhr aufläuft und nicht auf dem Handy. Ist das der Fall, bleibt das iPhone stumm. Der Grund sei, so Neuburg, dass Apple nur einen sogenannten kritischen Alarm versenden könne. (tom)
SMS weiterhin möglich
Die SMS-Funktion ist laut Neuburg weiterhin möglich. Dafür seien die Kommunen zuständig. Dort könne ganz individuell eingestellt werden, wer neben Groupalarm auch eine SMS mit den Begleitinformationen erhalten möchte. Gerade im Südkreis werde das gerne genutzt. Die Kosten für die SMS trage – genau wie vor der App – die Kommune, so Neuburg. (tom)
Bis eine Entscheidung gefallen ist, müssen sowohl die Kommunen als auch der Kreis in ein System investieren, das eigentlich schon längst nicht mehr am Netz sein sollte. „Das ist ärgerlich, aber unvermeidbar, weil wir sicherstellen müssen, dass die analoge Alarmierung funktioniert“, sagt Fehrmann. So ist der eigentlich erfreuliche Zuwachs an Ehrenamtlern für die Feuerwehren vor Ort ein Kostenfaktor. Der Grund: Es müssen analoge Melder bestellt werden, die eventuell in gut einem Jahr schon nicht mehr benötigt werden.
In der Flut bewährt
Das analoge Alarmierungssystem gibt es laut Fehrmann bereits seit Jahrzehnten. Für dieses System hat der Kreis Euskirchen die Netz-Hoheit. „Wir sind dabei auf keinen Mobilfunk-Provider, auf keinen dritten Betreiber angewiesen“, sagt Martin Fehrmann.
In all der Zeit habe das System einwandfrei funktioniert. Sogar in der Flut sei das der Fall gewesen, so der Chef der Gefahrenabwehr: „Die Alarmierung während der Flut war nicht eingeschränkt.“
Natürlich habe man auch mit dem Stromausfall zu kämpfen gehabt, aber man habe dieses Problem mit eigener Technik beheben können, ergänzt Kreisbrandmeister Jonas: „Wir haben uns damit beholfen, dass wir die drei, vier betroffenen Standorte an Stromaggregate angeschlossen haben. Die Kameraden sind dann rundgefahren und haben die Aggregate immer wieder betankt.“