Nachwuchs-SorgenSo steht es um die Bäckereien in der Eifel
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Von Dahlem bis Euskirchen: Viele Bäckereien in der Eifel plagen Nachwuchssorgen.
Wir haben uns umgeschaut, wo die Übergabe zur nächsten Generation geklappt hat oder wo Bäcker sich fragen müssen: Geht der Ofen für immer aus?
Dahlem/Sistig – Wenn der Bäcker im Ort für immer seinen Laden schließt, merken die Menschen, dass wieder ein Stück Tradition verschwunden ist. Auch unter den noch 50 selbst backenden Brot- und Backwarenhersteller in der Innung Düren-Euskirchen stehen einige aktuell vor der Frage: Finde ich jemanden, der die Backstube weiterführt? Oder mache ich den Ofen für immer aus?
Karen und Patrick Zimmer, 27 und 29 Jahre alt, strahlen um die Wette. Die Verkaufsleiterin im Bäckerhandwerk und der gelernte Bäckermeister stehen in der Backstube der in Sistig 1949 gegründeten heutigen Bäckerei Zimmer und wissen: Wir sind die vierte Generation! 1949 hatte Max Kopischke in Sistig die erste Dorfbäckerei gegründet, Kurt Zimmer, sein Schwiegersohn, folgte ihm 1961, dessen Sohn Siegwin Zimmer wiederum 1990. Und jetzt Siegwins Kinder: Die Betriebsnachfolge ist gesichert. Die Bäckerei Zimmer GbR wird vier Geschäftsführer haben: Die Eltern und ihre beiden Kinder.
Das ist längst nicht der Normalfall bei den noch 50 selbst backenden Bäckereien im Innungsbereich Düren-Euskirchen, deren Obermeister Siegwin Zimmer seit zehn Jahren ist. Auch wenn es zum Glück etwa „im Umkreis von 15 Kilometern von Sistig noch elf selbst backende Bäckereien gibt“, so der Innungsobermeister.
Doch wie sieht die Situation zum Beispiel in der Innenstadt von Euskirchen aus? „Da ist es nur noch einer!“ Uwe Günther, seit 30 Jahren Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Rureifel in Kreuzau, vertritt rund 1200 Betriebe in 26 Innungen. Überall sei die Frage „Wer macht weiter?“ seit Jahren ein Thema, so Günther. Bäcker, die auch Inhaber ihre Betriebes sind, suchen Nachfolger im familiären Umfeld, bei den von ihnen ausgebildeten Gesellen, bei Kollegen – „sonst wird es schwierig“, so Uwe Günther.
„Bei den selbst backenden Betrieben sind sogar zwei Drittel von einer Schließung bedroht, wenn sich kein Nachfolger oder eine Nachfolgerin findet“, präzisiert Siegwin Zimmer. „Ich habe ja schon als Kind in Sistig auf dem Fahrrad die Brötchen ausgefahren“, grinst Patrick Zimmer und erinnert an goldene Zeiten für den Kunden, als die Brötchentüte noch zum Frühstück vor der Haustüre lag. Er sei wie seine Schwester einfach in den Betrieb hineingewachsen.
Schwester Karen schätzt an ihrem Job als Fahrerin des Verkaufswagens in einem Umkreis von 15 Kilometern und Teamleiterin im Verkaufsgeschäft an der Blankenheimer Straße vor der Backstube den Kontakt zu den Kunden: Sie ist nah dran, kriegt viel mit.
„Man will gerne hier bleiben“
„Typisch für die Eifel: Man will gerne hier bleiben und hier Arbeit finden“, schmunzelt Vater Siegwin Zimmer. Für die Kunden ein Glück, dass nicht nur in Sistig die Betriebsnachfolge glatt gelaufen ist. So ist es oder wird es nach Angaben des Innungsobermeisters etwa auch bei den Familien geführten Bäckereien Friedrichs in Schleiden, Bell in Blankenheimerdorf, Habrich in Floisdorf oder Hess in Nettersheim sein.
Aber es gibt auch andere Beispiele: „Ein Dorf mit sagen wir 500 bis 700 Einwohnern kann heute kaum noch die Wirtschaftlichkeit eines Bäckers sichern“, so Siegwin Zimmer. Etwa in Freilingen, Golbach, Sötenich oder Reifferscheid sind die Backstuben schon länger geschlossen.
Im Bereich der Bäckerinnung Düren-Euskirchen hat sich die Zahl der selbst backenden Betriebe seit den 90er Jahren um 75 Prozent verkleinert. Von damals 95 sind 25 geblieben. Der Trend hält an. Denn die Kunden finden Brot, Brötchen und Kuchen auch in den Bäckereiverkaufsstellen der großen Verbrauchermärkte, wo Filialisten präsent sind.
Im Kreis Euskirchen gibt es Anbieter mit bis zu 16 Verkaufsstellen – aber nur einer Bäckerei, vielleicht im Industriegebiet. Solche Filialisten würden nicht auch in eine zum Verkauf stehende Bäckerei im Dorf gehen.
In Dahlem hatte Otmar Ströder, Inhaber der 1882 von seinem Urgroßvater Nikolaus Ströder gegründeten Bäckerei, Glück im Unglück. Er steht werktäglich ab kurz nach 3 Uhr in der Backstube – als Inhaber in der vierten Generation. Er ist wie Siegwin Zimmer 65 Jahre alt und will den Betrieb abgeben. „Doch unser Sohn Sebastian hat eine Roggenmehlallergie“, so Otmar Ströder. Eine Erkrankung, die für Bäcker die Berufsunfähigkeit bedeutet. Also musste der Vater nach einer Alternative suchen und fand sie bei seinem Neffen Jan Ströder (35), gleich doppelt ausgebildeter Bäckermeister nach der belgischen und der deutschen Handwerksordnung. Jan konnte dank seines im Schnitt Einser-Abis, das er vor der Gesellenzeit abschloss, sogar von einem Stipendium für die teure Meisterausbildung profitieren. Er wird ab Mai in fünfter Generation die Dahlemer Traditionsbäckerei weiterführen.
Die Dahlemer sind froh: Der Wechsel bei Ströders war sogar Thema im Zoch in diesem Jahr, als eine Clique Otmar Ströder und seiner Frau Angela einen kleinen Wagen und eine Fußgruppe in Bäckerkluft widmeten. Ströder Senior wird nun mit der Betriebsnachfolge aus dem elterlichen Wohnhaus über der Backstube ins Eigenheim in Dahlem ziehen. Der Wechsel in der Bäckerei wird so auch räumlich vollzogen.
Das sind Beispiele, wie die Betriebsnachfolgeproblematik gelöst wurde. Aber eigentlich ein Problem, das der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) nach einer Umfrage für 25 Prozent aller Betriebe in allen Innungen in Deutschland konstatieren muss.
Die frühen Arbeitszeiten schrecken Jan Ströder und Karen und Patrick Zimmer nicht ab: „Dann haben wir auch früher Feierabend“, lacht Jan Ströder. Und Patrick Zimmer sieht es sportlich: „Wenn man so richtig im Flow ist, macht die Arbeit ja nicht nur Spaß . Das ist auch gut für die Figur!“