Vom Mischbetrieb zum GetreidehofEifeler Mehl aus einer Hand
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Blankenheim-Freilingen – Eifelgetrei.de heißt die Marke, unter der die Jünglings aus ihrem ehemaligen Mischbetrieb bei Freilingen seit einem Jahr einen reinen Getreidehof gemacht haben. Sie bieten alles aus einer Hand – von der Aussaat bis zur Vermahlung zu Schrot und feinstem Vollkornmehl. Regionale, handwerkliche Bäcker und Dorfläden sind schon erste Kunden.
„Ob die noch hinter den Kühen ackern könnten?“ Schäng Jüngling, 86, schaut einen Moment skeptisch. Dann grinst er breit: War ja nicht so ernst gemeint. Was er viele Jahre können musste, müssen Sohn und Enkel auf dem Drei-Generationen-Hof nicht mehr. Der Technik sei Dank. Die Zeiten haben sich eben geändert, weiß Schäng Jüngling, wie man in der Eifel den Johann nennt. Eins bleibt aber wie immer: Der Boden muss auch hergeben, was man von ihm erwartet. Und man muss damit sein Einkommen erwirtschaften.
Zukunft sichern
So beginnt auch die Geschichte von Eifelgetrei.de, der Marke, die sich Jünglings Sohn Markus und Enkel Felix ausgedacht haben. „Wir haben uns damals aus mehreren Gründen entschieden, nur noch mit unserem Getreide und nur noch in Direktvermarktung zu arbeiten“, so Markus Jüngling. Mit Sohn Felix, der Maschinenbau an der Technischen Hochschule Köln mit Schwerpunkt Landtechnik studiert hat, war der gelernte Ackerbau-Meister zu dem Ergebnis gekommen: Anders hat der von Schäng Jüngling vor 50 Jahren aus Freilingen an den Ortsrand verlegte Hof womöglich keine Zukunft.
2019 – das war für Markus Jüngling, der 1986 den Hof als Mischbetrieb mit Ackerbau und vor allen Dingen Schweinemast übernommen hatte, eine Art Wendemarke. Die nächste Welle der Afrikanischen Schweinepest drohte, die Marktpreise gingen in den Keller. Die Fleischqualität, die Jünglings boten, fand nicht die nötigen Käuferzahlen. Billig produzierte Massenware schlägt Qualität. Und beim Getreide machen die Weltmarktbörsen auch den Ackerbauern in der Eifel schon lange das Leben schwer. Was an Preisen in Paris oder Chicago festgesetzt wird, ist vielleicht für Großbetriebe auskömmlich, für kleine Bauern wie die Jünglings aber kaum.
Die Technik
Precision-Farming-Lösungen nutzen Markus und Felix Jüngling seit Jahren, um möglichst effizient und umweltschonend zu ackern. Die satellitengesteuerte, kleinräumige Boden- und Pflanzen-Bestandsführung ermöglicht eine standortspezifische Anwendung. Das führt zu Einsparungen sowie einer ökologischen Entlastung durch gezielteren Einsatz der Betriebsmittel. „Die Bodenbeschaffenheit wird kartiert und bewertet, Maßnahmen gezielt daraus abgeleitet – effizienter geht es nicht“, so Felix Jüngling.
Der Trecker fährt zudem vollautomatisch seine Bahnen, Felix oder Markus Jüngling müssen nur im Führerhaus sitzen, weil die vollautomatische Fahrt in Deutschland noch nicht erlaubt ist. Tatsächlich könnten sie die Aussaat auch per Laptop oder Smartphone aus der guten Stube überwachen.
Um die Qualität der Ackerböden zu erhalten, von denen das gute Korn stammt, bauen Jünglings Zwischenfrüchte an, unter anderem zur Steigerung des Humusgehaltes. Jährlich wechselnde Kulturen auf den Feldern (Anbaudiversifizierung) verhindern Monokulturen. Die EU bezuschusst zudem zehn Prozent der Anbauflächen als Blühstreifen.
Für den Insektenschutz möchten sich die Jünglings darüber hinaus noch mehr engagieren. Sie bieten für jede weitere Parzelle zusätzlich Blühpatenschaften an. dieEiFELblueht.de heißt das Projekt auf dem Drei-Generationen-Hof. Auf der eigenen Internetseite wird dafür geworben, eine Patenschaft für einen solchen Schutzstreifen zur Förderung der Artenvielfalt zu übernehmen. (sli)
Was also mit 70 Hektar Ackerland des Jünglinghofs machen? Um ihren Betrieb zukunftsfähig zu machen, entschieden sich die Freilinger für den Anbau von Urgetreide. Und zwar in Direktvermarktung. Neben Weizen, Triticale, Raps und Braugerste werden seitdem auch die hochwertigen Urgetreidesorten wie Dinkel, Emmer und Einkorn angebaut. Dabei erwies sich die Suche nach zertifiziertem Saatgut für die alten Sorten als nicht gerade einfach. Erst in Norddeutschland habe man etwa das passende Einkorn-Saatgut gefunden, so Markus Jüngling.
Mehr Region geht kaum
Damit stand das Konzept. „Wir können Getreide vom Schrot bis zum mehrstufig gemahlenen Vollkornmehl anbieten“, so Markus Jüngling. Unter der geschützten Marke werden traditionelle Vollkornmehle aus Getreide und Urkorn aus eigenem Anbau vertrieben. Mehr regionale Qualität geht kaum.
Regionale Bäckereien sowie Dorfläden wie in die Lommersdorf, Frohngau oder Sistig haben die Qualität des Mehls von Jünglings schon entdeckt. Alteingesessene Kölner Bäckereien schätzen Eifelgetrei.de genauso wie Hobby-Bäcker, von denen es gerade in Corona-Zeiten immer mehr gibt. Alle mögen beim Mehl oder Schrot vom Jüngling-Hof, dass im mehrstufigen Mahlverfahren in Schale wie Keimling Ballaststoffe, Vitamine, Öle und Mineralstoffe erhalten bleiben.
Bäcker beziehen das Getreide im 25-Kilo-Sack. Für Endverbraucher gibt’s das Vollkornmehl im 2,5-Kilo-Papierbeutel oder Geschenkglas im Onlineshop oder im kleinen Dorfladen.
„Ich finde es gut, dass die das so machen. Ich war ja noch mit dem Saatkorb zu Fuß auf den Feldern unterwegs. GPS brauchte ich nicht. Was wo wachsen konnte, das hatte ich im Kopf“, grinst Schäng Jüngling. Ein bisschen will er schon klarmachen, dass es zwischen bewährtem traditionellen Wissen und der modernen Wissenschaft einen Unterschied gibt.