AboAbonnieren

„Wenn der Dreck wieder raus ist“Ein kleiner Trip durch Bad Münstereifels Einzelhandel

Lesezeit 6 Minuten

Ein Ladylike-Geschäft ist nun auch in der Werther Straße zu finden.

Bad Münstereifel – Das Silent Opening des City-Outlets war am 30. Juni. Bis dahin wurde in einem Wahnsinnstempo an der Wiederherstellung der Läden und der Infrastruktur gearbeitet. Doch danach standen die Münstereifeler nicht still. Viele Geschäfte, besonders die inhabergeführten, haben seitdem wieder geöffnet, wie ein Rundgang durch die Kurstadt beweist.

„Seit einem halben Jahr ist die Batterie in meiner Uhr leer. Ich musste immer ins andere Zimmer laufen, um zu gucken, wie spät es ist. Ich hätte natürlich auch nach Mechernich fahren können, um mir eine Batterie zu kaufen. Aber ich wollte das hier machen.“

Die Kundin von Dirk Kälble ist erleichtert: Seit Montag hat der Uhrmacher an der Orchheimer Straße wieder geöffnet. Und die Resonanz ist großartig. Dabei ist der Laden noch recht spartanisch eingerichtet. Das Verkaufsmobiliar kommt später. Nur ein paar Vitrinen stehen da. Aber auch Kälble fällt ein Stein vom Herzen – und er ist gerührt von der Treue seiner Kunden, die ihn während der vergangenen Monate unterstützt hatten.

Werkstatt in Nöthen

Er hatte während der Flut eine kleine Werkstatt in seinem Haus in Nöthen. Sein Geschäft, das er seit 26 Jahren betreibt, hat er währenddessen wieder aufgebaut. „Irgendwie musste es ja weitergehen“, sagte er.

Die Kunden sind ihm treu geblieben und verzichteten lieber auf den Batteriekauf bei der Konkurrenz: Uhrmacher Dirk Kälble.

So geht es vielen Inhabern in der Kurstadt. Natürlich dominiert in der Außendarstellung das City-Outlet. Aber das macht ja doch nur ein Drittel der Läden in der Kernstadt aus. Der Rest sind inhabergeführte Geschäfte oder gastronomische Betriebe. Ja, auch beim Outlet haben einige Geschäfte seit dem Silent-Opening Ende Juni wieder geöffnet: Sigikid, Wellensteyn, Möve, Garcia und Petrol Industries. Und mit Bugatti steht am 1. September das nächste auf der Liste.

Eis in der Pizzeria

Doch auch viele Nicht-Outlet-Geschäftsleute sind wieder da oder kurz vor der Wiedereröffnung. Und andere haben findige Ideen, wie etwa Massimo Caruso vom Ristorante Serena an der Werther Straße. Eine Wiedereröffnung plant er für Oktober/November. Bis dahin hat er seine Pizzeria zur Mini-Eisdiele umfunktioniert. „Es gibt im Moment ja keine in der Innenstadt“, erklärt er. Deshalb hat er einen guten Zulauf.

Wiedereröffnet ist der Lauin Barber Shop in der Marktstraße (l.). Ein Ladylike-Geschäft ist nun auch in der Werther Straße zu finden.

Am heutigen Donnerstag wird der Lauin Barber Shop in der Marktstraße wiedereröffnet. Barbier Edou Mahmoud unterbricht für ein Foto kurz die Renovierungsarbeiten und räumt auf. Schnell noch ein paar Kisten und ein Päckchen Dübel weggeräumt, schon ist er bereits fürs Bild. Dunkles Holz und Gold bieten einen farblichen Kontrast. „Ich bin noch nicht fertig. Die Diamanten fehlen noch“, sagt er. Seit 2019 ist er in der Kurstadt. Weitere Geschäfte hat er in Köln am Heu- und am Neumarkt. Seit mehr als 14 Jahre ist Mahmoud selbstständig und kümmert sich um Frisuren und Bärte von Männern. Und zu seinem Barbershop gehört eben auch ein wenig „Bling Bling“.

"Der Charme kommt wieder"

Wieder geöffnet hat seit dem Wochenende Koenigs Herrenmode an der Orchheimer Straße. Inhaber André Koenigs ist mit der Resonanz zufrieden. Sein Geschäft will er etwas moderner aufstellen. „Die Klassiker sterben aus“, erklärt er. Für Bad Münstereifel blickt er sehr positiv in die Zukunft. „Wenn der Dreck wieder raus ist, kommt auch der Charme wieder“, ist Koenigs überzeugt.

Das Damengeschäft nebenan ist schon seit Monaten am Start. Jetzt verkauft André Koenigs auch wieder Herrenmode.

Noch ist der Dreck aber da. An vielen Geschäften wird fleißig gearbeitet, an anderen eher weniger. Die Renovierung ist nicht immer einfach. „Sie dürfen an einem denkmalgeschützten Haus keinen Putz abschlagen“, unterbricht Oliver Zahn von der Unteren Denkmalbehörde der Stadt das Tun eines Arbeiters auf einem Gerüst. Der gibt sich unwissend. Er habe nur einen Auftrag erhalten, den führe er nun aus.

Barrierefreiheit überzeugt

Den Putz einfach wieder anzubringen, ist auf jeden Fall nicht möglich. Denn bis auf mindestens 2,50 Meter, eher drei Meter Höhe, sieht man aufs nackte Mauerwerk. Zahn, der Arbeiter und der hinzugerufene Chef diskutieren noch etwas länger.

Ein Passant aus dem Saarland, der, wie er sagt, ein regelmäßiger Gast in der Kurstadt ist, aber zuletzt vor zwei Jahren da war, erspäht den Reporter und nutzt die Chance, sich ihm mitzuteilen. Im vergangenen Jahr wollte er nicht kommen. Das hätte ihn wohl zu sehr belastet. Das neue Pflaster gefalle ihm nicht. Das alte habe mehr Charme gehabt, findet er. Aber das Stichwort Barrierefreiheit überzeugt ihn dann doch. Genau wie die Tatsache, dass die alten Steine noch am Rand liegen. Das alles habe er nicht gewusst, finde er aber gut.

Weniger Tempo? Stadt dementiert

Dennoch hat man das Gefühl, dass das Tempo, in dem von März, als der erste Pflasterstein verlegt wurde, bis zum Silent Opening gearbeitet wurde, nicht mehr eingehalten werden kann. Am Salzmarkt und vor dem St.-Michael-Gymnasium gibt es noch Lücken. Die Abdeckung auf der Erftmauer ist noch nicht drauf. Auch das eigentlich für Ende Juni zugesagte Geländer mit Hochwasserschutzelementen an der Werther Straße fehlt noch. Gerade im Bereich Markt, wo auch noch Pflasterarbeiten stattfinden, kann es da schnell mal eng werden, wenn nämlich mittags das „Michael“ Schulschluss hat und Hunderte Teenager durchs Nadelöhr müssen.

Das könnte Sie auch interessieren:

Die Stadt widerspricht aber: Es werde mit gleichem Elan und Tempo am Wiederaufbau gearbeitet. Allerdings sei es komplizierter geworden, weil Entenmarkt, Stumpfgasse und Markt durch Lage und Platzverhältnisse schwer mit Baufahrzeugen erreichbar seien. Auch die Koordination und Verkehrslenkung sei eine Herausforderung, besonders im Bereich Delle/Markt/Gymnasium. Das Geländer an der Werther Straße sei in Fertigung und werde in den nächsten Tagen montiert.

Plausch mit Olaf Scholz

Immerhin gut behütet ist man in Bad Münstereifel wieder. Und zwar an beiden Seiten der Kernstadt. Direkt am Orchheimer Tor hat seit dem großen Familienfest das „Haus der Hüte“ wieder auf. Seit 1929 existiert das Geschäft und wird nun in dritter Generation geführt. „Meine Großmutter hat es gegründet“, sagt Paul Pauli, der seit 2013 Inhaber ist. Bekannt geworden ist das Bild von Pauli mit Bundeskanzler Olaf Scholz, der beim Besuch in Bad Münstereifel einen kurzen Plausch mit dem Geschäftsmann hielt. „Er hat mir viel Glück und schnelle Unterstützung gewünscht“, so Pauli. Mehr als zwölf Monate war das Geschäft geschlossen. Das Wasser, das ja durch das Orchheimer Tor ganz in der Nähe geschossen war, als ob man eine Schleuse geöffnet hätte, stand etwa 1,70 Meter hoch in seinem Laden.

In dritter Generation leitet Paul Pauli das von seiner Großmutter gegründete „Haus der Hüte“ an der Orchheimer Straße.

Nahe des anderen Eingangs zur Stadt gibt es weitere Hüte. Dort ist Ladylike hingezogen mit dem Geschäft, das bisher neben „Nimm ess mit“ an der Orchheimer Straße war – und damit direkt gegenüber des zweiten Ladylike-Geschäfts. Wie zu vernehmen war, planen die Nordeifelwerkstätten als Betreiber des Gastronomiebetriebes die Eröffnung eines Cafés, der Durchbruch vom „Nimm ess mit“ zur Hausnummer drei ist schon erkennbar. Lutz Elsig und Norbert Hollender suchten deshalb ein neues Ladenlokal – und wurden nahe des Werther Tores fündig.

Die Eheleute waren gleich dreifach betroffen. Nicht nur ihre beiden Läden in Bad Münstereifel waren zerstört. Vier Monate vor der Flut hatten sie auch ein Geschäft in Bad Neuenahr eröffnet. Übergangsweise nutzten Elsig und Hollender einen Container auf dem Aldi-Parkplatz am Sittardweg. „Der wurde aber nicht angenommen“, so Hollender. Neben Kopfbedeckungen für Herren und Damen bieten sie Damenoberbekleidung an.