Leverkusen – Was der Kollege Dieter Köhler da behauptet hat, ist schlimm. Viel schlimmer ist aber, was Verkehrsminister Andreas Scheuer daraus gemacht hat: eine Grundsatzdiskussion vom Zaun gebrochen, ob Stickoxid und Feinstaub nicht weniger gefährlich sind als gedacht – und die Grenzwerte zu niedrig angesetzt.
Die Debatte um den Schaden, den Autoabgase hervorrufen, lässt weder den Mediziner und SPD-Bundestagsabgeordneten Karl Lauterbach noch einige profilierte Kollegen ruhen. Am Montag verschaffte sich neben Lauterbach und dem Rheindorfer Lungenarzt Norbert Mülleneisen auch der Kölner Kinderarzt Christian Döring Gehör. Mit freundlicher Unterstützung der Bürgerinitiativen, die unter dem Motto „Lev muss leben“ dafür kämpfen, dass die Autobahnen 1 und 3 im Zuge ihrer anstehenden Verbreiterung in Tunnels verschwinden – und zwar in möglichst langen.
Eine Hypothese – mehr nicht
Mülleneisen hob in Rheindorf hervor, dass der „geschätzte Kollege Köhler lediglich eine Hypothese aufgestellt hat“: Seine Behauptung, die sehr schädliche Wirkung von Stickoxid und Feinstaub auf die Gesundheit der Bevölkerung werde maßlos übertrieben, die errechneten Sterbezahlen beruhten auf einem „systematischen Fehler“, seien durch nichts untermauert.
Der streitbare Pneumologe könne keine Studie vorlegen, die seine These stützt. Dagegen gebe es 451 Studien über die Wirkung von Stickoxid-Verbindungen und Feinstaub, „die in die gleiche Richtung gehen“, sagte Mülleneisen: Die Substanzen schädigten die Gesundheit, vor allem von älteren Menschen und Kindern. Letztere litten sogar schon vor der Geburt: Bereits über die Nabelschnur nähmen sie vor allem Feinstaub auf.
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Welche Folgen das hat, beschrieb Kinderarzt Döring. Die kleinsten Staubpartikel sind die gefährlichsten: Sie ziehen durch die Lungenbläschen und haben viel mehr Oberfläche als die größeren Staubpartikel. Dazu kommt: Wegen ihrer Winzigkeit sind sie so leicht, dass sie kaum ins Gewicht fallen – Feinstaub wird aber gewogen.
Insofern ließen nachlassende Mengen nicht den Schluss zu, dass die Luft weniger belastet ist, sagte Döring – und das sagte auch Lauterbach. Erkennbar sei, dass die Menge kleinster Partikel zunehme. Ein Grund dafür ist, dass Automotoren immer höher verdichten. Was im Prinzip ein technischer Fortschritt ist, sei in Wahrheit ein großes Problem, das auch den Ottomotor betreffe. Die Idee, nur Diesel sauberer zum machen, indem man Katalysatoren einbaut, greife viel zu kurz, unterstrich Lauterbach: „Wir brauchen den Vierwege-Kat, auch für Benziner.“
Das Erbgut wird über Generationen geschädigt
Döring ist betroffen, weil vor allem Kinder leiden – und Schädigungen durch Staub das Erbgut beeinträchtigen. „Das geht also über Generationen“, ergänzte Mülleneisen. Die Folgen seien heute nicht abzuschätzen. Deshalb müsse man jede Chance ergreifen, die Feinstaub-Belastung zu senken. Was zwei Autobahn-Tunnel brächten, hat Lauterbach kalkuliert: zehn Mikrogramm pro Kubikmeter. Der Grenzwert liegt bei 25 – noch.