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Swisttaler Verein will rheinische Sprache rettenAlte Schule in Ollheim wird zum Treffpunkt für Mundartfreunde

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Die Mitglieder des Vereins "Lück für os Heemotsproch" im neuen Vereinsraum im ersten Stock von Ollheims Alter Schule. Am Tisch sitzen von links Schatzmeister Dieter Ramershoven, BM Petra Kalkbrenner, Vorsitzender Wilfried Hein, die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen Lisa Felden und Hanna Zimmermann sowie Geschäftsführer Karl-Heinz Peters.

Die Mitglieder des Vereins 'Lück für os Heemotsproch' im neuen Vereinsraum im ersten Stock von Ollheims Alter Schule. Am Tisch sitzen von links Schatzmeister Dieter Ramershoven, BM Petra Kalkbrenner, Vorsitzender Wilfried Hein, die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen Lisa Felden und Hanna Zimmermann sowie Geschäftsführer Karl-Heinz Peters.

Der Swisttaler Verein „Lück für os Heematsproch - Kultur.Sprache.Heimat“ will die rheinische Sprache retten und das Heimatgefühl stärken.

Als die Swisttalerin Annemie Freischem 1964 in einem Bonner Haushaltswarengeschäft ihre Lehre begann, sprach sie ausschließlich den in ihrem Heimatort Ollheim üblichen Dialekt. Das Rheinische sei in ihrer Jugend im Vorgebirge noch allgegenwärtig gewesen, erzählte die heute 73-Jährige im Gespräch mit der Rundschau. Eine Milchkanne war ganz selbstverständlich eine „Töet“, die Gabel wurde „Jaffel“ genannt und Schrank und Schublade wurden als „Schaaf“ und „Schoss“ bezeichnet.

Bei Kundengesprächen in der damaligen Bundeshauptstadt hätten sich dadurch jedoch Verständnisprobleme ergeben, sagt sie, denn die wenigsten hätten dort ihren Dialekt verstanden. „Da musste ich mit 14 Jahren in der Berufsschule Hochdeutsch lernen.“ Inzwischen ist jedoch auch auf dem Land die Anzahl der Mundartsprecher rapide zurückgegangen. Selbst Annemie Freischem unterhielt sich mit ihren Kindern nicht mehr in ihrem Heimatdialekt, ihrem neunjährigen Enkel hingegen bringt sie wieder gerne Mundart bei.

Wie viele andere ist sie davon überzeugt, dass das Wissen um die rheinische Sprache mit ihren Dialekten bewahrt und gesprochen werden soll. Darum ist die noch beruflich aktive Frau dem Verein „Lück für os Heemotsproch - Kultur. Sprache. Heimat“ beigetreten. Der Verein hat sich die Rettung der rheinischen Sprache und Kultur auf die Fahne geschrieben und wurde unter anderem auf Initiative des heutigen Vereinsvorsitzenden Wilfried Hein und zahlreicher Mitstreiter im vergangenen Jahr gegründet. Unterstützerin ist auch die Swisttaler Bürgermeisterin Petra Kalkbrenner.

Projekt „Haus für unsere Heimatsprache“ in der Alten Ollheimer Schule

Sitz des Vereins "Lück für os Heematsproch" ist die Alte Schule in Olleim. Im ersten Stock hat der Verein einen großen Raum gemietet, der gleichzeitig Treffpunkt, Besprechungsraum und Büro für die beiden Mitarbeiterinnen ist. Vor der Alten Schule stehen im Gespräch die zwei neuen Mitglieder Heiner Schmacher (links) und der Ollheimer Ortsvorsteher Paul Bison.

Sitz des Vereins 'Lück für os Heematsproch' ist die Alte Schule in Olleim. Im ersten Stock hat der Verein einen großen Raum gemietet, der gleichzeitig Treffpunkt, Besprechungsraum und Büro für die beiden Mitarbeiterinnen ist. Vor der Alten Schule stehen im Gespräch die zwei neuen Mitglieder Heiner Schmacher (links) und der Ollheimer Ortsvorsteher Paul Bison.

Offizieller Startschuss für die Aufnahme der Arbeit war jetzt die Vorstellung des Projekts „Haus für unsere Heimatsprache“ in der Alten Ollheimer Schule. In den nahezu fertig sanierten Räumlichkeiten im ersten Stock des historischen Gebäudes solle über Swisttal hinaus ein Treffpunkt für Mundartfreunde geschaffen werden, erklärte der Vereinsvorsitzende Wilfried Hein. Es gibt im Haus ein Archiv und im angemieteten Büro garantieren die zwei im September angestellten Mitarbeiterinnen Hanna Zimmermann und Lisa Felden eine professionelle Beratung. Die Wissenschaftlerinnen sind für die Dokumentation, Sicherung und Wissensweitergabe des Dialektes verantwortlich, sie werden Wortsammlungen anlegen und Kontakte herstellen.

Das Projekt sei zunächst auf zwei Jahre angelegt, „ob es eine Verlängerung gibt, wird sich zeigen“, führte Hein aus. Die finanzielle Unterstützung durch den Landschaftsverband Rheinland (LVR) in Höhe von 150.000 Euro decke 80 Prozent der Miete und der Personalkosten ab. Die Büromöbel seien eine Spende gewesen. Zur Deckung sämtlicher Unkosten müssten weitere 50.000 Euro „zusammengekratzt“ werden. Der Verein wolle über Swisttal und das Linksrheinische hinaus als Dachverband wirken, mundartlich Interessierte zusammenzubringen und vor allem zum Austausch in Mundart bewegen. „Sonst ist irgendwann keiner mehr da, der Rheinisch sprechen kann“, äußerte Hein seine berechtigten Befürchtungen.

Vor allem die Kinder sollten die rheinische Sprache „zumindest wieder verstehen“, auch wenn klar sei, dass sie keine Alltagssprache mehr werde. „Enkelkinder sollen wieder mit ihren Großeltern reden können“, bekräftigte Dieter Ramershoven, der Schatzmeister des Vereins ist. Mit verschiedenen Aktionen und themenbezogenen Publikationen wollen die Ehrenamtler das Sprachverständnis fördern. Geplant sei zunächst eine Zusammenarbeit mit den Karnevalsgesellschaften und Tanzvereinen, kündigte der zweite Vorsitzende Dirk Lüssem an. Der Nachwuchs sollte in Zukunft die Texte der Lieder verstehen, auf die getanzt werde. Ein solches Sprachverständnis sei nicht selbstverständlich, wusste Wilfried Hein und erzählte von seiner in einer Tanzgruppe aktiven Enkeltochter: „Mit sieben Jahren hat sie zu den Liedern getanzt, aber den Text nicht verstanden.“

„Stammtisch an der Theke“ in Swisttal

Der Verein "Lück für os Heemotsproch" um seinen Vorsitzenden Wilfried Hein (2.l.) und BM Petra Kalkbrenner (daneben in sonnengelbem Jacket) im neuen Vereinsraum im ersten Stock von Ollheims Alter Schule. Im Hintergrund die zwei wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen Hanna Zimmermann (links) und Lisa Felden an ihren Arbeitsplätzen.

Der Verein 'Lück für os Heemotsproch' um seinen Vorsitzenden Wilfried Hein (2.l.) und BM Petra Kalkbrenner (daneben in sonnengelbem Jacket) im neuen Vereinsraum im ersten Stock von Ollheims Alter Schule. Im Hintergrund die zwei wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen Hanna Zimmermann (links) und Lisa Felden an ihren Arbeitsplätzen.

Ergänzt wird der bunte Veranstaltungsreigen mit einem „Stammtisch an der Theke“ für die Erwachsenen, der an verschiedenen Orten in Swisttal mit interessanten Gästen und einem passenden rheinischen Essen stattfinden soll. Als ein Menübeispiel genannt wurde der als „Döppekooche“ bekannte Topfkuchen aus geriebenen Kartoffeln und Speck. Premiere ist am 24. November. Über das Konzept einer „kölschen Weihnacht“ werde noch nachgedacht. Eingerichtet werden soll auch eine Sprechstunde mit Mundartsprechern, um etwa über Redensarten aufzuklären, ergänzte Jörg Manhold vom Vorstand und fügte hinzu: „Menschen verbinden mit Sprache ihre Heimat und dieses Heimatgefühl soll unterstützt werden.“

Einmal im Jahr soll jemand geehrt werden, der sich besonders um die „Heemotsproch“ verdient gemacht habe. Dr. Charlotte Rein vom LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte freute sich, „mit engagierten Ehrenamtlern in einen Austausch getreten zu sein“. Vor zwei Jahren sei Wilfried Hein mit der Idee an den LVR mit Sitz in Bonn herangetreten. Daraufhin habe sie einen Projektantrag auf Förderung gestellt, so dass das Vorhaben „nicht nur auf ehrenamtliche Beine gestellt werden konnte“. Mit Swisttals Bürgermeisterin Petra Kalkbrenner war sich die Fachfrau einig, dass bei den Schulen Bereitschaft für eine Zusammenarbeit bestehe. Schließlich würden die Lehrpläne der weiterführenden Bildungseinrichtungen eine Beschäftigung mit der rheinischen Sprache vorgeben. Gebraucht würden dort dringend „Material und Leute zur Vermittlung der Sprache“.

Bürgermeisterin Kalkbrenner bezeichnete es als „fantastisch“, dass ein Verein mit Experten zur Rettung der rheinischen Sprache angetreten sei: „Hier ist etwas Einmaliges entstanden!“ Es sei richtig, dass der Sitz des Vereins nun eine Schule sei und dort die meist nur gesprochene und darum flüchtige rheinische Sprache mit ihren Dialekten aufgeschrieben würde. Die stellvertretende Landrätin Brigitte Donie überbrachte den Dank des Landrats Sebastian Schuster und sagte dem Dachverband die volle Unterstützung des Rhein-Sieg-Kreises zu. Gleichzeitig verwies die CDU-Kreistagsabgeordnete auf das Archiv in Siegburg, das den Mitarbeiterinnen zur Verfügung stehe. Donie gehört selber zu den „Lück für os Heematsprooch“ und äußerte sich „stolz auf die kleine Hochburg des Dialekts“ im Swisttaler Ortsteil Ollheim.


Das Büro des als gemeinnützig anerkannten Vereins in der Alten Schule in Ollheim, Kanalstraße 1, ist mittwochs und donnerstags zwischen 9.00 und 15.00 Uhr sowie freitags zwischen 9.00 und 14.00 Uhr geöffnet. Anschlüsse für Telefon und Internet werden gerade verlegt. Der Mitgliedsbeitrag für Einzelpersonen beträgt 11 Euro im Jahr. Vereine und sind mit 66 Euro dabei, Firmen zahlen 111 Euro.