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Wiederaufbau nach FlutMillionenschwerer Überlauf am Orbach soll Odendorf im Swisttal schützen

Lesezeit 6 Minuten
Neben Containern arbeiten drei Personen.

Für das Sozialamt sind neben dem Swisttaler Rathaus in Ludendorf neue Container aufgebaut worden. Elektriker sind noch bei der Arbeit.

Der Wiederaufbau der Gemeinde Swisttal nach der Flutkatastrophe 2021 macht Fortschritte. Einige Großmaßnahmen stehen aber noch aus.

Der Orbach soll vor Odendorf einen Überlauf bekommen. Eine sogenannte „Umflut“ soll bei Starkregen alles Wasser, das nicht in das innerörtliche Betonbett passt, östlich an Odendorf vorbeileiten. Entsprechende Ideen bespricht die Gemeinde Swisttal derzeit mit dem Erftverband, der für die Gewässer zuständig ist.

Noch ist unklar, wie ein solches Bauwerk aussehen müsste. Eine Umflut ist etwa als offener Kanal, als unterirdische Röhre oder als Feldweg mit Dämmen möglich. Die Swisttaler Bürgermeisterin, Petra Kalkbrenner, betonte. Es solle auf jeden Fall dem Nachbarort Oberdrees durch die Umflut kein Schaden entstehen.

Kalkbrenner berichtete am Donnerstagnachmittag im Rathaus an der Seite von Jörg Timmermann vom Planungsbüro Schumacher, dem Beauftragten für den Swisttaler Wiederaufbau, über den Stand der Dinge. 105 Projekte seien teils mit Datenblättern in Buchstärke für den Wiederaufbaufonds des Landes angemeldet worden.

Grundschule Heimerzheim zieht zurück

Alle Grundschüler sollen in Heimerzheim nach den Sommerferien aus der Gesamtschule ausziehen. Dann wird zwar vor allem das Erdgeschoss im Altbau der Grundschule Bachstraße noch nicht fertig sein, weil die Mauern wesentlich langsamer trocknen als erwartet, aber in der Bachstraße stehen, so der Beigeordnete Tobias Weingartz, Container für Unterricht oder Mensa zur Verfügung. Dabei komme es gelegen, dass die Neuanmeldungen keine zweite Eingangsklasse ergab.

Ein Differenzierungsraum soll vorübergehend zum Klassenraum werden. Auch bei Sanitär und Elektro muss nachgebessert werden, weil nicht einfach alte mit neuer Technik verbunden werden kann.

Generalunternehmer erneuert Dorfhäuser

Wie bei der Grundschule und einem Übergangswohnheim soll beim Wiederaufbau der Dorfhäuser von Essig (Neubau) und Miel (Sanierung) mit Erlaubnis der Bezirksregierung ein Generalunternehmer die Arbeit in die Hand bekommen. Ergebnislos gebliebene Ausschreibungen hatten zu dieser Ausnahmeregelung geführt.

Übergangs-Leichtbauhalle für die Feuerwehr Heimerzheim

Ende Juni soll die Feuerwehr in Heimerzheim wieder vom alten Standort ausrücken können. Die Übergangshalle ist im Bau, Fundamente dafür sind fertig. Eine verspätete Lieferung von Fertigwänden dehnte den Zeitplan aus.

Swisttaler Rathaus ohne Strom

Seit Anfang Mai stehen am Rathaus neue Container – das Interim als Ersatz für das von der Flut zerstörte Sozialamt. Die Elektroinstallation ist im Gange – und im Zeitplan.

Im eigentlichen Rathaus, wo der Keller geflutet war, fallen noch häufig Strom und Internet aus. Weil es keine Leitungspläne gibt, muss jedes Kabel gemessen werden.

Fließgewässer in Swisttal im Blick

Alle Fließgewässer der Gemeinde sind nach der Flut vermessen worden. Probleme, wie die Eichenpfahlgründung der Burg Morenhoven werden untersucht. Senken, aus denen Wasser nicht abfloss, und Schlammablagerungen werden untersucht.

Ein Büro aus Hannover hat den Auftrag erhalten, an zwei Orten in Heimerzheim und einem in Odendorf (Am Kottengrover Maar, Neukircher Weg und Kuchenheimer Weg) die „Außengebietszuflüsse“ zu untersuchen. Dabei geht es unter anderem um Fließhemmnisse wie Gartenmauern oder Hügel. Die Untersuchung soll genau aufzeigen, wo Wasser bei welchem Pegel herfließt, und aus welchem Kanal es wieder zu Vorschein kommt, wo sich also Deckel heben. Ein Hochboard könnte Wasser auf der Straße zurückhalten und so benachbarte Keller schützen.

Sport räumt am Orbach das Feld

Mit der Verlegung der Sportstätten aus der Orbachaue in Odendorf heraus steht auch der Abriss der Turnhalle an. Auf ihrem Fundament soll zunächst eine Leichtbauhalle als Interim errichtet werden. Sie wird vor allem für den Schulsport benötigt, soll aber auch Vereinen zur Verfügung gestellt werden. Planungsrecht für einen Neubau gibt es nicht; die Abstimmung mit den Vereinen steht auch noch aus. Das Datenblatt für das Interim hat bereits 80 Seiten, ist aber noch nicht fertig.

Besser steht es um die „DFB-Container“, zwei Containeranlagen mit Umkleiden für zwei Mannschaften, Schiedsrichterraum, Duschen und Lager. Die Baukörper sind im Bau, die Gemeinde muss aber die Aufstellflächen noch erschließen. Der Tiefbau für Odendorf ist ausgeschrieben, das Material kommt nächste Woche.

Sechs Wochen lang wird der Bau eines 110 Meter langen Kanals außerhalb der Bebauung an der Straße „In der Freiheit“ dauern. Gleichzeitig wird eine Fernwärmeleitung verlegt. Der zweite Container ist für die Gemeinschaftssportanlage in Buschhoven. Baugenehmigungen sind notwendig.

Zweite Notbaumaßnahme an Odendorfer Straßen

Für Odendorf steht die zweite Notbaumaßnahme an. Es geht um Straßen am Orbach, die keine alternative Anbindung haben. Darum arbeitet die Kreisverwaltung noch an einem Verkehrskonzept für die Bauarbeiten. Indes sind die Ingenieurleistungen für die Wiederherstellung der Gemeindestraßen vergeben. Rund 400 Schäden sind noch in diesem Jahr zu beseitigen, die als „kleiner“ eingestuft wurden. „Wer irgendwo eine deutliche Verschlechterung des Straßenzustands bemerkt, sollte uns das melden“, sagte Kalkbrenner.

Sanierung des Orbach-Bettes

Der Orbach muss umfangreich saniert werden. Darin sind sich Gemeinde und Erftverband bereits einig. Für die Betonwände der Bacheinfassung ist der Verband zuständig, für die Geländer die Gemeinde. Zunächst hatten die beiden untersucht, ob neben dem Bachbett noch Platz für Wasser zu schaffen wäre, doch das Ergebnis war ernüchternd. Die Bacheinfassung kann nicht erweitert werden und keinen zusätzlichen Schutz gegen Überflutung bieten.

So wurde die Idee einer „Umflut“ in Form eines Bypasses geboren. Dazu soll eine neue Wassertrasse östlich von Odendorf gefunden werden. Ob dazu Grundstücke erworben werden müssen, hängt laut Bürgermeisterin davon ab, ob nicht vielleicht sogar vorhandene Wege als Ablauf genutzt werden könnten. Tunnel, Kanal, Hohlweg – alles sei offen in dieser „technischen Neuüberlegung“. „Wir haben keine Alternative zu solch einem Schutzsystem. Oberhalb des Ortes wird auch schon an einer solchen Lösung gearbeitet“, sagte Kalkbrenner.

So ist auf Euskirchener Gebiet, für Schweinheim, jüngst das Vorhaben vorgestellt worden, eine Gasse in einen „Notwasserweg“ umzubauen. Allerdings wird am Ende dieser Ableitung alles Wasser wieder ein den Orbach eingeleitet und wird so in Odendorf ankommen.

Das wird uns Jahrzehnte in Atem halten. Wir reden von Millionen Euro.
Petra Kalkbrenner, Bürgermeisterin von Swisttal

„Wasseringenieure prüfen das bereits“, erklärte Kalkbrenner und sprach von einem Projekt mit einer Laufzeit von Jahrzehnten: „Das wird uns Jahrzehnte in Atem halten. Wir reden von Millionen Euro.“ Der derzeitig vom Land geförderte Wiederaufbau sei „eine große Chance für solch ein Projekt“, merkte Timmermann an. Die bisherigen Sportanlagen ermöglichten die Einrichtung von Retensionsflächen, also Raum, der bei Starkregen geflutet werden kann und den Abfluss von Wasser verzögert.

Gegenstand der Untersuchung sind Geschiebeflächen und Sedimentablagerungen, also das Material, was ein Gewässer so mit sich reißt und unterwegs liegen lässt. „Es gibt einen Höhenunterschied von acht Metern zu überbrücken.“ Und: „Die Untere Wasserbehörde will das auch“, merkte Kalkbrenner an. Dies habe sie schon früher mitgeteilt und nun auch noch einmal deutlich kundgetan.

Timmermann: „Das Bett des Orbachs muss auf jeden Fall ein 100-jähriges Hochwasserereignis fassen. Die Umflut ist dazu da, die darüber hinaus gehende Wassermenge abzuleiten.“ Nicht nur der Grunderwerb sei ein Problem, sondern auch, dass der Orbach in Odendorf die Bahntrasse von Bonn nach Euskirchen quert. Denn, die Bahn habe prinzipiell „Vorfahrt“.


Rechtsberatung für Ausschreibungsteilnehmer in Swisttal

Die Verbandsversammlung des Wasserversorgungsverbands Euskirchen-Swisttal befasst sich am Mittwoch, 14. Juni, ab 16.30 Uhr in der Aula der Gesamtschule Swisttal, Blütenweg 10 in Heimerzheim, mit einem Antrag auf „Wiedereinstau“ sowie mit dem Szenario eines möglichen Dammbruchs, wie er bei der Flut 2021 befürchtet worden war.

20 Ausschreibungen musste die Gemeinde Swisttal im Wiederaufbau schon wegen Formalien ignorieren, etwa weil der Umsatz von vor drei Jahren nicht gemeldet war. Zwei Workshops sollen auf www.swisttal.de am 15. Juni Ingenieure, Planer, Baufirmen und Handwerker schulen. Die Teilnahme ist kostenfrei. Referenten sind Jörg Timmermann und ein Rechtsanwalt.