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Sessions-Topwert an WeiberfastnachtAuf Tour mit der Brass-Band Druckluft

Lesezeit 4 Minuten

Die 13-köpfige Band mit Manager Ludwig (hinten, 2. v.l.).

Bonn/Königswinter-Oberpleis – Plötzlich bricht Jubel aus. In der letzten Reihe des Druckluft-Tourbusses ruft jemand „Modeste“ und klatscht in die Hände. Die Fußballfans in der Brass- und Performanceband schauen gebannt auf ein Smartphone und verfolgen so den Kick der Geißböcke gegen Sandhausen. Dann der Schlusspfiff. Der FC gewinnt das Spiel und kommt dem Aufstieg ein Stückchen näher. Das sorgt auch für perfekte Stimmung unter den Musikern.

Mit diesem Erfolgserlebnis im Rücken steuert die Truppe, die seit fünf Jahren erfolgreich im Karneval mitmischt, das erste Ziel an: eine Kostümsitzung in Sinzig. Das Festzelt ist nicht ganz einfach zu finden, doch Busfahrer Peter Jansen, der die 13-köpfige Formation seit vier Jahren fährt und als Chauffeur bereits das japanische Prinzenpaar ohne Probleme zum Ziel brachte, meistert auch diese Herausforderung. Der Auftritt wird zu einem Triumph, einem mustergültigen Start in den Elf-Stunden-Tag mit sieben Stationen. Die Jecken bejubeln die Musiker, deren Alter über 20, aber noch weit unter 30 Jahren liegt.

Vier Band-Techniker kümmern sich um den Klang

Kaum jemand sitzt während des 25-minütigen Gastspiels, die Mitklatsch- und Mitsingquote zu „Move It“, „Bella Ciao“, „Biene Maja“ und „Heidewitzka“ ist hoch. Szenenapplaus gibt es für die „Teufelsgeigerin“ Marie Heckmann, die etwa bei „Cotton Eye Joe“ im Mittelpunkt steht. Florian Schmitt, eigentlich Trompeter der Band, lässt sich unterdessen bei seinem „Insomnia“-Solo an der Röhrentrommel feiern. Zu den Rampensäuen zählt auch Trompeter Timm Adams, der sich von Manager Maximilian Ludwig durch die Menge tragen lässt. Für den einwandfreien Klang sorgen vier Band-Techniker. „Wir haben die schnellsten im Karneval“, sagt Gitarrist Sebastian Smolka stolz.

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Conférencier ist Posaunist Florian Hertel. Obwohl er erst 23 Jahre alt ist, wirkt der Student bereits wie ein alter Showhase, der die Zuschauer im Griff hat, egal ob Hunderte oder Tausende vor der Bühne stehen. Er ist auch musikalischer Leiter von Druckluft, stellt also die Medleys zusammen. „Jedes Jahr im Sommer geht es für uns für ein paar Tage nach Mallorca ins Trainingslager. Da entwickeln wir die Konzepte für unsere Auftritte. Derzeit fahren wir ganz gut damit, bekannten Liedern unsere eigene Note zu geben. Daher wollen wir auch erst einmal dabei bleiben“, sagt er.

Weiberfastnacht zehn Auftritte

Um die 160 Auftritte sind es in dieser Session. Gemeinsam mit einer Agentur konzipiert Manager Ludwig den Tourplan. An Weiberfastnacht spielt Druckluft zehnmal – Sessions-Topwert. Montags hat die Band in der Regel spielfrei und widmet sich in ihrer Heimat Bonn-Beuel den Proben. Erhard Rau, Instrumentallehrer am Kardinal-Frings-Gymnasium (KFG), sorgte für die Weiterentwicklung der einstigen Schülerband. Ludwig: „Bei einem Auftritt in Sankt Augustin-Hangelar wurde ein Zuschauer auf uns aufmerksam, der Kontakte in den Karneval hatte. So bekamen wir den Fuß dort hinein.“

Etwa zwei Drittel der Druckluft-Mitglieder haben einen „KFG-Hintergrund“. Viele sind Studenten, doch nicht alle haben einen musikalischen Weg eingeschlagen. Drummer Gregor Weiss etwa studiert Chemie, Ludwig ist angehender Eventmanager. Da die Karnevalszeit mitten in der Prüfungsphase liegt, haben die Musiker verschiedene Strategien, um parallel auch durchs Studium zu kommen. Einige verschieben Seminare ins Sommersemester, andere nehmen sich Tage in der Woche frei, um zu lernen und die Arbeiten zu stemmen. In diesem Fall kommen die Auswechselspieler zum Zuge, die zum erweiterten Druckluft-Kader gehören. Krankheitsbedingte Ausfälle gab es in der Session noch keine.

Troisdorf, Kölner Südstadion und Bad Münstereifel

Zweite Station der Samstagstour ist eine Herrensitzung in Troisdorf. Das Vorurteil, Musiker sorgen bei solchen Veranstaltungen bloß für den Soundtrack zum Trinken, widerlegt Druckluft hier eindrucksvoll. Die meist unverkleideten Männer stehen von der ersten Sekunde an und machen mit.

Druckluft live

Zwischen April und Oktober geht es für Druckluft auf „Brassta la Vista“-Tour durch das Rheinland. Statt 25 stehen die Musiker dann 90 Minuten auf der Bühne. Heimspiel wird das Konzert am Donnerstag, 2. Mai, im Haus der Springmaus in Bonn-Endenich. Ferner gehört das Ensemble unter anderem neben La Brass Banda, Kasalla und Cat Ballou zum Line-Up des ersten Sound-of-Heimat-Festivals auf dem Kunst!Rasen in Bonn am Samstag, 29. Juni. Karten für beide Veranstaltungen gibt es an allen bekannten Vorverkaufsstellen. (sli)

Dann führt der Weg nach Köln zum Kölschfest, eine der größten Veranstaltungen im Karneval, wo etwa 4.000 Jecken auf die Band warten. Die Mittelbühne im Zelt am Südstadion ist überhaupt keine Hürde für Druckluft. Wie selbstverständlich wechseln die Musiker die Plätze, so dass die Zuschauer sie von jeder Seite sehen können. Eine Sitzung in Hürth, die Aula des Schulzentrums Oberpleis und mit der Godesburg der stilvollste Auftrittsort des Tages folgen, ehe es zum Finale um kurz vor Mitternacht noch nach Bad Münstereifel geht. Überall die gleichen Bilder: kaum jemand bleibt sitzen, die Atmosphäre ist bestens. Auch die Sitzungspräsidenten sind außer sich: „Was für eine geile Band!“, ruft einer. „Jeder ist ein Star an seinem Instrument“, ein anderer.

Am frühen Sonntagmorgen fährt Jansen die Gruppe zurück nach Bonn. Im Bus laufen kölsche Karnevalshits, die einige Musiker laut mitsingen. Andere ziehen sich mit dem Kopfhörer zurück und entspannen beim Durchstöbern der sozialen Netzwerke. Ein bisschen Ruhe tut gut, schließlich geht es in neun Stunden schon weiter.