Rheinbach – Viele Fragen an die Bundestagskandidaten hatten die Oberstufenschüler des Erzbischöflichen St. Joseph-Gymnasiums in Rheinbach. Zweieinhalb Stunden lang mussten Kandidaten der im Bundestag vertretenen Parteien den interessierten Schülern Rede und Antwort stehen. Besonders viel Wert legten die Schüler auf die Themen Klimaschutz, Außenpolitik und Sozialpolitik.
Bereits seit mehreren Monaten beschäftigen sich die Schüler im Sozialwissenschaftsunterricht mit der Bundestagswahl, berichtete Lehrer Thomas Löffler. Dabei ging es nicht nur um die Programme, sondern auch ganz grundsätzlich darum wie der Bundestag und wie die Wahl funktioniert.
Schüler beweisen beim Fragestellen viel Wissen
Dass die Oberstufenschüler gut vorbereitet waren, zeigte sich auch in der Diskussion: Viele Fragen waren mit Fakten und Studien unterfüttert. In der Woche der Bundestagswahl wird die Schule außerdem eine Jugendwahl veranstalten, bei der alle Schüler ab der 6. Klasse ihre Stimme abgeben dürfen. Auch viele jüngere Schüler spürten gerade durch die Corona-Maßnahmen, wie sehr die Entscheidungen von Politikern ihr eigenes Leben betreffen, sagte Löffler. Der Klimaschutz sei für die meisten Schüler aber das zentrale Thema.
Dementsprechend räumten die Moderatoren, die Zwölftklässler Wyn Bachler und Amelie Schöndube, diesem Thema fast eine Dreiviertelstunde Zeit ein. Richard Ralfs von Bündnis 90/ Die Grünen betonte, es brauche einen früheren Kohleausstieg, einen massiven Ausbau erneuerbarer Energien und mehr öffentliche Verkehrsmittel. Es sei zwar auch in der Großen Koalition einiges passiert, aber das sei bei weitem nicht genug. Nicole Westig, die als Bundestagsabgeordnete der FDP pflegepolitische Sprecherin ihrer Partei ist, setzt auf neue Technologien und Innovationen beim Klimaschutz. Auch Norbert Röttgen, langjähriger Bundestagsabgeordneter der CDU, räumte ein, dass es mehr Maßnahmen zum Klimaschutz brauche. „Wir sind verdammt spät dran“, gab er zu und verwies dabei auch auf die Hochwasserkatastrophe in der Region. Der Klimawandel führe dazu, dass es auf Dauer mehr Naturkatastrophen dieser Art gebe.
AfD-Politiker relativiert Klimawandel-These
Heinz Schäfer, Vorsitzender der AfD-Kreistagsfraktion, der den Wahlkreisbewerber Roger Beckamp vertrat, räumte die Existenz eines menschengemachten Klimawandels zwar ein, sagte aber auch: „Hochwasserkatastrophen hat es immer schon gegeben.“ Allein den Klimawandel dafür verantwortlich zu machen, sei eine billige Ausrede, so Schäfer.
Die Schüler interessierte auch das Thema Verkehrswende. Eine Schülerin schilderte anschaulich, wie unzuverlässig die Busse in der Region oft fahren. Eine andere Schülerin warf den Parteien der Großen Koalition vor, den Kohleabbau mit mehreren Dutzend Milliarden im Jahr zu subventionieren und die Bahn dabei zu vernachlässigen. SPD, Grüne und die Linke stimmten den Schülern zu und forderten eine stärkere, unbürokratischere Subventionierung von öffentlichen Verkehrsmitteln. Durch den Ausbau des Schienenverkehrs müsse die Bahn zu einem ernstzunehmenden Konkurrenten zu Flugzeug und Auto werden, meinte Stoppenbrink. Andreas Danne (Die Linke) forderte gar den Nahverkehr kostenlos anzubieten.
Großes Interesse an Europa
Ein weiteres Thema, dem viel Zeit und Aufmerksamkeit geschenkt wurde, war die Europapolitik. SPD-Kandidatin Katja Stoppenbrink bezeichnete sich selbst als „glühende Europäerin“ und betonte ausführlich die wirtschaftlichen und politischen Vorteile, die die Europäische Union für Deutschland habe.
Eine engere Zusammenarbeit in Europa habe auch für junge Menschen viele Vorteile: So könnten sie ohne weiteres im europäischen Ausland studieren. Die Hochschullehrerin aus Königswinter erzählte begeistert davon, dass sie mehrere Jahre unter anderem in Frankreich und Luxemburg studiert und gearbeitet hat.
Nicole Westig (FDP) fügte hinzu, dass es auch für Auszubildende die Möglichkeit geben sollte, einen Teil ihrer Ausbildung im Ausland zu absolvieren. Die anwesenden Gymnasiasten interessierte auch die Zukunft der Europäischen Union. Europa sei für ihn eine Friedens- und Relevanzfrage, sagte Norbert Röttgen. Ein friedliches und international relevantes Europa müsse sich außenpolitisch als Einheit darstellen. Um die europäische Integration zu vertiefen, sieht er besonders auch Deutschland in der Verantwortung. Alle anderen Parteien außer der AfD schlossen sich Röttgen in diesem Punkt an.
Lage in Afghanistan berührt die Rheinbacher
In der Außenpolitik bewegten die Schüler auch die aktuellen Entwicklungen in Afghanistan. Für Andreas Danne war der Bundeswehreinsatz Teil eines „absurden Krieges, der so nie hätte stattfinden sollen“. Seine Partei stehe grundsätzlich für Frieden und Diplomatie. Deswegen habe die Linke der Mission in Afghanistan von vorneherein nicht zugestimmt.
Westig kritisierte heftig, dass die Linke auch dem Evakuierungseinsatz in Kabul vor einigen Wochen nicht zugestimmt hat. Dabei habe es sich um eine rein humanitäre Mission gehandelt, die die Evakuierung von Ortskräften abgesichert habe. Norbert Röttgen verteidigte den Einsatz: „Ob die NATO in Afghanistan war oder nicht, ist der Unterschied zwischen einem relativ freien Leben und Chaos und Bürgerkrieg.“ Er hält es für einen kapitalen Fehler des US-Präsidenten, sich jetzt aus Afghanistan zurückzuziehen.
Zum Abschluss durfte jeder Vertreter auf dem Podium in einem kurzen Statement erklären, warum die Menschen seine Partei wählen sollten. Heinz Schäfer begann damit, dass die Alternative für Deutschland dafür sorgen wolle, „dass wir wieder stolz auf unser Land sein können“.
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Für die CDU, so Norbert Röttgen, sollen sich die jungen Wähler entscheiden, weil sie als letzte wirkliche Volkspartei für Kompetenz stehe und so am besten die Herausforderungen der Zukunft angehen könne. Die Freien Demokraten stehen laut Nicole Westig für ein moderneres und digitaleres Land.
Katja Stoppenbrink nannte ihre SPD die Partei der Mitte, die sich für jeden im ganzen Land einsetze. Für die Grünen spreche, dass sie sich für Erneuerung und für eine soziale und ökologische Marktwirtschaft einsetzen, so Richard Ralfs. Wer die Linke wähle, der entscheide sich für die „Partei des Friedens und der sozialen Gerechtigkeit“, fasste Danne zusammen.
Alle Schüler hätten einen guten Überblick bekommen, wofür die Parteien jeweils stehen, bilanzierte Wyn Bachler nach der intensiven Diskussion.