Nach der FlutkatastropheStadt Rheinbach sucht Quartiere für Familien

Viele Familien im Rheinbacher Stadtgebiet – hier die Zerstörung in Loch – stehen vor ungewissen Wochen und Monaten.
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Rheinbach – Bürgermeister Ludger Banken (parteilos) will sich gemeinsam mit der Stadtverwaltung so schnell wie möglich um ein Problem kümmern, das nach seiner Ansicht immer dringlicher wird: Familien, deren Häuser bei der Starkregenkatastrophe in der Nacht zum 15. Juli in Mitleidenschaft gezogen wurden, benötigten eine warme und trockene Unterkunft für die kalte Jahreszeit. „Wir müssen das Thema unbedingt angehen und wissen, welche Marschrichtung wir einschlagen sollen“, bat er den Stadtrat um Zustimmung.
In vielen Häusern seien die Heizungen ausgefallen, die Feuchtigkeit lasse sich nicht so schnell aus den Wänden vertreiben, wusste Banken. Deshalb sei es zwingend notwendig, den betroffenen Familien für die schon bald beginnende kalte Jahreszeit eine vorübergehende Unterkunft zu verschaffen. Denn in ihren Häusern könnten die Betroffenen kaum bleiben, ohne gesundheitliche Probleme zu bekommen. Es dauere mindestens zwölf Monate, bis eine von Flutwasser betroffene Wohnung wieder bezogen werden könne, mitunter auch länger.
Abfrage in betroffenen Gebieten gestartet
Da bislang aber der Bedarf nach solchen Plätzen nicht bekannt sei, habe die Stadtverwaltung eine großangelegte Abfrage in den stark betroffenen Bereichen gestartet und dabei mehr als 4600 Haushalte in Rheinbach und den Ortschaften angeschrieben. 1187 Rückmeldung habe es gegeben, demnach seien 229 Familien stark betroffen. Bei 113 gebe es keine Heizung, 26 seien ohne Strom, und 60 Wohnungen seien über den Winter überhaupt nicht bewohnbar, berichtete Fachbereichsleiterin Daniela Hoffmann. Dadurch habe man eine nun ungefähre Vorstellung, wie groß das Problem sei. Zehn Familien seien bereits jetzt provisorisch untergebracht worden seien.
Leider sei es nicht ganz so einfach, geeignete Unterkünfte zu finden, zumal der Wohnungsmarkt rund um Rheinbach ohnehin äußerst angespannt sei, sagte Banken und griff einen Vorschlag von Vizebürgermeister Karl-Heinrich Kerstholt (SPD) auf. Er appellierte an alle Besitzer von freien Wohnungen und leerstehenden Häusern, etwa aus Erbengemeinschaften, sich so schnell wie möglich bei der Stadtverwaltung zu melden, am besten unter der E-Mail-Adresse ordnungsamt@stadt-rheinbach.de. Die Wohnungen würden nur für einen überschaubaren Zeitraum benötigt.
Bau-Fachbereichsleiterin Margit Thünker-Jansen sprach von einer „Rechnung mit drei Unbekannten“, denn sie hatte drei mögliche Lösungsoptionen und drei mögliche Standorte ermittelt. Container seien nicht sehr komfortabel und derzeit schwer zu bekommen, mobiler Wohnungsbau dauere zu lange und sei außerdem viel zu teuer, und so genannte „Tiny-Häuser“ sehr beengt. Letztlich müsse aber wohl das genommen werden, was rechtzeitig vor Wintereinbruch zur Verfügung stehe.
Ortsvorsteher weiter unter Druck
In der Auseinandersetzung um den Oberdreeser Ortsvorsteher und Ratsherrn Kurt Brozio hat die Rheinbacher CDU nach Auffassung von SPD und UWG mehrfach irreführende Informationen veröffentlicht.
In der Ratssitzung am Montag sei klargestellt worden, dass die Anordnung zur Evakuierung von Oberdrees und Niederdrees am Mittwoch, 14. Juli, spätabends erfolgt sei und nicht, wie von der Rheinbacher CDU öffentlich behauptet, erst am Sonntag 18. Juli. Damit steht für die Sozialdemokraten und die Wählergemeinschaft fest, dass der Ortsvorsteher durch seinen Aufenthalt in Oberdrees während der Zeit der Evakuierungsanordnung sich mindestens als schlechtes Vorbild gezeigt habe. SPD und UWG hatten Brozio aufgefordert, als Ortsvorsteher zurückzutreten. Sie halten daran auch weiterhin fest.
Nach Informationen, die UWG und SPD vorliegen „und der CDU-Fraktionsführung seit dem 21. Juli bekannt sind“, wie Martina Koch (SPD) gestern mitteilte, habe er sogar die Evakuierungsanordnung in Anwesenheit von Verwaltungsmitarbeitern offen in Frage gestellt und diese Maßnahme als unsinnig bezeichnet. Dies habe er später öffentlich bestätigt. Danach war Brozio der Auffassung, der Ort wäre von einem eventuellen Dammbruch der Steinbachtalsperre nicht betroffen, es habe also keine Gefahr für Oberdrees bestanden. SPD und UWG erklärten gestern: „Der Bürgermeister muss sich gerade in Krisensituationen auf die Unterstützung eines Ortsvorstehers uneingeschränkt verlassen können. Das war hier leider nicht der Fall.“ Da der Ehrenbeamte dem Disziplinarrecht unterliegt, steht jetzt die Frage im Raum, ob ein Disziplinarverfahren eingeleitet wird. (Bir)
Darüber hinaus gebe es auch drei mögliche Standorte für eine kleine Übergangssiedlung, in welcher Form auch immer. Neben dem Jugendwohnheim gebe es eine 9340 Quadratmeter große städtische Fläche, die ebenso infrage komme wie ein 8050 Quadratmeter großes Grundstück südlich des Monte Mare sowie ein Gelände in Wormersdorf, wo bis vor kurzem die Tennisanlage ihren Standort hatte. Letzteres bestehe aus drei Teileinheiten zwischen 6000 und 14 000 Quadratmetern. Doch an allen drei Standorten seien die konkrete Verfügbarkeit, das Baurecht und die Erschließung noch zu klären.
„Wir haben jedenfalls keine Zeit mehr, weiter zu warten“, stellt Banken klar. Die Frage sei nicht, ob man etwas tun müsse, sondern was und wie getan werden solle. Es müssten mindestens 20 vorübergehende Unterkunftsmöglichkeiten geschaffen werden, die schnell umzusetzen seien. Doch bislang sei völlig unklar, was wann zu bekommen sei. Die Stadtverwaltung führe mit mehreren Anbietern Verhandlungen. Nun wolle er wissen, ob der Stadtrat mit der eingeschlagenen Marschrichtung einverstanden sei. Wenn es dann etwas Konkretes zu entscheiden gebe, werde sich entweder der Rat oder ein zuständiger Ausschuss damit befassen.
Zur Not im Wohnwagen
Ihr Einverständnis signalisierten alle Fraktionen, eine Abstimmung gab es jedoch nicht, da Banken das Thema lediglich als Mitteilungsvorlage in der Ratssitzung eingebracht hatte. Ute Krupp (SPD) wies allerdings darauf hin, dass die vorgesehenen Flächen in Wormersdorf bei dem Starkregenereignis ganz besonders viel Wasser geführt hätten, das müsse bei der weiteren Planung berücksichtigt werden. Jürgen Lüdemann (SPD) schlug vor, Einzelpersonen und Ehepaare ohne Kinder auch vorübergehend in Hotels unterzubringen. Dieter Huth (UWG) konnte sich auch vorstellen, dass Wohnwagen geleast und als Winterquartier zur Verfügung gestellt würden. Aus eigener Erfahrung wisse er, dass das durchaus für eine Familie mit zwei Kindern für eine gewisse Zeit funktionieren könne.
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„Wir können ohnehin die frühere Wohnsituation nicht herstellen“, warnte er vor allzu großen Erwartungen. Dr. Georg Wilmers (SPD) fragte zudem, ob auch leerstehende Gewerberäume zumindest vorübergehend als Wohnungen genutzt werden könnten. Dies werde man in die Überlegungen mit einbeziehen, versprach Banken. (jst)