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Frauenfußball in der RegionAuch neben dem Platz ist der SV Rot-Weiß Merl eine Einheit

Lesezeit 7 Minuten
Zwei Spielerinnen des SV Rot-Weiß Merl machen eine Übung.

Dienstags ist in Merl Athletiktraining bei den Frauen vom SV Rot-Weiß.

Anlässlich der WM in Australien und Neuseeland beleuchtet die Rundschau in einer Serie verschiedene Frauenfußball-Teams der Region. Nun geht es zum SV Rot-Weiß Merl, die sich als Aufsteiger gut geschlagen haben.

Bälle spielen heute in Merl eine große Rolle. Nicht aber Fußbälle, was angesichts des Ortes naheliegend wäre. Stattdessen liegen Medizinbälle und Tennisbälle auf dem Fußballplatz bereit, denn: Dienstags ist immer Athletiktraining bei der 1. Frauenmannschaft des SV Rot-Weiß Merl. „Wir wollen am Dienstag den Fokus auf Kraft und Stabilisation legen“, erklärt Rafael Tomaszko, seit 2018 Trainer des SV Rot-Weiß Merl. „Ich habe die Mannschaft damals in der Bezirksliga übernommen. Von Jahr zu Jahr haben wir uns alle gesteigert - und jetzt sind wir in der Mittelrheinliga.“ Davor war Tomaszko in Leverkusen tätig. Er habe sowohl Mädchen als auch Jungs trainiert. „Es gibt definitiv Unterschiede, das ist ein anderes Gefühl. Bei den Mädchen und Frauen muss man etwas feinfühliger sein. Von der Leistung und dem Fußballerischen ist es aber gleich.“

Als Aufsteiger in der Mittelrheinliga

Der Trainer beim SV Rot-Weiß Merl, Rafael Tomaszko, im Vordergrund, im Hintergrund trainiert die Mannschaft.

Rafael Tomaszko ist seit 2018 Trainer beim SV Rot-Weiß Merl.

Letztes Jahr ist der SV Rot-Weiß Merl als Aufsteiger in die Mittelrheinliga gekommen. „Wir haben eine sehr gute Hinrunde gespielt, die Rückrunde war nicht so, wie wir uns sie gewünscht haben. Am Ende konnten wir aber auf einem sehr guten vierten Platz abschließen“, erzählt Tomaszko. Wer den Fußball kennt, wisse, dass die zweite Saison in einer neuen Liga immer die schwerste ist, so der Trainer: „Das Team ist zum größten Teil zusammengeblieben, wir versuchen die Mannschaft zu stabilisieren, dass wir wieder im guten Mittelfeldbereich landen können.“

Der SV Rot Weiß Merl verfüge über einen bereiten Kader, 23 Frauen gehören zu dem Team. „Die Spielerinnen sind zwischen 17 und 26 Jahren alt, also relativ jung“, sagt Tomaszko. Gut 70 Prozent kämen aus der Gegend, der Rest komme von weiter weg. Eine Spielerin komme sogar aus Kerpen, um in Merl Teil der Mannschaft zu sein.

„Die wissen, was sie zu tun haben“, sagt Trainer Tomaszko, als sein Team vom Einlaufen wiederkommt. Die Spielerinnen stellen sich ohne zu zögern für die nächste Übung auf. Es spiele sich einiges mit der Zeit ein, teilweise laufe das Training dann schon von alleine, erklärt Tomaszko. „Es ist eine sehr junge Mannschaft, die schon lange zusammenspielt und auch schon in der Jugend zusammengespielt hat“, das sieht er als einen Grund für den Erfolg.

Vom Verletzungspech geplagt

Spielerin Laura Forcella mit ihren Krücken.

Laura Forcella ist - wieder - verletzt. Trotzdem kommt sie zum Training, um ihr Team zu unterstützen.

Eine wichtige Rolle übernimmt Annika Mlinski, sowohl beim Training, als auch während der Spiele: „Seit fünf, sechs Jahren“ ist die Kapitänin der Mannschaft dabei. „Ich bin zum Studieren gekommen und geblieben“, erzählt sie schmunzelnd. Die 26-Jährige hat Betriebswirtschaftslehre ganz in der Nähe, in Rheinbach, studiert. Seit kurzem wohnt sie in Meckenheim und hat es somit nicht weit zum Training. Als Ziele für die Zukunft ihrer Mannschaft sehe sie zwei Aspekte: „Zum einen denke ich, dass wir fußballerisch noch mehr können. Wir hatten in der letzten Saison nicht die Kontinuität im Spiel. Ich freue mich darauf, wenn wir uns taktisch wie technisch steigern. Und - was ich jedes Jahr spannend finde - ist die menschliche Weiterentwicklung der Mannschaft“, so Mlinski.

„Die letzte Saison ist ganz entscheidend gewesen“, sagt Mlinski. Sie hätten in den Jahren davor nur Erfolg gehabt. „Dann hatten wir aber in der Rückrunde viel Verletzungspech. Was aber daran so schön zu sehen war: wie dieses Team zusammenhält. Und dass wir jede Spielerin auch wieder aufbauen wollten.“ Sie hätten diesen Zusammenhalt in schönen, aber eben auch in schweren Phasen erlebt: Das sei etwas Besonderes.

Das Verletzungspech bleibt auch aktuell nicht aus: Auf Krücken kommt Laura Forcella an diesem Dienstagabend in Meckenheim zum Training. Die 19-Jährige hat sich „wieder den Meniskus“ gerissen und wurde heute operiert. „Vor einem Jahr habe ich mir das Kreuzband und den Meniskus gerissen, dann war ich wieder aufgebaut, habe ein halbes Jahr gespielt und dann kam wieder eine Verletzung.“ Seit 2019 spielt sie in Merl, zunächst in der B-Jugend und seit zwei Jahren in der Damenmannschaft. „In zwei oder drei Monaten bin ich wieder auf dem Spielfeld“, sagt Forcella zuversichtlich. Sie kommt aus Bad Münstereifel und ist über eine Freundin auf den SV Rot-Weiß Merl aufmerksam geworden.

Ein Jahr lang war Laura Forcella nicht nur als Spielerin, sondern auch als Trainerin aktiv: Letztes Jahr habe sie die C-Jungend als Co-Trainerin begleitet. „Ich würde mir wünschen, dass Mädchenfußball in der Jugend noch mehr unterstützt wird, denn da fängt es an und hier kann man Talente zu echten Talenten machen“. Wegen des Beginns ihres Studiums hat sie ihr Engagement als Trainerin beendet - vorerst: „Mein großer Traum, wenn ich nicht mehr selbst spielen kann, ist es, Trainerin zu sein.“

„Ich nenne das immer meine zweite Familie hier“, sagt Forcella. Trotz ihrer Verletzung ist sie heute zum Training gekommen: „Die Mannschaft wächst nur mit jedem Training, und wenn du nicht dabei bist, dann bist du irgendwann raus. Außerdem möchte ich dem Team zeigen, dass ich sie unterstützte, weil sie mir auch Unterstützung zeigen.“ So könne sie etwas zurückgeben. Wie ist es gelaufen? Wie geht es dir? Wann bist du wieder fit? - Auch wenn Forcella an diesem Tag nur am Rand sitzen kann, ist sie ständig mit ihren Teamkolleginnen im Gespräch.

„Macht einen stolz“

Neben Rafael Tomaszko schaut an diesem Tag auch Stefanie Kolzem den Frauen bei ihren Übungen über die Schultern, gibt Anweisungen und Tipps. Sie ist seit 2015 Trainerin bei Merl. „Zuerst habe ich die B-Mädchen trainiert, und mit dem starken 2002er-Jahrgang bin ich dann zu den Damen mit hochgerückt.“ Mit der Jugendarbeit von damals hätten sie so das Fundament geschaffen und könnten jetzt die Lorbeeren bei den Damen ernten.

Bei den Frauen gehe viel über Freundschaft und Zusammenhalt: „Wir haben hier eine Mannschaft, die auch neben dem Platz eine Einheit ist.“ Das sei das, was sie so stark macht. Die Mädels an sich und die verschiedene Persönlichkeiten seien für Kolzem das, was ihr am meisten Freude bereitet: „Weil wir mit so jungen Spielerinnen arbeiten, ist es auch schön, die Entwicklung zu sehen. Wenn ich mir vorstelle, wie sie vor vier Jahren Fußball gespielt haben und wenn ich mir das jetzt anschauen: Das macht einen auch stolz.“

„Bei uns im Verein muss ich sagen: Chapeau an den Vorstand, die haben uns mittlerweile echt auf dem Schirm und tun viel für uns“, so Kolzem. Da sei die Entwicklung schon sehr gut. „Da, wo wir mit dem Standing hinwollen, sind wir aber noch nicht.“ Das seien allerdings auch gesellschaftliche Fragen.

Mehr Identifikation mit der Frauennationalmannschaft

So ein Wandel kann im Kleinen, aber auch im Großen stattfinden. Daher sei es Laura Forcella wichtig, die WM zu unterstützen.„Ich hatte jetzt eine Woche frei und Gelegenheit, mir Spiele anzuschauen“, erzählt sie. Mit der EM im Hinterkopf habe sie der deutschen Mannschaft sehr viel zugetraut. „Ich hoffe, dass sie sich jetzt fangen und wieder Gas geben.“ Umso bedauerlicher, dass die deutschen Damen gestern nach einem Unentschieden gegen Südkorea in der Vorrunde ausgeschieden sind.

„Ich bin großer Fan von Lena Oberdorf. Von der Biss-Stärke und von dem Willen finde ich sie stark, weil sie wirklich reingeht“, erklärt Forcella. Das würde auch ihrem eigenen Spiel ähneln. Auch Kapitänin Mlinski hat die WM bisher „so gut es geht“ verfolgt. „Da spiegelt sich dieses Menschliche wider, was ich auch bei uns sehe und hier wichtig ist.“ Mlinski ergänzt schmunzeld: „Und wenn Alex Popp nicht irgendwann mal eine Statue bekommt, dann weiß ich es auch nicht mehr.“ Mit den Frauen könne sie sich generell mehr identifizieren als mit Männerfußball, weil sie nahbarer und persönlicher seien.


Training des SV Rot-Weiß Merl

Dreimal in der Woche trainiert der SV Rot-Weiß Merl. Immer dienstags, mittwochs und freitags. Von 19.30 bis 21 Uhr rollt dann der Ball in Meckenheim. Trainiert wird immer, auch bei Regen.