Die Frauen-WM löst in Wachtberg keinen Hype aus. Trotzdem steht der geliebte Fußball bei den Damen des FC Pech im Mittelpunkt.
Kein WM-Fieber oder Star KultFußballerinnen aus Wachtberg lernen am Bildschirm von den DFB-Frauen
Die Fußballfrauen des FC Pech - die Jüngste ist 20, die Älteste 42 - spielen in der Bezirksliga. „Das höchste der Gefühle für so einen kleinen Dorfverein“, wie Trainer Joachim Jamann findet. Er hat die Frauen vor zehn Jahren übernommen, nachdem er 15 Jahre die Herren trainiert hatte. Und das ist praktisch ein Selbstläufer.
„Das Training unterscheidet sich nicht. Es ist Ball basiert. Ich kann den Fußball ja nicht neu erfinden.“ Einmal habe er den Frauen zehn Übungen zum Aufwärmen und Laufen gezeigt. „Seitdem machen sie die in den ersten 20 Minuten selbst. Eine übernimmt immer die Regie. Wenn ich bei den Herren nicht daneben gestanden hätte, hätten die einfach aufgehört.“
Damen spielen „einen gepflegten Ball“
Ja, es gibt schon deutliche Unterschiede zwischen einer Herren- und einer Damenmannschaft, und die beginnen schon bei der Pünktlichkeit.„Von den Herren kam immer jemand zehn oder mehr Minuten zu spät“, sagt der Trainer. Mit der Damenmannschaft war er schon in Mallorca, in Bulgarien und etlichen anderen Orten: „Die Herren haben in 15 Jahren nicht einen Ausflug organisiert bekommen. Die kriegen das einfach nicht auf die Kette.“
Seit zwei Jahren gehen die Damen im Karnevalszug mit. Die Herren seien sonst nirgends dabei. „Nach dem Training bauen die Damen mit ab und sammeln die Bälle ein. Die Herren überlassen das gerne dem Co-Trainer.“ Wenn montags Damen und Herren zeitversetzt trainieren, dürfen die Damen zuerst duschen. „Wenn die Zweite Mannschaft mittrainiert, dann haben die Herren am nächsten Tag alle Muskelkater. Die Frauen geben richtig Gas.“
Sie spielen „einen gepflegten Ball“, findet Jamann: „Die Herren gehen da körperlicher ran.“ Das heißt, sie drängeln sich durch, statt mit Technik zu glänzen.
Seine Tochter, Laura Schönenborn (28), ist zwar schwanger, macht aber beim Lauftraining mit.„ Mein Vater war schon immer Fußballer, meine Mutter hat die Frittenbude betrieben, also blieb mir als Mädchen gar nichts anderes übrig, als hier an den Wochenenden mit den Jungs zu kicken.“
„Die Wilden Kerle“ als Inspirationsquelle
In der Grundschule hat sie noch ab und an, wenn sie mitspielen wollte, zu hören bekommen: „Du bist ein Mädchen!“, aber dann hat sie es ihnen gezeigt: „Ich habe sie einfach ausgedribbelt. Das haben sie akzeptiert. Ab der E-Jugend habe ich dann in Merl gespielt, weil das hier der größte Verein ist.“ Nun ist sie wieder in Pech. Der Vater ist stolz. Nicht nur, weil auch die Tochter Schalke-Fan ist, wie er.
Laura Schönenborn spielt 10er. „Ich habe mit Libero angefangen und war da glücklich, weil ich nicht viel laufen musste. Aber der Trainer hat gesagt, ich sei zu Höherem berufen.“ Johanna Lange-Brandenburg (26) musste sich ebenfalls als Jugendliche gegen die Jungs erstmal behaupten.
„Bei mir hat sich das Talent erst im Sportunterricht gezeigt. So kam ich zum SV Wachtberg und habe dort bis zu dessen Auflösung gespielt. Inzwischen hatte sich die Mannschaft in Pech gebildet, und seitdem bin ich hier.“ Wenn sie sagt: „Ich kann alles außer laufen“, deckt sich das mit dem Urteil des Trainers: „Sie hat einen unglaublichen Torriecher. Sie bewegt sich nur zu wenig.“
Bei Friederike Demant (28) ist es - zu ihrem Bedauern - genau umgekehrt. Sie hat große Freude am Laufen und ein Gespür für den Raum, sodass sie meist genau richtig steht. Schonmal wichtig für eine Spielerin im offensiven Mittelfeld. Aber dann „fehlt es im Abschluss“. Es wurmt sie einfach, dass sie nicht mehr von den Torchancen verwertet bekommt, die ihr auf den Fuß fallen.
Fußball spielt sie, seit der Kindheit an. „Das muss passiert sein, als ich ‚Die Wilden Kerle‘ geguckt habe. Da war ich sechs Jahre alt“, überlegt sie. In dem Film verstärkt die Siegburger Schauspielerin Sarah Kim Gries als „Vanessa“ eine Jungenmannschaft, die sich gegen die „unbesiegbaren Sieger“ ihren Bolzplatz zurückerobern.
Kein WM-Fieber beim FC Pech
Demant hat wie im Film mit den Nachbarjungs gekickt und ist dann fußballerisch schon ab der U6 (also den Unter Sechsjährigen) ganz schön herumgekommen: Sie hat für Nievenheim (bei Neuss) gespielt, in Bremen und auch in Würzburg. Nur während des Abiturs hat sie eine Pause eingelegt, aber gleich im Studium wieder mit dem Fußballspielen angefangen.
Berufsbedingt ist sie nun in Bonn zu Hause, organisiert Veranstaltungen, und hat auch in der Bundesstadt in der Kreisliga gespielt, bis sie in Pech die Bezirksliga-Mannschaft entdeckte. „Damals war Pech auch am wenigsten weit für mich zu fahren. Und die Leute sind so nett!“
Der Erfolg der Deutschen Frauen Nationalmannschaft ist an ihr nicht vorbeigegangen. „Dass ich heute das EM-Shirt der Nationalmannschaft mit den zwei EM-Sternen trage, ist aber Zufall. Wir haben es hier vom Verein aus günstig bekommen. “
WM-Fieber oder Star-Kult? Fehlanzeige. Bei Johanna Lange-Brandenburg hing immerhin mal der Kölner Fußballer Lukas Podolski als Poster im Zimmer: „Aber nie eine Frau. Bei der Damenmannschaft fehlt irgendwie der gesellschaftliche Zusammenhalt, es gibt kein Public Viewing.“ Dann fragt sie in die Runde: „Guckst jemand die Weltmeisterschaft?“ Kaum Resonanz. Demant findet, es lässt sich „auch beim Zuschauen am Bildschirm von deren Technik der Nationalspielerinnen etwas lernen. Sie haben auf jeden Fall das Zeug dazu, Weltmeister zu werden“.
Spaß hat immer Vorrang
Irgendwie fehlt aber die richtige Stimmung. Zudem finden die Spiele am anderen Ende der Welt vormittags statt, und aus der Mannschaft haben außer zwei Studentinnen alle eine Arbeit, und die geht vor. Darum verpasst die Spielführerin am Mittwoch das Training. Sie hat eine Landwirtschaft und muss das Heu reinholen, weil Regen angesagt ist. Eine hat Rückenschmerzen, eine muss Antibiotikum nehmen. Vom Kader von 20 Frauen sind acht aktiv.
Ein bisschen Star-Gefühl vermittelt die Nationalmannschaft dennoch. „Wenn ich in Köln im Franz-Kremer-Stadion mit der Pommes in der Hand da stehe, und Svenja Huth auf dem Platz vorbeiläuft, kurz nachdem sie mit der Nationalmannschaft gewonnen hat, ist das schon ein besonderes Gefühl“, sagt Demant. Die Bewunderung der Spielerin aus Pech ist Huth gewiss: „Sie ist schnell, dribblingstark und schießt auch Tore.“ Nun kann sie sogar Weltmeisterin werden.
In Pech liegen die Ziele nicht ganz so hoch. „Klassenerhalt“, sagt Demant, und der Trainer erklärt: „Wir können bis auf die ersten Drei jeden schlagen, mit Pech aber auch gegen jeden verlieren.“ Spaß hat immer Vorrang: „Wir machen viel zusammen. Auch die dritte Halbzeit.“ Der Zusammenhalt ist so gut, dass einige Ex-Spielerinnen beim Training vorbeischauen.
Ulrike Meyer (37) ist als Betreuerin und „Mädchen für alles“ über die aktive Spielzeit hinaus geblieben. Sie hat erst mit 18 Jahren Fußball spielen dürfen. „Der Vater hatte mit Fußball nichts zu tun und es aus Angst, ich könnte mich verletzten, verboten.“ In Merl gründete sie damals die dritte Mannschaft mit, und als die sich auflöste, fand sie ihre Heimat in Pech. 2021 war ihr letztes aktives Jahr.
Von Pech nach London
Fast die Hälfte der Mannschaft kommt aus Wachtberg, die anderen pendeln ein. Eine Studentin sogar von der Sporthochschule in Köln, weil dort kein Spielerplatz zu finden war. Mit der Straßenbahn kommt sie von Köln zum Training. Mitspielerinnen holen sie in Alfter am Bahnsteig ab.
Mittwochs und montags ist Training. „Wer mitspielen will, muss nur vorbeikommen und mindestens 17 Jahre alt sein“, sagt der Trainer, denn mangels einer Mädchenmannschaft in Pech fehlt es an Nachwuchs. Das zusätzliche Lauftraining, das er freitags angesetzt hätte, hat sich die Mannschaft elegant erspart.
Der Co-Trainer hatte ihnen Pizza versprochen, wenn sie die Distanz von Pech nach London, 582 Kilometer, laufen. Bald gibt es obendrauf die Trikots, die eine Physiopraxis versprochen hat, wenn sie 1000 Kilometer schaffen. Jamann: „Es wurden 1087 in zwei Wochen.“
Zumindest eines ist beim FC Pech bei den Frauen genau wie bei den Männern. Die Bezahlung, über deren Unterschiede im Profifußball so vehement diskutiert wird. Jamann: „Bei uns bekommen beide dasselbe, nämlich nichts.“