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Zeichen des GlaubensWachtberger Restaurator erneuerte 100 Jahre altes Missionskreuz aus Pützchen

Lesezeit 5 Minuten
Restaurator Roland Gassert steht an seinem Arbeitsplatz, einem Schreibtisch, in seiner Werkstatt.

Der Wachtberger Restaurator Roland Gassert an seinem Arbeitsplatz in seiner Werkstatt, in der er das Kreuz aufgearbeitet hat.

Anhand von Objekten lässt sich Geschichte erzählen. Das tun vor allem Museen. Die Rundschau macht sich in einer Sommerserie auf die Suche nach — manchmal auch profanen — Dingen, die nicht immer aus einem Museum stammen müssen, um Signale aus der Vergangenheit zu senden. Diesmal: ein Missionskreuz aus Pützchen.

In diesem glaubensfernen Jahrzehnt können sich wahrscheinlich nur noch wenige Katholiken daran erinnern, dass es einmal Zeiten gab, in denen in vollen Kirchen Messen gelesen, mehrmals am Tag eine Stunde und länger gepredigt wurde und die Kanzelredner fast Starkult hatten. Volksmission hieß diese christliche Aktivität, deren Ziel es war, Pfarreien im Innern zu erneuern und bei den Gemeindemitgliedern das Feuer des Glaubens neu zu entfachen. Ein jetzt in Wachtberg restauriertes historisches Missionskreuz der Adelheidis-Wallfahrtskirche in Pützchen, außen aufgestellt an der Apsis des Gotteshauses, erinnert an eine solche Woche der intensiven Glaubensübung.

Volksmissionen bis in die 1980er-Jahre

Es wurde 1920 anlässlich einer Volksmission errichtet, die der damalige Ortspfarrer Heinrich Marten angeregt hatte. Er war 1918 in die seit 1906 selbstständige Pfarrei Pützchen gekommen und wirkte weit über seinen Sprengel hinaus. 1925 ließ er sich gar zum Vorsitzenden des Kirchbauvereins Holzlar wählen, der eine Kirche errichten wollte. Der Pastor von Pützchen spendierte dem Nachbardorf dafür als Grundstock 1000 Mark – auch weil ihm wohl daran gelegen war, in Holzlar keinen Religionsunterricht mehr halten zu müssen.

Solche Volksmissionen, wie Marten sie initiiert hatte, gab es bis in die 1980er-Jahre, und sie dauerten zwei Wochen. Sie wurden vorbereitet durch Andachten, und dann kamen ortsfremde, aber weit bekannte Prediger, oft Mitglieder des Redemptoristenordens. Sie wohnten im Pfarrhaus, nahmen die Beichte ab, teilten die Kommunion aus und luden zu ihren täglichen Predigten die unterschiedlichen Gruppen der Gemeinde ein, etwa den Mütterverein, die Kolpingfamilie, die Schützenbruderschaft oder die St. Georgs-Pfadfinder.

Zentrale Botschaften der katholischen Lehre wurden von der Kanzel aus erörtert, meistens leidenschaftlicher als es der Ortspastor tat, der seine Schäfchen kannte und wusste, dass er sie sonntags in der Messe nie länger als 45 Minuten aufhalten durfte, weil die Männer dann unruhig wurden und nach einem frischen Kölsch in der Dorfkneipe dürsteten und die Frauen zurück an den Herd mussten, um das Sonntagsessen zu kochen. Die Volksmissionare predigten für die einfachen Leute in einer einfachen Sprache, so wie es der Gründer der Redemptoristen, Alfons Maria de Liguori, gefordert hatte: „Predigt so, dass alle mitkommen. Das Brot des göttlichen Wortes muss man in kleine Stücke brechen, damit sich auch die Unwissenden daran sättigen.“

Bekannter Volksmissionar Jesuit Pater Johannes Leppich

Einer der bekanntesten Volksmissionare war in den 50er- und 60er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts der Jesuit Pater Johannes Leppich (1915-1992), der beim „Wort zum Sonntag“ im Fernsehen auftrat, vor allem aber auf Straßen und Plätzen vor Tausenden von Menschen sprach. Er wurde das „Maschinengewehr Gottes“ genannt, weil er beißende Gesellschaftskritik übte und vor allem gegen Kommunisten und Sozialisten wetterte. Jeder Liberale war für ihn ein „geistiger Fallschirmspringer aus dem Osten“.

Seine Anhänger liebten ihn für diese drastische Ausdrucksweise — selbst, als er 1957 die Bonner Bürger als „katholische Landesverräter“ beschimpfte oder als „Blindschleichen und verfettete Kirchgänger“, nur weil die Stadt für seine Kundgebung kein Parkverbot erlassen hatte, berichtete der „Spiegel“. Mit Schilderungen von Geschlechtskrankheiten und Drogenexzessen wollte er seine Anhänger zur Enthaltsamkeit verpflichten. Immer wieder schrie er bei Predigten: „Auch hier bei euch gibt es so ein paar sexuelle Wildschweine, ein paar Grauköpfe, die vor den Lehrmädchen im Betrieb am Montag die Schweinereien vom Sonntag erzählen.“ Die einen verehrten den Poltergeist, andere ermahnten ihn: „Pater Leppich, bleib' auf dem Teppich!“

Stifter des Kreuzes sind bekannt

Das historische Missionskreuz von Pützchen. Darauf ist Jesus am Kreuz hängend zu erkennen. (Foto: Wester)

Das historische Missionskreuz von Pützchen ist in Wachtberg restauriert worden.

Es ist nicht bekannt, welche Volksmissionare 1920 in Pützchen zu Gast waren, doch man weiß, wer nach diesen Wochen des Glaubens das Kreuz gestiftet hat: Eine lateinische Inschrift auf der Rückseite gibt Auskunft. Sie lautet übersetzt: „Dieses Kreuz einer Heiligen Mission der Pfarre von Pützchen stammt von Franz, Helena, Gertrud Weiland im Jahre des Herrn 1920“. Wer waren die Stifter? Willi Wester, 1. Brudermeister der St. Sebastianus-Schützenbruderschaft 1928 Pützchen, weiß es: Franz Weiland war Verwalter der landwirtschaftlichen Güter der „Irrenanstalt“ von Dr. Alfred Peipers (Heilanstalt Pützchen), die bis 1920 die Gebäude des an die Kirche angrenzenden früheren Karmeliterklosters nutzte. Weiland hatte fünf Geschwister, zwei sind als Stifterinnen genannt, Helena und Gertrud.

Wachtberger stellte ursprüngliche Farbgebung wieder her

Vor wenigen Wochen hat Restaurator Roland Gassert das Kreuz abgeholt und in seiner Werkstatt in Wachtberg aufgearbeitet. Die Substanz des 100 Jahre alten Bildstocks (Maße: Breite 145 Zentimeter, Höhe 304 Zentimeter, Tiefe 53 Zentimeter) hatte durch Witterungseinflüsse stark gelitten. Gassert dokumentierte genau, was er tat: Er entfernte mehrere Farbschichten und legte dabei die Originalfarbe frei: Der Sternenkranz um die Christusfigur und die Dachunterseite waren zartblau gemalt worden, die Sterne selbst golden.

Restaurator Roland Gassert sitzt an seinem Arbeitstisch, vor ihm ist eine Marienstatue, an der er derzeit arbeitet.

Derzeit arbeitet Roland Gassert an dieser Statue.

Diese ursprüngliche Farbgebung stellte der Wachtberger Handwerker wieder her. Die Christusfigur aus Lindenholz, an der links ein Zeh fehlte, könnte nach seinen Recherchen älter als 100 Jahre und für einen Innenraum bestimmt gewesen sein. Möglicherweise sei sie von Pfarrer Marten beigesteuert worden, vermutet Willi Wester. Die verrotteten 350 Dachschindeln über dem Kreuz ersetzte Restaurator Gassert durch Lärchenblätter, die er in Wachtberger Holzhandlungen und Sägewerken gefunden hatte, imprägnierte sie mit Holzöl und befestigte sie einzeln mit Edelstahlklammern an der Dachkonstruktion. Gassert brauchte rund 100 Arbeitsstunden für die Restaurierung.

Die Inschrift des Kreuzes („Rette deine Seele“) ist eine alte fromme Aufforderung zur Umkehr und stammt aus einem Segensspruch: „Der Herr behüte deinen Leib und rette deine Seele“, wie er möglicherweise bei der Glaubenswoche 1920 gesprochen wurde. 68 Jahre später, 1988, fand erneut eine zweiwöchige Volksmission in Pützchen statt, veranlasst vom damaligen Pfarrer Hans Ludwig Schumacher. Die beiden Geistlichen, die er mit der Durchführung beauftragt hatte, gehörten dem Redemptoristenorden an. Einer war Pater Willi Heck (1933-1920), der in Pützchen geboren wurde, später als Missionar nach Indonesien ging und seine letzten Lebensjahre als Seelsorger am Möhnesee verbracht hatte. Willi Wester: „An dieser Stelle schließt sich der Kreis um das Missionskreuz: Pater Willi war der Enkel einer der beiden Stifterinnen, nämlich von Helena Weiland“.