Anlässlich der WM in Australien und Neuseeland beleuchtet die Rundschau in einer Serie verschiedene Frauenfußball-Teams der Region. Diesmal geht es zum SSV Merten, die sich gerade auf die neue Saison als Aufsteiger in der Landesliga vorbereiten.
Serie: Frauenfußball in der RegionDie Harmonie stimmt beim SSV Merten
„Ich würde mich freuen, wenn ihr trotz des Deutschlandspiels am Sonntag zum Training kommt“, erklärt Sebastian Hans, seit wenigen Wochen Trainer der Damenmannschaft des SSV Merten. „Wir können doch erst zusammen das Spiel gucken und dann trainieren“, schlägt eine Spielerin vor, die Runde nickt zustimmend. Auch Trainer Hans scheint überzeugt: „Gut, das ist ein Plan. Ich will euch fit kriegen für die Meisterschaft.“
Zehn Frauen sind an diesem Tag oben auf dem idyllisch gelegenen Sportplatz des SSV Merten zum Training erschienen. Eine bleibt jedoch an der Außenlinie stehen. „Ich bin letzte Saison schon fast komplett ausgefallen wegen Verletzungen, gerade muss ich wieder pausieren. Hoffentlich aber nur zwei Wochen“, erklärt Lena Kessel. Die 23-Jährige aus Brühl kommt aber trotzdem zum Training. „Es ist schön, die anderen zu sehen. Oft machen wir auch danach noch was zusammen.“ Seit 2017 spielt sie für den SSV Merten. „Ich war hier beim Probetraining und es hat mir Spaß gemacht“, so Kessel.
Meisterschaft und Aufstieg
In der letzten Saison ist der SSV Merten Meister der Bezirksliga geworden - und spielt so in der nächsten Saison in der Landesliga. „Schon drei Spieltage vor Schluss standen wir als Meister fest, und das haben wir ordentlich gefeiert“, erzählt Kessel schmunzelnd. Ihr persönliches Ziel sei es, möglichst bald wieder zu spielen. „Und Spaß haben. Die Stimmung ist sehr gut“, ergänzt sie. „Das Ziel ist erstmal der Klassenerhalt“, fügt Wolfgang Zimmermann, Teammanager der Mannschaft, hinzu.
Das werde spannend, weil sie kaum Abgänge zu verzeichnen hätten und so im Grunde mit demselben Team weiterspielen. „Wir haben eine eingespielte Mannschaft, das ist ein Vorteil“, so Zimmermann und ergänzt lachend: „Aber wer Spaß am Spielen hat, kann sich gerne melden.“ Hier auf dem Platz in Bornheim-Merten hätten sie allerdings einen Standortnachteil. Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln sei der Platz nicht leicht zu erreichen. „Die meisten kommen daher aus der direkten Umgebung, also von Brühl bis Waldorf.“
Zimmermann ist in die Rolle als Manager der Mannschaft „eher so reingerutscht“, weil seine Tochter in dem Verein spielt. Seit sieben Jahren ist er nun in Merten. „Ich mache vor allem organisatorische Dinge und vertrete im Vorstand den Frauenfußball“, sagt Zimmermann. Lange habe er Jugendarbeit bei den Pfadfindern gemacht und selbst im Verein Fußball gespielt - das seien seine Qualifikationen. Ob es Unterschiede gebe bei Männer- und Frauenmannschaften im Verein? „Die Ansprache bei Frauen ist eine andere“, erklärt Zimmermann. Gerade in der Jugend sei der Umgang mit direkter Kritik für manche nicht so leicht gewesen, „mittlerweile geht das aber besser“.
Guter Umgang miteinander
„Ich habe gerade in der letzten Saison gemerkt, dass die Spielerinnen gut miteinander umgehen“, so Zimmermann. Das sei ein Vorteil. Zimmermann: „Im dritten Spiel mussten sie sich gegen Widdig 4 zu 0 geschlagen geben. Bei der Mannschaftsbesprechung haben sie dann gemeinsam festgelegt: Unser Ziel ist die Meisterschaft.“ Das habe das Team auch durchgezogen, dabei seien sie jedoch nicht verbissen vorgegangen, was den Manager beeindruckt hat.
Den guten Umgang miteinander spürt auch Trainer Hans, der erst kürzlich die Mannschaft des SSV Merten übernommen hat. „Sie ziehen gut mit, die Teamharmonie stimmt.“ Er könne sie zwar noch nicht richtig einschätzen, sehe aber den Zusammenhalt, der sich auch im Training widerspiegelt. Der Zusammenhalt und die gute Stimmung werden auch im Laufe des Trainings deutlich: Nach einigen Aufwärm- und Technikübungen steht ein Spiel an. Da an diesem Tag nicht so viele Frauen beim Training sind, spiel Trainer Hans mit - und kommt dabei ganz schön ins Schwitzen. Der Ton auf dem Platz ist dabei stets positiv, geradezu freundschaftlich: „Gut“, „super“, „den hast du“, tönt über den Kunstrasen.
„Wir kennen uns teilweise schon echt lange, es ist wirklich familiär hier“, sagt Mira Braun aus Walberberg. Sie 21-Jährige spielt im zentralen Mittelfeld und ist seit 2020 Teil des Teams. „Ich fände es cool, wenn wir die Klasse halten und uns weiterentwickeln könnten“, so Braun. Auf sie warteten in der neuen Saison Herausforderungen, die sich nochmal enger zusammenbringen könnten. Braun: „Eigentlich gucke ich gar keinen Fußball, aber Welt- und Europameisterschaften schon. Letztes Jahr habe ich die EM der Frauen angeschaut und möchte die WM auf jeden Fall auch verfolgen.“ Die Niederlage des deutschen Teams am Sonntag gegen Kolumbien wird ihre Begeisterung für den Frauenfußball sicher nicht schmälern.
„Überzeugender als die Männer“
„Das war ein überzeugender Auftritt der Deutschen Mannschaft beim ersten Spiel, besser als die Männer im Winter“, schmunzelt Lena Kessel. Sie selbst ist Fan des 1. FC Köln, früher war Lukas Podolski ihr Vorbild. Wer sie aktuell bei den Frauen überzeugt? „Jule Brand hat mir in der zweiten Halbzeit sehr gut gefallen.“
Auch Kessels Teamkollegin Alina Bienek hat das erste Spiel der Deutschen verfolgt, parallel zum Mobilen Arbeiten. „Aber Abends habe ich mir das Spiel nochmal in Ruhe angeschaut, ich kann mir dabei viel abgucken“, erklärt Bienek. Sie spielt seit dem Winter bei Merten, vorher war sie im Team von Frechen-Königsdorf. „Ich wollte nochmal höher spielen und da hat der Verein gut gepasst.“ Das entscheidende Kriterium für sie: Fußball spielen. Aber auch das gute Trainerteam und die Struktur hätten sie überzeugt. „Schon seit 20 Jahren spiele ich Fußball, auch durchgängig. Das war immer mein Ausgleich und meine Leidenschaft“, erklärt die heute 30-jährige Bienek.
Akzeptanz im Verein wichtig
In der Zeit, die Bienek bereits als Spielerin miterlebt hat, habe sich viel entwickelt. „Die Akzeptanz ist auch im Verein sehr wichtig. Also, dass der Mädchen- und Frauenfußball zum Verein dazugehören.“ Bienek vergleiche das mit dem Ballett: „Es ist doch nichts total Besonderes, wenn ein Junge gerne Ballett tanzt. Ich würde mir einfach mehr Normalität in der Zukunft wünschen.“ Aber sie sehe auch, dass das ein Prozess sei.
Für die Abwehrspielerin von SSV Merten war besonders die ehemalige Nationalspielerin, Weltmeisterin und mehrfache Weltfußballerin Birgid Prinz eine Vorreiterin: „Sie war immer selbstbewusst, aber auch eine Teamspielerin“, erklärt Bienek. Früher habe sie auch Prinz, Steffi Jones und andere spielen sehen.„ Von denen habe ich als kleines Mädchen Autogrammkarten bekommen“, schmunzelt sie: „Da war eine Nähe zu uns Mädchen, gar keine Abgehobenheit und viel Herzlichkeit von ihnen.“
Auch mit dem aktuellen Kader der deutschen Nationalmannschaft könne sich Bienek gut identifizieren: „Gerade Svenja Huth und Feli Rauch spielen schönen Fußball. Und Jule Brand strahlt viel Freude am Spiel aus.“
Kooperation mit Schulen geplant
„Wir möchten für Bornheim-Nord im Damen- und Mädchenfußball die Anlaufstelle werden“, erklärt Theo Riegel, Vorsitzender des Vereins. Zurzeit hätten sie in Merten bis auf die Damenmannschaft keine anderen Teams für Mädchen oder junge Frauen. „Wir brauchen Nachwuchs im eigenen Verein“, sagt Zimmermann. Dafür strebe der SSV eine Kooperation mit der Heinrich Böll-Gesamtschule an. „Über AGs an der Schule wollen wir die Mädchen an den Fußball und unseren Verein heranführen“, so Riegel. Außerdem könnten sich Mädchen aus den Jahrgängen 2010 bis 2012 melden, die ebenfalls Lust am Fußballspielen haben. „Nach den Sommerferien soll es losgehen, und wenn alles klappt, würden wir gerne mit einer Jugendmannschaft zur Rückrunde in den Spielbetrieb gehen“, sagt Riegel.
Trainingszeiten
Die Frauenfußballmannschaft des SSV Merten trainiert dienstags von 18.30 bis 20 Uhr, mittwochs von 19.30 bis 21 Uhr und freitags von 18.30 bis 20 Uhr. Der Ball rollt dann auf dem Platz des Vereins in Merten am Rüttersweg 175.