AboAbonnieren

Ernesto Harder tritt zurückFührungskrise in der Bonner SPD

Lesezeit 3 Minuten

Ich bin dann mal weg, aber doch nicht ganz: Ernesto Harder tritt als Parteivorsitzender ab, bleibt jedoch auf dem Stuhl des Fraktionschefs.

Bonn – „Vorsitz – vakant“ meldet die Internetseite der Bonner SPD seit gestern Mittag; am Dienstag lächelte dort noch Dr. Ernesto Harder, doch das Lachen ist ihm am Abend vergangen: In einer dramatischen parteiöffentlichen Sitzung des Unterbezirksvorstandes ist der 37-jährige Politikwissenschaftler und Berater zurückgetreten. Mit ihm warfen auch Kassierer Bodo Buhse, ein langjähriger Weggefährte Harders, und Schriftführer Martin Pfafferott die Brocken hin.

Harder, Vorsitzender seit sieben Jahren, zog damit die Konsequenzen aus seiner Wahlschlappe am vergangenen Samstag, als er in der Mitgliederversammlung bei der Nominierung des Oberbürgermeisters gegen den Überraschungskandidaten Peter Ruhenstroth-Bauer (58) verlor. Der Parteivorsitzende, der schon 2009 als OB-Bewerber antreten wollte, damals aber vielen Genossen als zu jung galt und dann Jürgen Nimptsch Platz machte, erhielt nur 40 Prozent der Stimmen.

In der Versammlung musste sich der 37-Jährige Vorwürfe wegen seines Wahlkampfmanagements während der letzten Kommunalwahlen anhören. Zwar gewannen die Sozialdemokraten den Chefposten im Rathaus, stellen mit Ulrich Kelber den direkt gewählten Bundestagsabgeordneten und mit Renate Hendricks und Bernhard („Felix“) von Grünberg zwei Landtagsabgeordnete, ebenfalls mit Direktmandat, doch bei der Ratswahl im Mai 2014 kam die SPD nur auf 23,4 Prozent und zog mit 20 Stadtverordneten in den Rat ein, in dem sie seit Jahren in der Opposition sitzt, während zunächst CDU und Grüne und nun diese beiden Parteien zusammen mit der FDP in einer Jamaika-Koalition die Politik bestimmen.

Ernesto Harder sagte gestern: „Zu sehr sind meine OB-Kandidatur und meine Arbeit als Unterbezirksvorsitzender miteinander verwoben worden.“ Für viele Mitglieder sei er nicht wählbar gewesen, weil er als Parteivorsitzender verantwortlich für die Wahlniederlagen sei. Auch Peter Ruhenstroth-Bauer soll zu den Kritikern gehört haben. Harder erklärte, er habe nach der verlorenen Wahl vom Mai einen „moderierten Prozess“ mit den Mitgliedern geführt, um nach der Ursache zu suchen. Welche war das? „Wir kamen als Nörgelpartei rüber, als Partei, die nicht auffällt“, lautete die Analyse des Politprofis, um dann anzufügen: „Ich übernehme die Verantwortung“.“

Er habe die Partei „mit Souveränität“ geführt, mit der gleichen Souveränität sei er auch zurückgetreten. Mit ihm wollten neben Buhse und Pfafferott weitere Vorstandsmitglieder gehen, sie konnten nach einer Sitzungsunterbrechung aber überzeugt werden, zu bleiben. Die stellvertretende Parteivorsitzende Gabi Mayer: „Wir haben eine Dreiviertelstunde im kleinen Kreis beraten und uns dann wie Parteisoldaten entschieden, weiterzumachen“. Wohl auch, um den OB-Wahlkampf vorzubereiten. Der Unterbezirksparteitag bestimmt am 18. April die Nachfolger für die Führungscrew.

Ganz Parteisoldat, bekundete der Ex-Vorsitzende seinem Konkurrenten Ruhenstroth-Bauer seine Solidarität im anstehenden Rennen um den Einzug ins Alte Rathaus. Seinen Posten als Chef der Ratsfraktion, den er sich mit Bärbel Richter teilt, will Harder nicht abgeben. Er möchte aus dieser Funktion heraus Wahlkampf für den OB-Kandidaten machen, an der Entwicklung der Stadtgesellschaft mitwirken und etwa die Fragen klären, wie es mit dem Haushalt und der Festspielhausplanung weitergeht. Harder sieht sich durch rund 500 „Mach weiter!“-Bekundungen“ seit Samstag auf seinem Handy dazu ermuntert.