Bonn/Königswinter – „Die Mama hätte mich nie alleine gelassen.“ Diese Gewissheit war das Einzige, was der damals 15-jährigen Tochter blieb, als ihre Mutter am 14. Februar 2008 spurlos aus ihrem Leben verschwand. Angeblich war die 40-Jährige nach einem Streit weggegangen, so hatte es der Vater erzählt. Sechs Jahre folgten für die Tochter und ihren Bruder mit Ungewissheit und Warten auf die Wahrheit.
Und die war fast noch schlimmer, wie die Tochter gestern als Zeugin einräumte: Der eigene Vater war es, der die Mutter im Streit erwürgt und im Keller in einem Betonsockel unterm Weinregal eingemauert hat, wie der angeklagte 52-Jährige gestanden hat. „Ein Schock“, unter dem beide Kinder bis heute stehen.
Beide, der 25-jährige Sohn und die 21-jährige Tochter, sind Nebenkläger im Bonner Totschlagsprozess gegen den Vater. Beide haben gestern als Zeugen ausgesagt.
Die 21-jährige Bürokauffrau hatte viel dafür getan, dass das Verbrechen aufgeklärt wurde. „Irgendetwas stimmte an der Geschichte nicht“, sagte sie gestern. Sie hatte bei RTL um Suchhilfe gebeten; auch war der Fall in der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY ungelöst“ vorgestellt worden. Ohne große Resonanz, die Mutter bleib verschwunden.
„Dass etwas Schlimmes passiert sein muss, daran habe ich oft gedacht. Aber auf die Idee, dass es der Vater sein könnte, allein diesen Gedanken zu denken war viel zu skandalierend!“ Nicht zuletzt auch, so die 21-Jährige, habe der Vater sie sogar bei der Suche nach der Wahrheit unterstützt und nie versucht, ihre Recherche oder die der Reporter zu behindern. „Ich glaube“, so die Tochter nachdenklich, „er wollte, dass ich es rauskriege.“
Die Wahrheit kam am 30. Oktober 2013 ans Licht, als die Kripo mit schwerem Gerät und Leichenspürhunden in dem Ittenbacher Haus erschien. „Mein Vater war von der Arbeit durch Beamte abgeholt worden“, erinnerte sich die 21-Jährige gestern. „Ich stand in der Küche und weinte. Als er mich sah, nahm er mich in den Arm, sagte nichts. Da war die Sache für mich klar.“ Anschließend führte der 52-jährige Gastronom die Kripobeamten in den Keller und zeigte ihnen freiwillig das Grab seiner Frau.
Wie das Verhältnis zum Vater heute sei, will der Vorsitzende Richter Josef Janßen wissen. „Ich weiß es nicht“, antwortete die 21-Jährige. „Zum einen ist er derjenige, der mir meine Mutter genommen hat, andererseits ist er mein Vater, der in den letzten Jahren alles getan hat, um mich zu unterstützen.“ Nach dem „Verschwinden“ der Mutter sei das Verhältnis zum Vater sogar sehr innig gewesen. Den seelischen Spagat beschreibt sie als ein Taumeln zwischen „Realität und Wahnsinn“.
Beide Kinder bestätigten gestern in ihren fairen, fast sachlichen Zeugenaussagen, dass die Mutter zu ihnen sehr fürsorgend und liebevoll gewesen sei, aber gegenüber ihrem Ehemann häufig voller Vorwürfe: Zu wenig Geld, zu viel Arbeit, zu wenig Zeit für die Familie. Auch habe sie hohe Ansprüche gehabt: „Es musste immer das Beste sein“, so der Sohn, „ob das Urlaubshotel, die Küche, die Wohnung, die Klamotten der Kinder. Manchmal hat sie es auch mit Vorwürfen übertrieben.“ Der Vater hingegen sei – trotz Schulden und großer Schwierigkeiten – immer freundlich geblieben, habe versucht, zu beschwichtigen. Streit sei er aus dem Wege gegangen; Gewalt zwischen den Eltern habe es nie gegeben.
„Er hat vor allem für die Kinder gelebt“, erzählte gestern eine 35-jährige Arbeitskollegin im Prozess, die ein halbes Jahr nach dem Verbrechen für kurze Zeit die „Frau an seiner Seite“ wurde.
Dass dieser Mann, „der so auf Harmonie bedacht ist und niemanden vor den Kopf stoßen kann“, zu so etwas in der Lage sei, könne sie bis heute nicht glauben. Die Zeugin gestern: „Das ist nicht er, das ist nicht sein Naturell, ich kann es nur als Kurzschluss sehen.“ Erst sein Geständnis jetzt im Prozess zwinge sie dazu, es zu glauben.