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Charles de Gaulle„Es lebe Bonn, es lebe Deutschland“

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Zigtausende Bonner kamen auf den   Marktplatz , um Charles de Gaulle zuzuhören.

Bonn – „Isch bin ein Börliener“, radebrechte US-Präsident John F. Kennedy im Juli 1963 vor dem Schöneberger Rathaus in Berlin auf Deutsch. Na und, neun Monate zuvor „outete“ sich Frankreichs Staatspräsident Charles de Gaulle als Bonner, als er zum Auftakt seiner sechstägigen „Tour de Charme“ durch die Bundesrepublik 35 000 Bonner zwischen Uni-Hauptgebäude und Markt-Obelisken schier in Verzückung brachte. Selten (eigentlich nie mehr) flogen einem ausländischen Staatsgast die Herzen der Bürger der damaligen Bundeshauptstadt dermaßen entgegen.

Der bereits 71-jährige Staatsmann hatte sich ganz bewusst ein Mammutprogramm aufgehalst, um die Versöhnung der beiden lange verfeindeten Völker auf den Weg zu bringen. Bereits das Bonn-Programm hatte es in sich. Der 4. September 1962 war mehr der „großen Politik“ gewidmet, der 5. September mehr den Bürgern. In der Innenstadt zwischen Hofgarten und dem Markt gab es schon am Morgen kein Durchkommen mehr. Gut 35 000 Bürger – jung und alt – mögen es gewesen sein, die auf Präsident Charles de Gaulle warteten. Auf den Dächern rund um den Markt standen Dutzende Polizisten in Zivil und in Uniform, die mit Schnellfeuergewehren ausgerüstet waren. Alarmstufe 1 war angesagt.

Zunächst weilte Charles de Gaulle im Palais Schaumburg zu Gesprächen mit Bundeskanzler Konrad Adenauer. Dann ging es mit der Staatskarosse in Richtung Innenstadt. Zur Überraschung aller bahnte sich Präsident de Gaulle zu Fuß den Weg durch die Menge vom Stockentor bis zur Rathaustreppe, neben ihm Bundeskanzler Adenauer. Plakate waren zu sehen, auf denen geschrieben stand „Vive de Gaulle“ oder „Wir fordern ein vereinigtes Europa, Europas Einheit und Freiheit.“

Im Gobelinsaal begrüßte zunächst Oberbürgermeister Wilhelm Daniels die französischen Gäste und stellte ihnen die Stadtverordneten vor. Dann trat Charles de Gaulle auf die Rathaustreppe vor die Bürger. Im Gegensatz zu US-Präsident Kennedy, der sich 1963 seinen „Berliner Satz“ zuvor auf einen gelben Zettel mit Betonungszeichen schreiben ließ, sprach de Gaulle in fehlerlosem Deutsch zu den Bonnern. Seine kurze, bewegende Rede ging in die Geschichte ein. „Wenn ich Sie so um mich herum versammelt sehe und ihre Kundgebungen höre, empfinde ich noch stärker als zuvor die Würdigung und das Vertrauen, die ich für Ihr großes Volk, ja! – für das große deutsche Volk hege.“ Stürmischer Beifall. „Sie können versichert sein, daß in ganz Frankreich, wo man beobachtet und verfolgt, was jetzt in Bonn geschieht, eine Welle der Freundschaft in den Geistern und Herzen aufsteigt und um sich greift. Es lebe Bonn, es lebe Deutschland, es lebe die deutsch-französische Freundschaft!“

In der Bonner Rundschau konnte man auch eine hübsche, irgendwie passende Anekdote beim Empfang im Alten Rathaus lesen. Im dichten Gedränge im Gobelinsaal drängte sich ein Mann vor die Fernsehkamera und geriet mittenmang in die Linse der Kamera. Energisch forderte Pressesprecher Paul Zurnieden den Herrn auf, zurückzutreten. Der Mann drehte sich um – es war Bundeskanzler Konrad Adenauer – und trat tatsächlich zurück, nicht vom Amt versteht sich. Zwischendurch fiel die Bemerkung Adenauers: „Die Leute vom Fernsehen haben mich jenug jeärgert, jetzt kann ich sie mal ärgern!“

Was erhielt Charles de Gaulle als Geschenk der Stadt Bonn? Beethovens neun Sinfonien auf Platte. Same procedure as every time. . .