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Ortsgespräch trifft Bürgerdialog in BornheimHitzige Diskussion um umstrittene Sammelunterkunft

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31. August 2023 Bornheim. Im Brauhaus Kaiserhalle war Bornheims Bürgermeister Christoph Becker (rechts) zu Gast beim Ortsgespräch von Ortsvorsteher Dominik Pinsdorf. Foto: Frank Engel-Strebel

Im Brauhaus Kaiserhalle war Bornheims Bürgermeister Christoph Becker (rechts) zu Gast beim Ortsgespräch von Ortsvorsteher Dominik Pinsdorf.

Bei dem Bürgerdialog mit Bornheims Bürgermeister Christoph Becker und Ortsvorsteher Dominik Pinsdorf wurde hitzig diskutiert: Unter anderem über die geplante Sammelunterkunft für Geflüchtete und über den Neubau des HallenFreizeitBades.

Möglicherweise ahnend, was kommen könnte, mahnte Bornheims Ortsvorsteher Dominik Pinsdorf zu Beginn des gut zweistündigen Ortsgespräches mit Bornheims Bürgermeister Christoph Becker (parteilos) im Brauhaus Kaiserhalle am Mittwochabend die zahlreich erschienen Gäste, die Diskussionen fair und sachlich zu führen. Das ging auch gut, bis es um die umstrittene geplante Sammelunterkunft für Geflüchtete am Hexenweg gegenüber der Lebenshilfe-Kita „Märchenwald“ ging.

Becker wiederholte noch einmal seine Entschuldigung, die er vor einer Woche während einer kurzfristig anberaumten Aktuellen Stunde im Rat abgegeben hatte. Er gab erneut zu, dass er den Bedarf nach Informationen und Gesprächen mit den Bürgern falsch eingeschätzt habe. Das werde sich ändern und Becker erklärte, dass es im Oktober eine zentrale Anliegerversammlung geben werde. Außerdem habe es bereits am Dienstagabend einen Elternabend in der Kita „Märchenwald“ mit Jugendamtsleiter Maruan Azrtak gegeben, wo über ein mögliches Schutzkonzept gesprochen wurde und Fragen zu dem erwarteten Baustellenverkehr erörtert worden waren.

„Belegungskonzept“ der Stadt für Sammelunterkunft

31. August 2023. Bornheim. Die geplante Flüchtlingsunterkunft am Hexenweg gegenüber der Lebenshilfe-Kita "Märchenwald" (orangefarbenes Gebäude rechts) sorgte für Diskussion beim Bornheimer Bürgerdialog. Foto: Frank Engel-Strebel

Die geplante Flüchtlingsunterkunft am Hexenweg gegenüber der Lebenshilfe-Kita 'Märchenwald' (orangefarbenes Gebäude rechts) sorgte für Diskussion beim Bornheimer Bürgerdialog.

Zudem erklärte Becker den Bürgern in der Kaiserhalle, dass das geplante Gebäude zwar für hundert Bewohner ausgelegt sei, aber nur mit maximal 88 belegt werden solle. Dabei habe die Stadt auch ein „Belegungskonzept“ erarbeitet. So sollen dort Geflüchtete „aus dem Bestand“, vor allem Kranke, Ältere, Alleinstehende oder unbegleitete Minderjährige leben: „Dort werden keine Menschen einziehen, die uns neu zugewiesen worden sind und die wir nicht kennen.“ Genau dies zweifelte aber ein Bornheimer an, wenn der Zustrom an Schutzsuchenden anhalte: „Irgendwann werden dort auch Syrer oder Afghanen hineinkommen. Wer garantiert uns, dass dann nichts passiert?“ Einige der Gäste am Bürgerdialog applaudierten spontan, andere zeigten sich sichtlich irritiert. Christoph Becker konterte: „Ihre Ansicht mit dieser Pauschalverurteilung teile ich nicht. Sie sagen, dass dort Leute hineinkommen, die unseren Frauen und Kindern Leid zufügen.“ Als Ortsvorsteher Pinsdorf versuchte, die Situation zu schlichten, riss der Redner ihm das Mikrofron aus der Hand und bezeichnete Pinsdorf als „Dummkopf“. Pinsdorf unterbrach die Sitzung und sprach als Gastgeber dem Bürger Hausverbot aus. Nachdem dieser nicht gehen wollte, drohte Pinsdorf damit, die Polizei zu rufen. Während der Unterbrechung konnte die Situation geklärt werden, der Anwohner habe sich laut Pinsdorf bei ihm entschuldigt und nahm weiterhin an der Veranstaltung teil.

Joachim Jung, seit 2016 Teamleiter Flüchtlingssozialarbeit, versuchte ebenfalls die Wogen zu glätten und erklärte, an den aufgebrachten Bürger gerichtet: „Derartiges, wovor Sie Sorge haben, kann ich glücklicherweise nicht teilen, sonst könnte ich meiner Arbeit nicht mit Leidenschaft nachgehen.“ So gebe es im Herseler Gewerbegebiet eine Unterkunft, in der vor allem junge Männer leben, sie sich neben der Lebenshilfe-Kita „Schatzkiste“ befindet, dort sei bislang nichts passiert.

„Ja, es gibt Ängste, Sorgen und Befürchtungen, aber wir wollen keine Personengruppe vorverurteilen, das entspricht nicht unserer Willkommenskultur“, meinte Maruan Azrak und erklärte, dass es keine Auffälligkeiten gebe, etwa bei der Kindeswohlgefährdung. Dies komme bei Familien mit Migrationshintergrund nicht häufiger vor als bei anderen vom Jugendamt betreuten Familien.

Diskussion um Neubau des HallenFreizeitBades

31. August 2023. Bornheim. Beim Bornheimer Bürgerdialog kamen auch die ungepflegten Außenanlagen im Bornheimer HallenFreizeitBad zur Sprache, über die sich viele Bürger ärgern. Foto: Frank Engel-Strebel

Beim Bornheimer Bürgerdialog kamen auch die ungepflegten Außenanlagen im Bornheimer HallenFreizeitBad zur Sprache, über die sich viele Bürger ärgern.

Für Diskussionen sorgte bei einigen Bürgern auch der geplante Neubau des HallenFreizeitBades und damit einhergehend die zur Diskussion stehende Schließung der Sauna. Becker verteidigte den Neubau des Bades, und sprach sich auch für den Erhalt des Freibades als Daseinsversorgung für eine Stadt wie Bornheim aus: „Sonst hätten wir in zehn Jahren keine ausreichenden Möglichkeiten mehr, dass Kinder schwimmen lernen können. Das wäre ein erheblicher Einschnitt für unser Sport- und Freizeitangebot, denn nicht jede Familie kann sich einen Urlaub leisten und manche sind froh, wenn sie ein Freibad vor der Haustür haben.“ Die Sauna hingegen sei nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben, da die Besucherzahlen kontinuierlich zurückgegangen seien: „Keiner freut sich, wenn einem etwas weggenommen wird, was er liebgewonnen hat, aber wir müssen sowieso schon jeden Euro dreimal umdrehen und haben eine enorme Bugwelle an Projekten vor uns.“ Eine Anwohnerin konterte: „Mich wundert es nicht, dass immer weniger kommen, die Sauna galt früher als Toptipp in der Region, doch sie verkommt immer mehr.“

Zur Sprache kam auch das gemeinsam mit NRW Urban von der Stadt entwickelte Neubaugebiet Kallenberg angrenzend an das Bornheimer Ortszentrum, wo es, so ein Anwohner, einfach nicht weiter gehe. Das Problem dort sei laut Becker ein Konflikt mit der Denkmalbehörde des Landschaftsverbands Rheinland (LVR) nachdem in dem besagtem Areal die Reste einer Villa rustica gefunden worden seien. Der LVR fordere dieses Bodendenkmal zu sichern, in dem dieses mit einer Kiesschicht überdeckt werde: „Wir sind da überhaupt nicht einer Auffassung mit dem LVR, die Kosten und die ökologischen Auswirkungen dieser Kiesschicht sind schierer Wahnsinn“, betonte Becker, „wir suchen derzeit nach einem Kompromiss.“

Unmut äußerten Anwohner der Reuterstraße, die als „Spielstraße“ ausgewiesen ist und derzeit von vielen Ortskundigen genutzt werde, um die Umleitungsempfehlungen wegen der Baumaßnahmen am Sechtemer Weg zu umgehen. „Die Autofahrer rasen da durch, und die Straßenschäden nehmen zu“, beschwerte sich ein Anwohner, der mehr Kontrollen durch die Polizei forderte. Guido Broich, Leiter des Tiefbauamtes, dazu: „Wir können das leider nicht unterbinden, das ist eine öffentliche Straße und die Polizei kann dies nur im Rahmen ihrer Möglichkeiten kontrollieren.“

NRW-Innenminister Herbert Reul zu Gast in Europaschule

„Der Bürgermeister ist heute mit seinem Format zu Gast in meinem Format“. Mit diesen Worten begrüßte Dominik Pinsdorf Christoph Becker in der Kaiserhalle. Gemeint war, dass Pinsdorf seit einigen Monaten prominente Gäste wie die Politiker Karl-Josef Laumann, Norbert Lammert oder zuletzt den Herseler Comedian Bernd Stelter zu seinen Ortsgesprächen einlädt. Becker hingegen sucht jeden Monat mit Vertretern der Verwaltung in einem der 14 Bornheimer Stadtteile im Rahmen seiner Bürgerdialog-Reihe das Gespräch mit den Bürgern.

Eingangs stellt Pinsdorf seinen Gästen immer Entweder-Oder-Fragen. So auch Christoph Becker und die Besucher erfuhren, dass er ein Optimist und kein Pessimist sei und eigentlich ein Langschäfer, aber meist nicht dazu komme. Zwischen Ville und Rheinebene wollte sich nicht Bornheims Stadtchef aber nicht festlegen: „Beide Regionen haben ihre Reize“.

Kommenden Montag, 4. September, hat Dominik Pinsdorf um 19 Uhr NRW-Innenminister Herbert Reul zu Gast, diesmal in der Europaschule. Das kommende Bürgergespräch Beckers findet am 21. September in Kardorf statt (fes)