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Portrait: Tim WieseMit Psychologie, aber ohne Sprüche

Lesezeit 3 Minuten

Kräftig durchpusten muss Bremens Tim Wiese: Im Finale gegen Leverkusen geht es um viel. (Bild: dpa)

BREMEN. Ja früher, da wäre er glatt zu Fuß nach Leverkusen gegangen. Dass er sich diese Strapazen ersparte, hatte einen einfachen Grund: seine Mutter Wilma Wiese. Sie packte den kleinen Tim ins Auto und fuhr mit ihm die mehr als 30 Kilometer lange Strecke aus dem beschaulichen Dürscheid unters Bayer-Kreuz und zurück. Beinahe täglich. Denn dort lernte Tim Wiese, ein kleiner Knirps damals im E-Jugend-Alter, das Ein-Mal-Eins des Fußballs, speziell das Fangen und Fausten des Balles.

Der Aufwand sollte sich lohnen für den Torwart. Inzwischen zählt er zu den besten seiner Zunft, zumindest in Deutschland. Und auch dank seiner unglaublichen Reflexe steht sein Club, der SV Werder Bremen, an diesem Samstag im Finale des DFB-Pokals (20 Uhr / ARD). Der Gegner, und da schließt sich der Kreis für den „Bergischen Jong“: sein ehemaliger Verein Bayer Leverkusen.

Kontakte habe er keine mehr nach Leverkusen, meint der 27-Jährige. Die bedeutsame Begegnung gegen die Werkself betrachtet er daher eher nüchtern. Die Chance, die missratendste Bundesliga-Saison Werders seit zehn Jahren zu einem versöhnlichen Abschluss zu bringen, will er greifen wie ein hohe Flanke. „Alles was vorher war“, sagt er, „zählt jetzt nicht mehr. Wir wollen das Ding holen.“

Wiese ist keiner, der sich lange mit der Vergangenheit beschäftigt. Er schaut nach vorne, setzt sich neue Ziele. Nur ganz selten verfängt er sich in störender Grübelei. Er murmelt: „Es wäre schon blöd, wenn wir nach dem verlorenen Uefa-Cup-Finale auch das zweite Endspiel verlieren würden.“ Mit Final-Niederlagen kennt er sich jedenfalls aus. Mit Kaiserslautern unterlag er im DFB-Pokal Bayern München 1:3. Das war 2003. Und Wiese patzte beim ersten Gegentor. Einen Gedanken daran verschwendet er nicht. „Ach, das ist schon so lange her.“ Abhaken, nach vorne blicken - so hält er es auch vor dem großen Auftritt in Berlin gegen die Bayer-Elf.

Gleichwohl sagt er: „Beide Mannschaften haben eine verkorkste Saison gespielt.“ Woran das liegt? Klar, seine Truppe sei schlecht reingekommen in die Hinrunde, die nur so vor sich „hinplätscherte“. Und als sich Anfang der Rückrunde abzeichnete, dass keine Besserung eintreten würde, „haben wir uns eben auf die beiden Pokal-Wettbewerbe konzentriert.“

So einfach ist das. „Ein offenes Match“ erwartet er denn auch gegen Bayer. „Die Chancen stehen 50 zu 50.“ Provozierende Sprüche wie im Vorfeld der Pokal-Halbfinalserie (im Uefa- und DFB-Pokal) gegen den Hamburger SV? Mitnichten. Der sonst mit einer mächtigen Portion Selbstbewusstsein ausgestattete Keeper schöpft seinen Mut aus der Erkenntnis, dass „wir schon ein paar gute Teams rausgehauen haben.“

Die Vorbereitung auf Berlin wird in normalen Bahnen verlaufen, nicht anders als bei einem Ligaspiel. „Wir“, sagt er, „lassen uns nicht verrückt machen.“ Und er erst recht nicht. Selbst ein mögliches Elfmeterschießen schürt nicht das große Nervenflattern. Gegen Hamburg stieg er so unlängst zum „Helden“ auf. Ohne Tricks und Zettel à la Lehmann („das ist doch Quatsch“), dafür mit dem Riecher für die richtige Ecke. Kein spezielles Training, dafür etwas Psychologie, meint er, hätten zum Erfolg geführt - welche genau, verrät er freilich nicht. Seine Freundin Grit, angehende Diplom-Psychologin, hat ihre Finger jedenfalls nicht im Spiel. „Ich glaube“, sagt Wiese, „ich bin auch so stark genug.“

Den Weg nach Hause, ins Bergische, findet er nach dem Finale nicht. Erst geht es in den Dubai-Urlaub mit seiner Grit und Töchterchen Alina. Danach steht der Ball in der Bundesliga wieder im Fokus. Zunächst einmal weiter bei Werder Bremen. Und irgendwann, möglicherweise, sogar in seiner Herzensstadt Köln. „Vielleicht“, sagt Tim Wiese, „spiele ich ja irgendwann mal beim 1. FC.“