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Nichts passt zusammen: Wolfsburg historisch schlecht

Lesezeit 3 Minuten

Wolfsburg – Am Ende hatte Niko Kovac noch einen dringenden Rat an die Spieler des VfL Wolfsburg: „Wir müssen wahrscheinlich wirklich das machen, was mein Bruder und ich gemacht haben”, sagte der neue Trainer des Volkswagen-Clubs.

„Verteidigen. Du oder ich. Und jeder muss sich am Ende fragen: Habe ich das persönliche Duell mit meinem Gegenspieler gewonnen oder nicht?”

Niko und Robert Kovac waren früher einmal beinharte und disziplinierte Defensivspieler bei Bayern München und Bayer Leverkusen. Aber ihre neue Mannschaft in Wolfsburg zeigt auch nach fünf Spielen in der Fußball-Bundesliga noch nichts von dem, was den beiden Brüdern auf der Trainerbank so wichtig ist. Statt des ersehnten ersten Saisonsiegs gab es an diesem Samstag ein besonders desolates 2:4 (1:3) gegen den 1. FC Köln. Und statt des erhofften Neuanfangs legte der VfL mit zwei Punkten aus fünf Spielen den schlechtesten Saisonstart seiner Bundesliga-Geschichte hin.

Der 50 Jahre alte Kovac war im Sommer angetreten, um die Wolfsburger wieder auf einen Europapokalplatz zu führen. Nach diesem Fehlstart aber sagte er bei Sky: „Wir müssen reflektieren: Sind wir so gut, wie wir denken oder müssen wir zusehen, dass wir da unten rauskommen? Wenn es so weiter geht, wird es mit Sicherheit schwieriger.”

Drei Mal haben die Wolfsburger Verantwortlichen Jörg Schmadtke und Marcel Schäfer in den vergangenen 14 Monaten den Trainer gewechselt: Von Oliver Glasner zu Mark van Bommel. Von Mark van Bommel zu Florian Kohfeldt. Und von Florian Kohfeldt zu Niko Kovac. Im Ergebnis passt im Moment überhaupt nichts mehr zusammen.

Der neue Trainer wünscht sich aggressiven, dynamischen Fußball. Aber die Zusammensetzung des Kaders passt offenbar nicht zu seinen Ideen. „Nicht dass ich ratlos bin. Aber ich glaube, dass wir viele Spielertypen haben, die von Haus aus den Kontakt nicht so suchen wie bei anderen Mannschaften”, sagte Kovac.

Keine feste Formation und Probleme ohne Ende in Wolfsburg

In der Konsequenz sucht er noch immer nach einer Idealformation, wechselt er Woche für Woche Personal und System. Diesmal entschied Kovac sich für eine Dreierabwehrkette sowie Max Kruse als zentralem Spieler hinter zwei Stürmern. Aber die Verunsicherung, die das offenbar auslöst, ist größer als der Nutzen.

Und die Mannschaft? Die alten Probleme - die fehlende Hierarchie, der fehlende Gemeinsinn, der fehlende Erfolgshunger - sitzen offensichtlich noch immer in der Kabine fest.

Denn gegen Köln beflügelte ein früher Führungstreffer durch Lukas Nmecha in der 2. Minute den VfL nur kurz. Danach demonstrierten die Kölner genau jene Ge- und Entschlossenheit, die den „Wölfen” so fehlt. Dejan Ljubicic (22.), ein Eigentor von Paulo Otavio (32.) und ein Foulelfmeter von Florian Kainz (45.+2) drehten die Partie noch vor der Pause. Und wer danach ein Aufbäumen erwartete, wurde enttäuscht. Der VfL spielte ohne Emotionen und Ideen. Nach dem zweiten Tor von Nmecha (79.) stand es bezeichnenderweise nur zwei Minuten später durch Sargis Adamyan (81.) schon wieder 2:4.

Pfiffe zur Pause

Zum Gesamtbild des Clubs gehört auch, dass die Wolfsburger Fans unter den 25.654 Zuschauern schon nach 45 Minuten lautstark pfiffen und sich das in der zweiten Halbzeit ständig wiederholte. „Wir wollen euch kämpfen sehen”: Das war der Soundtrack zu diesem Spiel.

„Wir müssen jetzt Ruhe bewahren, müssen arbeiten, denn die Kritik, die auf uns einprasselt, ist berechtigt”, sagte der Sportdirektor Marcel Schäfer. Auch nach zwei Monaten Arbeit unter Kovac, nach sechs Pflichtspielen inklusive DFB-Pokal und einer Transferperiode mit einigen Möglichkeiten zur personellen Korrektur wirkt der VfL noch immer wie ein Puzzle, bei dem die einzelnen Teile weitgehend zusammenhanglos nebeneinander liegen. „Mein Trainerteam und ich haben in der Vergangenheit schon häufiger gezeigt, dass wir es hinkriegen”, sagte Kovac. Aber bislang sein das „viel zu wenig”.

© dpa-infocom, dpa:220903-99-618779/4 (dpa)