SATZVEY – Die Erleichterung darüber, aus Libyen heraus zu sein, ist Stefan Plack deutlich anzumerken. Gleichzeitig schwingt in vielem, was er sagt, die Sorge um einige seiner Freunde, Bekannten und Kollegen mit, die noch nicht in Sicherheit sind. „Ich stehe im ständigen Kontakt mit der deutschen Botschaft“, berichtet der Leiter der Deutschen Schule in Tripolis.
Seit Mittwoch ist der Pädagoge mit Ehefrau Monika, Tochter Maike und Hund „Chicca“ wieder daheim in Satzvey. „Die zurückliegenden Tage werden wir wohl nie vergessen. Dafür waren die Erlebnisse einfach zu surreal“, sagt der Pädagoge.
Seit Sonntag überschlugen sich für ihn die Ereignisse. Da stürmten aufgebrachte Menschen gleich neben seinem Haus ein Lager für Baumaschinen, das chinesische Arbeiter zurückgelassen hatten. Nachdem Gaddafi von Söldnern auf sein Volk habe schießen lassen, sei die Stimmung umgeschlagen. „Es herrscht nur noch Chaos“, sagt Plack.
Von den bürgerkriegsähnlichen Zuständen bekam die Familie in ihrem Wohnort außerhalb von Tripolis weniger mit. „Vor allem nachts und im Zentrum wurde gekämpft“, so der frühere Ortsvorsteher von Satzvey. Dann berichtet er weiter: „Als in der Nähe des Hauses Schüsse fielen und Libyer die Mauer zu unserem Haus niederwalzten, stellten sich unsere Vermieter den Randalierern in den Weg.“ In diesem Moment sei ihm klar geworden, dass er das Land verlassen müsse, in dem er seit 2008 arbeitet. Dabei war er erst einen Tag zuvor von Satzvey in den nordafrikanischen Staat zurückgekehrt. „Ich habe die Lage vollkommen verkannt“, räumt Plack ein.
Trotz der regelmäßig stattfindenden Sicherheitstreffen mit Mitarbeitern der Botschaft habe ihn die Entwicklung überrascht. „Ich bin auch immer davon ausgegangen, dass Gaddafi jegliches Aufbegehren der Bevölkerung mit Gewalt im Keim ersticken und es deshalb niemals zu einem solchen Chaos kommen würde“, sagt Plack. Auch, als es zu den Volksaufständen in den Nachbarstaaten Ägypten und Tunesien gekommen sei, habe er mit so etwas in Libyen nicht gerechnet.
„Wir wussten, dass für den vergangenen Donnerstag Demonstrationen angekündigt waren und haben vorsichtshalber die Schule ausfallen lassen, da sie im Zentrum liegt und wir die Heimreise der Kinder nicht hätten gewährleisten können“, so der Leiter der Deutschen Schule, die 57 Schüler besuchen. Diese seien mittlerweile in Sicherheit. Auch neun der insgesamt elf Lehrer seien außer Landes. „Zwei Kolleginnen sind noch vor Ort. Sie sind mit Libyern verheiratet“, erklärt Plack.
Am Montag fuhr die dreiköpfige Familie mit Golden Retriever „Chicca“ zum kleinen Flughafen im Randbezirk von Tripolis. Einen Flug bekamen die Placks nicht mehr. Am nächsten Morgen fuhr die Familie erneut zum Flughafen, da man ihnen für diesen Tag drei Tickets zugesichert habe. „Mittlerweile versank die Innenstadt im Chaos und wir hatten keine andere Wahl, als irgendwie das Land zu verlassen“, so der Schulleiter.
Am Flughafen stellte die Familie fest, dass die deutsche Botschaft außerhalb des Terminals Zelte aufgebaut hatte, um alle Ausreisewilligen zu registrieren. Am Ende standen zwar knapp 200 Leute auf der Bordliste, aber einen Platz für die neunjährige „Chicca“ gab s an Bord nicht. Für Familie Plack stand aber fest, dass sie ohne ihren Vierbeiner das Land nicht verlassen wollte.
Plack kämpfte sich in die Abflughalle vor und sprach dort einen Piloten an, ob er noch Plätze in seiner Maschine frei habe. Der deutsche Pilot einer libyschen Fluglinie, die türkische Staatsbürger ausfliegen sollte, hatte tatsächlich noch drei Plätze frei. Und auch „Chicca“ konnte noch im Gepäckraum untergebracht werden. So flog die Familie nach Istanbul und von dort weiter nach Düsseldorf. „Wir sind im Flugzeug über Lautsprecher darüber informiert worden, dass es Chicca gut geht“, erzählt Plack erleichtert. Vom Stress der letzten Tage hat die Hundedame nicht viel mitbekommen. Und auch, dass derzeit das Telefon im Hause Plack nicht stillsteht, stört den Vierbeiner wenig.
„Heute ist ein Treffen geplant, in dem über die Sicherheitslage und die Zukunft gesprochen werden soll“, sagt der Pädagoge. Für ihn steht fest, dass er auf jeden Fall wieder nach Tripolis zurückkehren will, um dort den Schulbetrieb fortzusetzen.