Düsseldorf – Die SPD will im Falle eines Wahlsieges in Nordrhein-Westfalen eine Pflege-Offensive starten. Kernpunkte sind große Investitionsprogramme in die Krankenhauslandschaft und in bessere Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte. SPD-Spitzenkandidat Thomas Kutschaty präsentierte am Freitag in Düsseldorf ein Fünf-Punkte-Programm und stellte sich hinter die Forderungen der derzeit streikenden Beschäftigten der sechs Universitätskliniken nach einem „Tarifvertrag Entlastung” für bessere Arbeits- und Ausbildungsbedingungen.
Das Land müsse als Träger Verantwortung übernehmen - auch, „damit Ausbildung nicht zur Ausbeutung wird”, forderte Kutschaty. Die Landesregierung entgegnete in einer Mitteilung, sie sehe sich in guten Gesprächen mit den Gewerkschaftsvertretern, wolle sich aber nicht zu „Wasserständen” äußern.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) berichtete, in Berlin habe der Entlastungstarifvertrag bereits deutliche Wirkung gezeigt. Das könne er als Gesundheitsexperte und Wissenschaftler sagen - auch, wenn er als Minister nicht in die Tarifautonomie eingreifen und das Anliegen der Streikenden deswegen in dieser Funktion nicht offiziell unterstützen könne. Inzwischen gebe es dort viel mehr Bewerber als offene Pflegestellen.
Die Bundesregierung werde ein verbindliches „Personalbemessungsinstrument” einführen, um die Ressourcen an den Bedarf anzupassen. Das erforderliche Budget dafür werde zusätzlich zur Verfügung gestellt und nicht zulasten anderer Krankenhausmitarbeiter abgeknapst. „Ich glaube, dass wir wesentliche Verbesserungen für die Pflege in dieser Legislaturperiode beschließen werden”, sagte der Bundesgesundheitsminister. Auch die von der NRW-SPD geforderte Unterstützung für pflegende Angehörige sei auf dem Radar der Bundesregierung.
Was in der Praxis fehlt, schilderte der derzeit streikende Pfleger Albert Nowak von der Uniklinik Köln in eindringlichen Worten. Es komme vor, dass er auf der Intensivstation drei Patienten betreuen müsse, obwohl teilweise eine 1:1-Betreuung und manchmal auch zwei Pflegekräfte notwendig wären, berichtete der 24-Jährige.
Schließlich gehe es auf Intensivstationen immer um die Versorgung schwerstkranker Patienten: „Was tue ich zuerst? Eigentlich ist alles wichtig”. Dieses Dilemma sei emotional und körperlich hoch belastend. „Personalmangel im Krankenhaus ist nichts Abstraktes”, unterstrich Nowak. Es bedeute, dass Angehörige im Krankenhaus wegen der unzureichenden Bedingungen teilweise Leid erfahren müssten oder Menschen auch mal kränker aus der Klinik kämen als sie eingeliefert worden seien.
In NRW fehlen nach Angaben der SPD derzeit 24.000 Vollzeitpflegekräfte. Mit einer am Bedarf orientierten Personalbemessung, besserer Entlohnung, familienfreundlicheren Arbeitszeiten und mehr Aufstiegschancen durch Weiterbildung will die SPD eine große Pflege-Reserve heben, die wegen unzumutbarer Arbeitsbedingungen in den vergangenen Jahren in Teilzeit oder ganz aus dem Beruf geflüchtet war.
NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) betonte, die Landesregierung habe die Bekämpfung des Pflegenotstands zu einem ihrer Hauptanliegen gemacht, als sie 2017 ihre Arbeit aufgenommen habe. Die Maßnahmen wirkten aber erst nach und nach. „Pflegekräfte wachsen nicht auf Bäumen. Sie müssen ausgebildet werden und das dauert.”
Die Landesregierung habe aber massiv in den Bereich investiert und im vorigen Jahr hätten die Ausbildungszahlen in NRW bereits Rekordniveau erreicht. Mit über 17.000 Pflegefachkraft-Azubis sei 2021 eine Steigerung um knapp zehn Prozent im Vergleich zu 2020 gelungen.
In Bezug auf das berufliche Umfeld äußerte sich Laumann ähnlich wie die SPD-Politiker. „Um gutes Personal zu bekommen und im Beruf zu halten, müssen die Arbeitgeber auch für gute Arbeitsbedingungen sorgen”, bekräftigte er. Dazu gehörten eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf, verlässliche Dienst- und Arbeitspläne sowie eine anständige Vergütung.
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