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Fall Lolita Brieger„Wir wollen eine gerechte Strafe”

Lesezeit 5 Minuten

Hinter einem roten Aktendeckelverbarg der 50 Jahre alte Angeklagte – hier neben seinem Verteidiger Heinz Neuhaus – beim gestrigen Prozess-Auftakt sein Gesicht. (Fotos: Steinicke (3), Hammes)

TRIER/EIFELLAND – Wer ist der Mann, dem vorgeworfen wird, vor knapp 30 Jahren seine schwangere Freundin Lolita Brieger aus Frauenkron mit einem Eisendraht erdrosselt zu haben? Wer ist der Mann, der womöglich so lange Zeit mit einer solch schweren Schuld gelebt hat? Wer ist der Mann, der so viele Jahre unweit der ehemaligen Mülldeponie wohnte, in der er laut Staatsanwalt den Leichnam seiner Freundinverschwinden ließ?

Diese Frage treibt sehr viele um, entsprechend groß istim Trierer Landgericht der Andrang, als der Prozess gegen den heute 50 Jahre alten Landwirt aus Scheid beginnt. Rund zwei Dutzend Journalisten verfolgen den Prozess, auch die Zuschauerreihen in dem großen Saal sind komplett gefüllt. Der Andrang ist so groß, dass einer der Gerichtsbediensteten sagt, dass an diesem Tag sogar ausnahmsweise Stehplätze erlaubt seien.

Staatsanwalt Eric Samel und Hans-Josef Ewertz, der die Nebenklägerinnen – die Mutter und eine Schwester Lolita Briegers – vertritt, haben ihre Plätze eingenommen. Die VerteidigerHeinz Neuhaus und Thomas Grommes warten darauf, dass ihr Mandant in den Saal geführt wird. Den 50-Jährigen haben sie zuvor ein wenig auf das vorzubereiten versucht, was ihn im Gerichtssaal erwartet. Dann öffnet sich die Tür, von zwei Beamten wird der Landwirt hereingeführt. Er trägt einen dunklen Anzug samt Weste, eine blaue Krawatte. Ihm sind Handschellen angelegt. Sein Gesicht will derMann nicht zeigen: Einen roten Aktendeckel hält er sich dicht davor. Auch wenn er den Fotografen und Kameraleuten vor der Anklagebank nicht ins Gesicht schaut: Das Blitzlichtgewitter und das Klicken der Kameras muss er deutlich wahrgenommen haben.

Die mit drei Berufsrichtern und zwei Schöffen besetzte Schwurgerichtskammer um die Vorsitzende Richterin Petra Schmitz betrittden Saal. Erst als die Fotografen keine Bilder mehr machen dürfen, nimmt der Angeklagte den Aktendeckel hinunter. Sein Gesicht verrät nicht viel, seine Stimme ist betont fest, wenn auch ein klein wenig kratzig, als er von der Richterin zu seinen Personalien befragt wird. Er sagt kaum etwas.

Vater einessechsjährigen Sohnes

Er ist 1961 geboren, wohnt in Scheid, ist Landwirtschafts-Meister. Er ist verheiratet und hat einen sechs Jahre alten Sohn. Nach Informationen der Rundschau ist die Trennung des Ehepaars jedoch deutlich vor der Zeit erfolgt, als der Fall Lolita Brieger durch den Fernseh-Beitrag in „Aktenzeichen XY“ diese erstaunliche Dynamik erlangte und der 50-Jährige festgenommen wurde. Sein Anwalt Heinz Neuhaus sagt, dass sein Mandantsich zur Sache nicht äußern werde. Jedoch werde er an einem der nächsten Verhandlungstage Angaben zum Lebenslauf machen. Dies ist gestern nicht möglich, da der psychologische Gutachter nicht anwesend ist.

Kurz und knapp verliest Staatsanwalt Eric Samel die Anklageschrift: Aus Heimtücke und niederen Beweggründen hat der 50-Jährigenach Ansicht der Staatsanwaltschaft Lolita Brieger 1982 ermordet. Der Vater habe die Beziehung zwischen seinem Sohn und der 18-Jährigen nicht geduldet. Wegen ihres sozialen Status’ sei sie nicht würdig, Teil der Familie zu werden. Deswegen habe es zwischen dem Paar häufig Auseinandersetzungen und heftigen Streit gegeben.

Am Abend des 3. November habe sich der Angeklagte von seiner schwangeren Freundin getrennt. Spätestens, als diese ihn am 4. November aufgesucht habe, um ihn umzustimmen, habe er den Entschluss gefasst, sie zu töten. In einem abgelegenen Schuppen hat der Angeklagte Lolita Brieger nach Ansicht der Staatsanwaltschaft mit einem Eisendraht erdrosselt. Ihren Leichnam habe er in Folie gepackt und mit Draht verschnürt. Mit dem Mann, der sich der Polizei gegenüber als Zeuge offenbarte, habe er den Leichnam wenige Tage später in einem Auto zur ehemaligen Mülldeponie nach Frauenkron gebracht und dort vergraben.

Wenig später ist der erste Verhandlungstagbeendet. Diese wenigen Minuten haben Gisela Peter sehr aufgewühlt. Sie ist die älteste Schwester von Lolita Brieger. 20 Jahre ist sie älter als die Ermordete. Sie tritt im Prozess nicht als Nebenklägerin auf. Sie kämpft mit den Tränen, als sie den Gerichtssaal verlässt. „Es ist furchtbar, den Menschen zu sehen, der meine Schwester ausgelöscht hat“, sagt sie. Sie selbst ist vor vielen Jahren aus beruflichen Gründen aus Frauenkron weggezogen. Immer sei ihre Schwester für sie und die Familie präsent. Die Erinnerungen sind da, die Bilder. Man habe oft Kerzen angezündet, sagt Gisela Peter. Den Mann, von dem ihre Schwester ein Kind erwartete, der ihre Schwester ermordet haben soll – den habe sie nie gemocht. „Er war mir immer unsympathisch. Er war wohl was Besseres“, sagt Gisela Peter mit Bitterkeit. Kontakt habe sie zu ihm nie gehabt.

SpannenderIndizienprozess

Ihrer kleinen Schwester Lolita habe sie gesagt, dass der Mann nicht gut für sie sei. Die Familie habe ihr klar machen wollen, dass sie mit ihrer Hilfe und auch ohne den Vater das Kind, das sie erwartete, großziehen könne. Gisela Peter spricht auch über ihre Mutter: Die inzwischen über 80-Jährige habe immer auf die Stelle schauen müssen, an der Lolitas Leichnam vergraben war. Doch erst so viele Jahre später gibt es Gewissheit über ihr Schicksal. Nun steht der mutmaßliche Mörder ihrer Schwester vor Gericht. „Wir wollen, dass er eine gerechte Strafe erhält“, sagt Gisela Peter.Um eine mögliche Strafe und um die spannende Frage, ob dem Angeklagten der Mordnachzuweisen sein wird, drehen sich auch die vielen Gespräche, die die Anwälte währenddessenim Gerichtssaal mitJournalisten führen. „Die Heimtücke muss nachgewiesen werden. Im Sinne der Anklage halten wir ihn für unschuldig“, sagtVerteidigerNeuhaus.StaatsanwaltSamel: „Wir sehen grundsätzlich die Chance auf eine Verurteilung. Sonst hätten wir keine Anklage erhoben.“ „Ein Freispruch wäre für die Familie fatal, vor allem, wenn er eventuell als Täter festgestellt wird, aber die Mordmerkmale nicht nachgewiesen werden“, sagt Nebenklage-VertreterEwertz.

Ob überhaupt und, wenn ja,in welchen Ausmaß die Schuld des 50-Jährigen nachzuweisen ist, werden die kommenden sieben Verhandlungstage zeigen. Es deutet vieles darauf hin, dass es ein reiner Indizien-Prozess wird. Es werden über 30 Zeugen gehört. Fortgesetzt wird das Verfahren vor dem Landgericht Trier am 22. März.