Die Gesellschaft wird immer älter. Der demografische Wandel schreitet voran. Und mit immer mehr Senioren in immer mehr Altenheimen bekommt das Thema Pflege einen ganz neuen Stellenwert.
Ein Beleg dafür ist die Dissertation von Barbara Strohbücker, die nun als erste Pflegewissenschaftlerin an der Medizinischen Fakultät der Universität Köln promoviert hat. In ihrer Doktorarbeit geht sie der Frage auf den Grund, welche Bedürfnisse schwerkranke Bewohner von Pflegeheimen haben. Das Ergebnis: Pflegebedürftige möchten vor allem "mehr Einfluss auf die Gestaltung ihres Alltags" haben.
Die 50-Jährige arbeitet bereits seit 1987 an der Uniklinik Köln, zunächst als Krankenschwester, später als Stationsleitung. Parallel studierte sie Pflegewissenschaft an der Universität Witten/Herdecke, machte 1999 ihren Bachelor und 2001 ihren Master. In Köln konnte sie nun promovieren, obwohl der Studiengang Pflegewissenschaft hier an der Uni noch gar nicht angeboten wird.
Für ihre Promotion forschte sie im Zentrum für Palliativmedizin und konnte dank der Kooperation mit verschiedenen Einrichtungen der stationären Altenhilfe Interviews mit Betroffenen führen. Im Vordergrund stand dabei die Frage: ,Was brauchen Sie, um sich wohlzufühlen?' "Auffällig war, dass es um das Thema Krankheit erst ganz am Ende ging - und nur auf Nachfrage", erinnert sich die Wissenschaftlerin. Wichtig für das Wohlbefinden seien viel banalere Dinge, wie beispielsweise zu wissen, was es mittags zu essen gibt, oder selbst bestimmen zu dürfen, an welchen Tagen geduscht wird. "Den Senioren ist es wichtig, den geringen Gestaltungsspielraum, den sie noch haben, voll auszuschöpfen", sagt Strohbücker.
Extrem wichtig seien den Pflegebedürftigen auch die Kontakte nach außen, das Eingebundensein in die Familie, der tägliche Gang in die Kirche - "die Unabhängigkeit". Körperliches werde erst wichtig, wenn es die Mobilität stark einschränke. "Lebensqualität - das bedeutet für sie soziale und spirituelle Verbundenheit, Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, Gestaltung des Tagesablaufs unter Berücksichtigung ihrer Präferenzen sowie körperliches Wohlbefinden", fasst es Strohbücker in ihrer Dissertation zusammen.
"Mich hat die hohe Zufriedenheit der Senioren beeindruckt", sagt die 50-Jährige. Die Ansprüche seien sehr bescheiden und oftmals nicht einmal besonders zeitintensiv in ihrer Erfüllung. "Über die Wünsche zu sprechen, ist ja auch schon eine schöne Teilhabe", sagt Strohbücker. Ihr Fazit: "Wir müssen den Patienten immer mitnehmen." Das gezielte Abfragen der Bedürfnisse und die Begegnung mit den Patienten müsse verstärkt werden.
In Zukunft wird die Wissenschaftlerin im Team der Pflegedirektion der Uniklinik Köln nun für die Entwicklung der Pflegepraxis, den Aufbau des Studiengangs Pflege sowie Pflegeforschungsprojekte zuständig sein. Sie hofft, auch mit Medizinern gemeinsam forschen und Behandlungskonzepte entwickeln zu können. Die häufig sehr komplexen Behandlungen erforderten zunehmend eine gute Teamarbeit. Strohbücker: "Gute Medizin braucht auch gute Pflege."