KÖNIGSWINTER. Ein Bundeskanzler setzte hier seinen Fuß auf den verbotenen Perserteppich, ein roter „Herrscher aller Reußen“ brachte seine Leibgarde an den Rand des Herzinfarkts, als er sich unbemerkt in einen offenen Merdeces-Flitzer setzte. Ein anderer „roter Flitzer“ - pardon, Formel-1-Pilot - führte hier seine Braut vor den Altar, große und kleine gekrönte Häupter, einst mächtige und später ohnmächtige Prominente betteten hier ihr müdes Haupt.
Keine Frage - der Petersberg ist untrennbar mit der Bonner Republik verbunden. Vor 115 Jahren eröffnete hier erstmals ein Hotel, vor 15 Jahren wurde der Bau nach umfassender Renovierung offiziell als Gästehaus der Bundesregierung, Hotel und Kongresszentrum fit fürs 21. Jahrhundert gemacht. Ein Blick in die Vergangenheit des Hauses lohnt allemal, wobei zunächst die obigen Personen-Rätsel gelöst werden müssen.
Auf Augenhöhe mit
den Siegermächten
Bundeskanzler Konrad Adenauer stellte sich im September 1949 bei der Vorstellung des soeben vereidigten Bundeskabinetts demonstrativ auf den Teppich, auf dem die drei alliierten Hohen Kommissare standen, und signalisierte den Vertretern der westlichen Siegermächte, dass man hier auf „gleicher Augenhöhe“ verhandele. In Fragen des Protokolls war der „Alte“ bekanntlich sehr pingelig.
Beim „Herrscher aller Reußen“ handelte sich um KPdSU-Generalsekretär Leonid Breschnew, der sich bei seinem Besuch im Mai 1973 auf dem Petersberg, wo er logierte, tatsächlich unbemerkt in ein Mercedes-Cabriolet - offizielles Gastgeschenk an den Autonarren Breschnew - setzte und einfach losfuhr. Die Mär will wissen, dass die Spritztour am ersten Baum in der Kurve endete. Der damalige Botschafter der Sowjetunion in Bonn, Valentin Falin, berichtet in seinen Memoiren hingegen, dass Breschnew das Mercedes-Cabriolet souverän durch die engen Kurven lotste und anschließend anerkennend auf die Motorhaube klopfte: „Maschine gutt!“ So oder so, eine Anekdote von beträchtlichem Schmunzelwert.
Und der „rote Flitzer“ - die Motorsportfans wissen natürlich Bescheid - war kein anderer als Formel-1-Weltmeister Michael Schumacher, der im August 1995 in der Kapelle auf dem Petersberg seine Corinna kirchlich heiratete - übrigens exklusiv von der Rundschau enthüllt.
Das sind Geschichtchen. Der Petersberg hat aber auch Geschichte geschrieben. Der zunächst bescheidene Hotelbau von 1890 wurde erst mit der Übernahme und dem Ausbau durch die Kölnisch-Wasser-Dynastie Ferdinand Mülhens („4711“) im Jahre 1912 zu einem in ganz Europa beliebten Grand Hotel mit Kur-Charakter. Auch die bitteren Jahre nach 1918 konnten dem Renommé nichts anhaben. Doch wirklich bekannt wurde das Hotel erst nach dem Zweiten Weltkrieg, als die drei Westmächte den Petersberg 1949 als Hauptquartier und Sitz der Hohen Kommissare wählten - ein demonstrativer Akt der Machtausübung.
Denn Kanzler Adenauer schmeckten die regelmäßigen Fahrten auf den Petersberg gar nicht, weil er sich wie ein Klippschüler, der zum Rapport bestellt wurde, fühlte. Das änderte sich erst, als die Herren McCloy (USA), Robertson (Großbritannien) und Poncet (Frankreich) ihn in seiner Rhöndorfer Villa aufsuchten, doch da kleidete den „Alten“ bereits der weite Mantel des Staatsmannes.
Von 1955 bis 1969 diente dann das Hotel als Gästeresidenz der Bundesregierung. In der kleinen provisorischen Hauptstadt Bonn gab es nun mal keine bessere Bleibe für den Schah von Persien, die Queen oder den Kaiser von Japan. Und der grandiose Blick von oben auf das breite Rheintal ist natürlich wirklich „kaiserlich“. Nach der Schließung 1969 wurde das Hotel nur für Leonid Breschnew 1973 nochmal für wenige Tage auf Hochglanz gebracht. 1978 machte die Bundesregierung dann Nägel mit Köpfen und kaufte der Familie Mülhens das Hotel Petersberg ab. Jetzt war es auch ganz offiziell das Gästehaus der Bundesregierung, das freilich reichlich Steuergelder verschlang. Jahrelang wurde dann geplant, verhandelt und nach einem Investor Ausschau gehalten.
Nach jahrelanger umfassender Renovierung (mit Bundesmitteln) wurde der marode Bau dann 1990 seiner neuen Bestimmung als kombiniertes Fünf-Sterne-Hotel, staatliches Gästehaus und Kongresszentrum unter der Leitung des Steigenberger-Hotelkonzerns übergeben. Die Regierung ist zwar weg, nicht aber die Promis. Einer von ihnen ist Ex-Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher, der heute Abend als Festredner bestimmt aus dem Nähkästchen plaudern wird. „Weißt du noch, als Leonid unbemerkt in den Benz stieg. . .“