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Wohnungsnot in DeutschlandFungiert die Mietkrise als AfD-Booster?

Lesezeit 3 Minuten
Fähnchen mit dem Logo der AfD liegen auf einem Tisch.

Fähnchen mit dem Logo der AfD liegen auf einem Tisch.

Mannheimer Forscher sehen Verlierer des hart umkämpften Wohnungs-Marktes nach rechts rücken und versuchen eine Erklärung.

Wer in deutschen Städten zur Miete wohnt, spürt die Auswirkungen der Wohnungsnot oft unmittelbar. Die Verlierer des Mietmarktes – einkommensschwache Mieter – trifft es dabei besonders hart. Gerade in den urbanen Zentren, wo die AfD bisher schwächelte, gewinnt sie jedoch nun an Boden. Wie steigende Quadratmeterpreise politische Dynamiken verändern, hinterfragen Forscher der Universität Mannheim in ihrer Studie.

Die Entwicklung der Mietpreise beeinflusst nicht nur die Lebenshaltungskosten, sondern auch das Wahlverhalten der Bürger, zeigt die Studie „Risiko auf dem Mietmarkt und Unterstützung für die radikale Rechte“. Besonders einkommensschwache Langzeitmieter neigen bei steigenden Mieten in ihrem Wohnumfeld dazu, die AfD zu wählen, zeigen die Ergebnisse. Es geht um das sogenannte „Mietmarkt-Risiko“.

Steigende Mieten als Bedrohung

Das „Mietmarkt-Risiko“ beschreibt die Bedrohung durch steigende Mieten in der Nachbarschaft, die auch dann als Gefahr wahrgenommen wird, wenn die eigene Miete unverändert bleibt. „Sie empfinden steigende Mieten in ihrem Wohnumfeld als latente Bedrohung für ihren sozialen und wirtschaftlichen Status“, erklärt Denis Cohen, der am Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung (MZES) leitender wissenschaftlicher Mitarbeiter für Daten und Methoden ist.

Die gefühlte Bedrohung, die durch die Mietpreisentwicklung entsteht, beeinflusst also das politische Verhalten der Wähler. „Von den daraus resultierenden sozialen Abstiegsängsten profitieren Parteien des rechtsradikalen Spektrums. Dieses Muster ist bekannt und deckt sich mit Ergebnissen zahlreicher anderer Studien“, so Cohen. Ein Anstieg der durchschnittlichen Miete in der Nachbarschaft um einen Euro pro Quadratmeter erhöht laut Studienergebnissen die Wahrscheinlichkeit, dass diese Wähler die AfD unterstützen, um bis zu vier Prozentpunkte – unabhängig davon, ob die Programmatik der AfD eine Lösung für die Wohnungsproblematik bietet oder nicht.

AfD: Gegensätzlicher Effekte bei Wohlhabenden

Während einkommensschwache Mieter durch steigende Mieten verstärkt zur AfD tendieren, zeigt die Studie entgegengesetzte Effekte bei Haushalten mit höherem Einkommen und Wohneigentümern. Wohlhabendere Bevölkerungsgruppen würden sich weniger bedroht fühlen, was die Zustimmung zur AfD bei ihnen reduziere. Eigentlich stehen ländliche Gebiete immer wieder im Fokus von Diskussionen um rechtes Gedankengut. So erläuterte die Bundesregierung auf eine Anfrage der SPD-Fraktion: „Rechtsextremismus ist nach den Erkenntnissen der Verfassungsschutzbehörden eher ein Phänomen in den ländlichen Regionen als in Großstädten und Ballungsgebieten, auch wenn in einigen Großstädten (...) starke rechtsextremistische Szenen bzw. Strukturen – vor allem solche von Neonazis – existieren.“

Entgegen der Annahme, dass die AfD vor allem in ländlichen Regionen punktet, zeigen die Forscher jedoch in der Studie, dass die Partei auch in urbanen Zentren an Zustimmung gewinnt. „Die stärksten Effekte für die AfD sehen wir bei einkommensschwachen Menschen, die schon lange in Ballungsräumen wohnen, in denen die Mieten in den vergangenen Jahren besonders stark gestiegen sind.“

Mit dem höchsten Anteil an Mietwohnungen in der Europäischen Union und einem starken politischen Stadt-Land-Gefälle hätte Deutschland die ideale Grundlage für die Untersuchung dieses Phänomens geboten, so die Forscher. Die Studie zeige, dass die Dynamik des Mietmarktes eine bislang unterschätzte Rolle bei der Erklärung der politischen Unterstützung für rechtsradikale Parteien spiele.